Wir befinden uns mitten in der vierten Welle. Das Theater der Jungen Welt ist seit einer Woche wieder geschlossen. Genau wie vor einem Jahr, wieder vor dem Start des so wichtigen Weihnachtsspielbetriebs. Ein Déjà-vu, auf das ich gern verzichtet hätte. Die Inzidenzen explodieren, die ersten Patienten werden aus sächsischen Kliniken in andere Bundesländer verlegt, Existenzen stehen auf dem Spiel. Mein Frust und meine Sorge sind gerade so groß, der Krisenmodus läuft auf Hochtouren – da ist nicht viel Platz für Träume. Zumindest so, wie ich sie bisher für mich verstanden habe.

Träume sind Vorstellungen, die über das Alltägliche, das Reale hinauswachsen, um uns zu einem besseren Realen und besseren Alltäglichen zu bringen. Träume für Realisten sind oft die Basis jeglicher Kunst. Ich würde mich als zutiefst überzeugte, realistische Träumerin bezeichnen.

Meine Träume sind Überzeugungen und Welten, die von einer neblig-schillernd-positiven Zukunft ins Jetzt wachsen und mich hoffnungsvoll auf unbekannte Wege schubsen. Die mich Texte schreiben, Theater machen lassen oder – ja, auch das, ganz unkünstlerisch – über neue Formen von Zusammenarbeit in Theaterbetrieben nachdenken lassen.

Träumen ist ein Zustand, von dem ich aktuell sehr oft das Gefühl habe, dass ich ihn mir nicht erlauben darf. Weil er mich vom Funktionieren im Jetzt abhält. Und dann wieder – zum Glück – kommen diese Nun-erst-recht-Momente. Meistens, wenn ich über die Verantwortung nachdenke, die wir für unser junges Publikum haben. Dann sage ich mir, dass es gerade jetzt zwingend notwendig ist, absolut mutig zu träumen! Mit Kindern und Jugendlichen gemeinsam zu träumen und ihnen in unserem Theater den Raum und die Zeit dafür zu ermöglichen.

Was wir vielleicht auch jetzt könnten, wenn, tja, wenn zum Beispiel mehr Erwachsene Verantwortung übernommen hätten, aktiv geworden wären – auch gegenüber einer jungen Generation – und sich solidarisch, vorausschauend verhalten hätten und zum Beispiel und ja, das muss hier kommen: impfen lassen hätten.

Zeitung
Die letzte LZ des Jahres 2021, Nr. 97 Titelblatt. Foto: Screen LZ

Es gibt dieses Lied von Frida Gold, das mir gerade in den letzten Tagen immer wieder durch den Kopf geistert. „Wovon sollen wir träumen? So wie wir sind. Woran können wir glauben? Wo führt das hin? Was kommt und bleibt? So wie wir sind.“ So wie wir sind gerade, schaffen wir das – das Virus zu meistern?

Ich bin ein Fan von Rutger Bregmans Buch „Im Grunde gut“ und auch jetzt noch davon überzeugt, dass der Mensch, wenn es drauf ankommt, sich als soziales Wesen zeigt. Solidarität ist das Einzige, das uns hilft, diese Krise zu überwinden – in jeglicher Hinsicht.

Mehr gesellschaftlicher Zusammenhalt, mehr bei den Schwächsten sein, über unser Selbst hinausdenken. Das hat schon immer gut funktioniert in der Menschheitsgeschichte. Sagt Bregman. Sage ich. Naiv? Ein Traum?

Träume in Krisen sind einfach und groß zugleich. Ich träume abseits vom Krisenmodus von ein wenig mehr gefühlter Alltäglichkeit, von der aus ich träumend Zukunft gestalten kann. Ich träume aus Trotz weiter und weil ich es nicht ertrage, es nicht zu tun. Ich träume, weil wir, so wie wir als Gesellschaft gerade sind, uns besser träumen müssen. Wieder gut träumen müssen … in diesem Sinne: Lasst euch impfen und träumt weiter!

Mehr aktuelle Träume auf L-IZ.de, in der Coronakrise 2021 und aus den letzten Jahren

„Wenn Leipziger/-innen träumen: Träumt weiter!“ erschien erstmals am 17. Dezember 2021 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 97 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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