Von Willie Wildgrube: Sehr geehrter Herr Schöler, ich möchte mich als Connewitzer gegen Ihre Darstellung "meines" Stadtteils verwahren. Sie stellen hier die Stöckartstraße* in ihrer Gesamtheit als ein von Ratten verseuchtes "Drecksloch" dar. Ihre Gesamtverurteilung - die ich unberechtigt aber naheliegend als Ihr Bild von Connewitz interpretiere - ergibt sich spätestens aus dem nach Ihrer Schilderung schlimmster Zustände folgenden Satz "Dann aber verlässt die junge Frau den Boden der Tatsachen."

Schon davor fabulierten Sie einen “Einblick in den ansonsten verschlossenen “Stö”-Sumpf.” Die Stöckartstraße* ist kein Sumpf. Im Gegenteil hat sie zwischen Bornaischer und Biedermannstraße einen gewichtigen und manchmal diskussionswürdigen Anteil an der oft zitierten “Buntheit” von Connewitz, an gelebter Kreativität, an Nutzung öffentlichen Raums beinahe frei von behördlichen Regulierungen.

Sie haben dabei die Chuzpe, diese Darstellung nicht zumindest auf das durchaus marode Hinterhaus in der Stöckartstraße* 3 zu begrenzen. Dieses Hinterhaus bildet jedoch nicht “die Stö” und schon gar nicht den Stadtteil Connewitz ab.

Anstatt von “sanierungsbedürftigen Mehrfamilienhäusern” zu schreiben, hätten Sie bei einem gelegentlichen Spaziergang einen Blick auf das zunächst rechts liegende Haus werfen können, das eine mit viel Liebe zum (Stadt-)Detail an Friedensreich Hundertwasser angelegte Fassadengestaltung bietet. Oder auf das erst kürzlich mit Graffiti internationaler Künstler versehene Haus gegenüber, das wie andere alternative Wohnformen bietet (nicht nur “erprobt”) und mit rauschenden, friedlichen Festen das Zusammenleben, das Anderssein, das Wasauchimmer leider zu selten feiert.

Zur “Stö” gehört genauso der Späti an der Ecke zur Bornaischen Straße und mittlerweile auch die Kita an der Biedermann-Ecke. Zu Ihrer Darstellung, dass deren Eltern im Hinterhaus der Stö 3 illegalisierte Drogen kaufen würden, erreicht Sie hoffentlich eine weitere Richtigstellung. – Vielleicht wäre es Ihrem Engagement eher angemessen gewesen, nach dem weiterhin infrage stehenden Bolzplatz zu fragen, der dieser Kita weichen musste, anstatt auch diese Einrichtung derart zu diffamieren.

Mit friedfertigem Gruß
Willie Wildgrube

*) Ja, ich lehne die nach 97 Jahren Gültigkeit des alten Straßennamens unsinnige Selbstlautverschiebung in »Stockartstraße« ab. Die politische Motivation lässt sich unschwer belegen: der Namensgeber hieß Hanns Stockhardt (sic!), alternativ auch Stokart (sic!). Es ging im bewegten Jahr 1993 weniger um eine historische Richtigstellung als um den Versuch, eine lebendige Legende zu demontieren.

Anmerkung der Redaktion
Wir bitten darum, den Artikel unter folgenden Aspekten nochmals zu lesen. Bei den in Frage stehenden Stellen handelt es sich um Wiedergaben der durch die Zeugin im Prozess gemachten Aussagen. Dies bezieht sich demnach auch folgend auf die Kindertagesstätte und ist somit keine Aussage des Journalisten. Mit Formulierungen wie bspw. “glaubt man ihr” wird die journalistische Einordnung auch vor dem Hintergrund der nachfolgenden Aussagen vorgenommen. Denn den Boden der Tatsachen verließ die Zeugin für Dritte nachvollziehbar bislang offensichtlich, da im Prozess ihren sonstigen Darstellungen noch nicht wiedersprochen wurde, erst bei dem Hinweis auf die angeblichen Waffen.

Das im Artikel der Stadtteil Connewitz als Ganzes beschrieben würde, ist eine schlichte Fehlinterpretation und wäre im Übrigen auch journalistisch unredlich. Weshalb wir diesen Vorwurf in freundlicher Form zurückweisen. Eine (auch schon auf L-IZ.de geführte) Debatte über den Bolzplatz in einem Gerichtsbericht zu erhoffen, würde den Rahmen dieser Reportageform sicher sprengen.

Zum Artikel vom 25. Januar 201 auf L-IZ.de
Drogendealer oder Kindergärtner? Die Abrechnung einer “Stö”-Aussteigerin

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