Bereits zum siebten Mal findet in diesem Jahr die Leipziger Disputation in Anlehnung an die Leipziger Disputation im Juni/Juli 1519 zwischen Martin Luther und Johann Eck statt. Am Dienstag, 30. Juni 2015 um 20:00 Uhr werden in der Thomaskirche Dr. Petra Bahr, Konrad Adenauer Stiftung, ehemalige Kulturbeauftragte der EKD und der Maler Michael Triegel über das Thema "Du sollst Dir (k)ein Bild machen " disputieren. Die Disputation orientiert sich thematisch an dem jeweiligen Themenjahr der Lutherdekade, in diesem Jahr "Bild und Bibel". Moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Sebastian Hesse-Kastein, Chefreporter MDR-Info. Der Eintritt ist frei!

Die Thesen für die diesjährige Disputation:

1. Die Reformation war eine Schrift- und Bilderrevolution. Luther ist ohne Gutenberg schwer vorstellbar, der protestantische Mensch ohne Luther-Bibel und Cranach-Gemälde kaum denkbar. Der Beitrag der Bibel zur heutigen digitalen Medienrevolution wartet noch auf seine Bestimmung.

2. Die Bibel spricht in Bildern. Das Bild verkündete die Botschaft und wurde in dieser Gestalt verstanden. Die Bilder haben gepredigt, sie waren der Text einer Menschheit ohne Schrift. Sie waren meinungsbildend, Apriori der Wahrnehmung. Von dieser Eindeutigkeit ist heute wenig zu spüren. Dennoch bilden die Bibel und die großen außereuropäischen Religionstexte neben den klassischen Mythen ein zentrales Reservoir der humanen Vorstellungskraft.

3. Das Bild der Bibel hatte seinen exklusiven Ort: die Kirche, die Abtei, später die Residenzen und die Museen. Man wusste, wo man die Bilder der Bibel fand. Der heutige Ort biblischer Bilder scheint verwaist.

4. Die Bilder der Bibel kannten ihre Adressaten: den sündigen und reuigen Christenmenschen. Auf ihn wartete die frohe Botschaft. Die “Zielgruppe” heutiger biblischer Bilder scheint weniger bestimmt.

5. Jede Religion prägt eine Zensur: Du sollst Dir kein Bildnis machen. Diese Bilderpolitik hat ihre guten Gründe. Sie erklärt, dass es Dinge gibt, die zu groß für die weltliche Darstellung sind. Was sie an visueller Konkretion versagt, verlegt sie in die unbegrenzte Vorstellungskraft des religiösen Menschen.

6. Eine andere Form dieser Bilderpolitik ist das grundsätzliche Verbot. Die Mohammed-Karikaturen haben die tagespolitische Virulenz dieser Bildignoranz jüngst bestätigt. Eine Religion, die Bilderzensur ausübt, zerstört die religiöse Vorstellungskraft.

7. Die ins Bild gesetzte Bibel war der Raum der Kritik, der Utopie. Das biblische Bild meinte nicht nur visuelle Repräsentation, es meinte gleichnishafte Erzählung, Fabel über den Zustand der Welt und ihre wünschenswerte Veränderung. Das utopische Potential dieser Bilder ist heute kaum jemandem bewusst.

8. Die Bilder der Reformation haben aufgeregt, sie waren skandalös: der leidende Jesus, die profanen Propheten, die Blöße Adam und Evas, die Nüchternheit des Abendmahls. Das biblische Bild muss auch heute aufregend oder sogar anstößig sein.

9. Die Kulturindustrie überschwemmt den Menschen des digitalen Zeitalters mit einer Bilderflut. Die Kraft der biblischen Bilder muss in der digitalen Welt der virtuellen Bilder bestehen.

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