Von Dirk Feiertag: Die Unterbringung von nahezu allen geduldeten bzw. asylsuchenden Flüchtlingen in dezentralen Wohnungen ist selbstverständlich rechtlich möglich. Dabei ist mir der Erlass des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern/geduldeten Ausländern vom 31. 01. 2001 durchaus bekannt.

Hier wird zwar die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammelunterkünften als Regelfall genannt, wer den Erlass aber genauer liest, wird feststellen, dass aus “humanitären Gründen” eine Unterbringung in normalen Wohnungen allerdings ebenfalls möglich ist. www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/resources/18.12.08+Dezentrale+Unterbringung+2.pdf

Und Sie werden mir doch hoffentlich recht geben in der Bewertung, dass die Unterbringung in normalen Wohnungen im Grunde immer humaner ist als die Unterbringung in Sammelunterkünften? Sie können sich dabei auch auf Gutachten stützen, die nahe legen, dass die bisher praktizierte Unterbringung in Sammelunterkünften krank machen kann:
mainpost.de Flüchtlinge werden entmündigt

Ein weiterer Beleg für die rechtliche Machbarkeit ist, dass die Stadt Leipzig ja selbst in den vergangenen Jahren bei unveränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen die Unterbringung von Flüchtlingen in dezentralen Unterkünften erheblich gesteigert hat: jule.linxxnet.de 2011/11/V-f-478-antwort.pdf.

Eine Entwicklung, die ich ausdrücklich begrüße und an der im Übrigen der Freistaat Sachsen bisher auch keinen Anstoß genommen hat. Warum sollte also bei einer Quote von ca. 60 % Unterbringung in Wohnungen nun auf einmal Schluss sein?

Berücksichtigt man zusätzlich die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (bspw. hier: bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20120718_1bvl001010.html), in dem es die bisherigen Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) für zu gering und deshalb für verfassungswidrig erklärt hat, kann man davon ausgehen, dass auch die bisherige Unterbringung der Flüchtlinge in Sammelunterkünften rechtswidrig ist.

Das betrifft insbesondere die dem einzelnen Flüchtling zur Verfügung stehende Fläche. Die Art der Unterbringung sollte sich daher in Zukunft, ähnlich wie dies nun vom Bundesverfassungsgericht für die Leistungen zum Lebensunterhalt festgelegt wurde, an den Alg-II-Standards orientieren.

Für mich folgt daraus: Nicht die wirklich dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge in Wohnungen ist rechtswidrig, sondern die von der Stadt praktizierte Unterbringung in den bisher zur Verfügung stehenden Flüchtlingssammelunterkünften!

Matthias, ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie schreiben, dass der “Erlasses des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern/geduldeten Ausländern” die Unterbringung in Wohnungen nur im Einzelfall erlaubt.

Das steht jedoch in keinerlei Widerspruch zu dem oben Gesagten. Denn, und hier spricht der Jurist aus mir, die Formulierung des Erlasses gebietet lediglich eine Prüfung jedes Einzelfalles. Ergibt die Prüfung jedes Einzelfalles, dass eine Unterbringung in dezentralen Wohnungen humaner ist, kann diese Art der Unterbringung auch bei allen Flüchtlingen erfolgen. Diese Einzelfallprüfung kann – übrigens anders als aus der Lokalpolitik zu vernehmen – die Verwaltung auch von sich aus vornehmen und nicht nur auf Antrag des betroffenen Flüchtlings!

Letztlich hat die Stadt Leipzig in der Beurteilung der Unterbringung von Flüchtlingen einen weiten Entscheidungsspielraum. Die Stadt selbst hat festgelegt, was sie unter dem Begriff
“humanitäre Gründe” versteht. Eine Auslegung des Begriffes, wie ich ihn skizziert habe, ist rechtlich unproblematisch und hängt deshalb einzig von dem politischen Willen ab, es so zu tun.

Bei der Unterbringung von Flüchtlingen in normalen Wohnungen geht es aber nicht nur darum, die oftmals unzumutbaren Bedingungen der Flüchtlinge in den Sammelunterkünften wirklich spürbar zu verbessern, sondern auch um das öffentliche Interesse an der Sparsamkeit der öffentlichen Mittelverwendung. Zurzeit wird in Leipzig diskutiert, dass von der Stadt für die neuen Gemeinschaftsunterkünfte Mieten von 10 Euro pro qm zu bezahlen sind. Zwar soll nach dem öffentlichen Aufschrei hier noch einmal nachverhandelt werden, eins macht diese Diskussion jedoch sehr deutlich: Die Heimunterbringung wird immer deutlich teurer bleiben als die Unterbringung in normalen Wohnungen. Auch im § 53 Absatz 1 Satz 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVerfG) wird die Art der Unterbringung der Flüchtlinge vom öffentlichen Interesse abhängig gemacht.

Dieses Interesse ist selbst laut des Sächsischen Innenministeriums ohne konkretisierende Weisungen des Freistaates in jeder Einzelfallentscheidung zu berücksichtigen.
(www.saechsischerfluechtlingsrat.de/resources/18.12.08+Dezentrale+Unterbringung+1.pdf – Antworten auf Fragen 3 und 4) Die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in normalen Wohnungen ist kostengünstiger, humaner und rechtlich möglich!

Warum machen wir es dann nicht einfach? Während der Diskussion über die Unterbringung von Flüchtlingen im Sommer – die ich übrigens, anders als Sie behaupten, mit großem Interesse verfolgt habe – bin ich mit meinen Einwänden an die lokalen Entscheidungsträger herangetreten. Doch ohne Erfolg, man hat mir nicht zugehört. Und genau das möchte ich in Zukunft ändern: Sinnvolle und zweckmäßige Vorschläge aus der Bürgerschaft, die zur pragmatischen Lösung einer Sache beitragen, müssen eine Chance erhalten, auch umgesetzt zu werden. Hierzu müssen einerseits die Instrumente der Bürgerbeteiligung verbessert werden und andererseits muss die Verwaltung noch transparenter arbeiten als bisher.

Anstatt die rechtliche Rahmensetzung dabei ständig zu unterlaufen, was langfristig nur höhere Kosten aufwirft, kommt es mir darauf an, die politischen Gestaltungsspielräume, die Recht und Gesetz eröffnen, in Zukunft besser auszureizen. Und besser heißt für mich: zum Wohle aller Menschen, die in unserer Stadt leben. Dafür setze ich mich ein.

Zum Leserbrief vom 2. November 2012 auf L-IZ.de
Leserbrief zu Dirk Feiertag: Flüchtlingsheime abschaffen – NPD verbieten!

Zum Melder vom 1. November 2012 auf L-IZ.de
Dirk Feiertag : Flüchtlingsheime abschaffen – NPD verbieten!

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