Haste Zeit? Haste, haste? Geh doch mal wieder shoppen, wenn das Moralzentrum drückt – sind wenigstens die Affen in Bangladesh auf Minimallohn versorgt, wenn das zehnte T-Shirt passt und der Mittelmeerbarsch für Eins-achtzig übern Tresen geht! Die 1.000 sind ja nun locker voll, die Fische satt und das Jahr ist noch jung. Ökonomisch gesehen ist der Proteineintrag an der Südeuropäischen Küste ein Segen für die Fischindustrie. Weitermachen! Es gibt Menschenfleisch. Für das nächste Abendmahl mit Sekt am mediterranen Buffet wird der Fisch zumindest wieder billiger, wenns auf hoher See den nächsten Eppelkahn aus der Spur haut.

Zeit haben wir nicht, denn Geld regiert die Welt. Die Gedenkminute wurde natürlich abgekürzt. Der Günter hatte am Sonntagabend knapp 35 Sekunden mit stierem Blick auf die Uhr seines erregten Gastes für die Toten im Mittelmeer. 1.000 abgesoffene Kameltreiber sind eben noch kein Germanwings-Absturz mit multimedialem Gottesdienst auf allen Kanälen und Nahaufnahme am Pissoir der Traurigkeiten. Es sollte schon ein Unterschied bleiben, wenn hoch ausgebildete Mitteleuropäer gegen eine Alpenwand krachen oder im Mittelmeer ganz selbstverständlich immer mehr Nichtschwimmer tauchen gehen.

Wo kämen wir schließlich hin, wenn Menschenrechte Menschenrechte wären?

Die Minute hat er also doch nicht ausgehalten – da trieb die Sendezeit und der Moderator plapperte schon mal ab Sekunde 20 im Namen des Sendeauftrages munter wieder los. Sind doch nur Kaffer, die da verrecken, Kameltreiber auf hoher See, die Mamelucken gehen halt baden, wenn sie zur See fahren wollen. Wüstenschiff ist Wüstenschiff, da macht das Mittelmeer gern mal für die Menschenfeinde und Kapitalismusgewinner vorsorglich den Sack zu.

Gepriesen sei also die See. Gelobt seien die Unterschiede auf der Welt, denn sie erzeugen Konkurrenz, die uns voranbringt und die Welt nährt. Wehe nur, sie entdecken den Landweg und der Türke macht die Tür auf. Dann gnade uns Gott. Also sie uns oder der Rest allen.

Das Schlauchboot hab ich gestern gekauft. Nordseetauglich und bis Minus 20 Grad benutzbar. Eine Option, dem Schwachsinn der Welt gen Norden zu entfliehen. Sofern der Russe nicht vor mir da ist. Aber eigentlich auch egal – Hauptsache, irgendwer sammelt mich dann auf.

Dem Günter wünsche ich einen Verkäufer, der das Loch mit einem spitzen Nagel unterhalb der Wasserlinie macht. Es ist schließlich nie zu spät, schwimmen zu lernen.

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