Der Deutsche Presserat hat auf seinen Beschwerdeausschuss-Sitzungen am 8., 9. und 10. März 2016 wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex insgesamt 11 öffentliche Rügen ausgesprochen. Prominente Themen in den Sitzungen waren diesmal die Berichterstattung über die Silvester-Übergriffe von Köln, über das Paris-Attentat sowie über das Zugunglück in Bad Aibling.

Beschwerden zum Zugunglück von Bad Aibling

Als unangemessen sensationell bewertete der Beschwerdeausschuss die Veröffentlichung eines Augenzeugen-Videos vom Zugunglück in Bad Aibling. Die ABENDZEITUNG hatte in der Online-Ausgabe unter der Überschrift „Bad Aibling – Video zeigt schockierende Szenen nach der Kollision“ ein mehrminütiges Video veröffentlicht, das unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Züge aufgenommen worden war. Zu sehen sind chaotische Szenen mit verletzten Menschen, zu hören sind Schmerzensschreie. Mit Blick auf das Leid der Betroffenen und Hinterbliebenen ist die Darstellung nach Ansicht des Ausschusses presseethisch nicht akzeptabel. Die Richtlinie 11.3 (Unglücksfälle und Katastrophen) wird verletzt.

Beschwerden zu den Übergriffen von Köln

Als unbegründet erachtete der Beschwerdeausschuss die 14 Beschwerden, die zu dem FOCUS-Cover „Frauen klagen an“ vorlagen. Die Abbildung erschien Print und Online und thematisiert die Übergriffe von Köln. Zu sehen ist eine nackte Frau mit schwarzen Handabdrücken auf ihrer Haut. Im Raum gestanden hatte der Vorwurf, die Abbildung sei sexistisch und rassistisch. Der Beschwerdeausschuss erkennt in der Abbildung keine herabwürdigende Darstellung von Frauen. Auch überschreitet die Abbildung nicht die Grenze der Diskriminierung (Ziffer 12). Es gibt unterschiedliche Ansichten, wie die Handabdrücke zu bewerten sind, einige Leser sehen hier rassistische Stereotypen bedient, andere Leser halten die Darstellung der Übergriffe für sachlich. Die Abbildung ist nicht eindeutig in eine Richtung interpretierbar, urteilt der Ausschuss am Ende der Debatte. Die Veröffentlichung ist daher vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Drei weitere Berichterstattungen zum Thema Köln mit insgesamt 6 Beschwerdeführern wurden als unbegründet erachtet. In diesen Fällen ging es um Fragen der journalistischen Sorgfaltspflicht. Insgesamt lagen dem Presserat 31 Beschwerden zu den Vorfällen von Köln vor. 11 Beschwerden wurden bereits im Vorverfahren als offensichtlich unbegründet bewertet.

Beschwerden zum Paris-Attentat

Gerügt wurde BILD Online für die Darstellung der Opfer des Paris-Attentates. Unter der Überschrift „Die Geschichten der Opfer“ hatte die Redaktion Porträtbilder der Getöteten veröffentlicht, angereichert mit persönlichen Details aus dem Lebenslauf. Ein öffentliches Interesse an dieser identifizierbaren Darstellung besteht nach Ansicht des Gremiums nicht. Der Ausschuss sieht hier einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Opferschutz nach Richtlinie 8.2. Drei Leser hatten sich über die Darstellung beschwert.

Als Dokument der Zeitgeschichte bewertete der Ausschuss hingegen das Foto, welches die Szenerie in der Konzerthalle Bataclan nach dem Anschlag zeigt. Das Foto, unter anderem unter der Überschrift „Der Tod kam als sie tanzten“, zeigt eine Gesamtansicht des Tatorts. Zu sehen sind Leichen, die inmitten von Blutlachen auf dem Boden liegen. 64 Leser hatten sich über die Darstellung in BILD und BILD Online beschwert. Der Ausschuss kommt zu dem Schluss, dass die Aufnahme schockierend ist. Das öffentliche Interesse an dem Terroranschlag und seiner schrecklichen Folgen ist hier in der Gesamtschau jedoch höher zu bewerten als der Persönlichkeitsschutz der Betroffenen. Die Mitglieder des Ausschusses machen deutlich, dass es sich bei dem Foto um einen Grenzfall handelt. Die politische Dimension der Tat und das damit einhergehende Informationsinteresse der Leser rechtfertigen aber im vorliegenden Fall diese Form der Abbildung.

Opferschutz verletzt

BILD und BILD Online wurden wegen Berichterstattungen über die Mordfälle Elias und Mohamed gerügt. Zu sehen sind Fotos der getöteten Jungen, die im Rahmen der Suche nach den Kindern zu sehen waren. Der Ausschuss sieht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der erneuten Veröffentlichung der Fotos nach Abschluss der Fahndung. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte der minderjährigen Verbrechensopfer wird verletzt (Opferschutz, Richtlinie 8.2).

Eine Rüge sprach der Beschwerdeausschuss gegen BILD AM SONNTAG wegen eines Verstoßes gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Kodex aus. Das Blatt hatte unter der Überschrift „Schwangere erschlagen, in Donau geworfen“ über eine schwangere Frau berichtet, die ermordet worden war. Dabei wurden Fotos verwendet, die von ihrem Facebook-Profil stammten. Dagegen hatte sich die Mutter der Verstorbenen beschwert. Der Ausschuss sieht im Abdruck der Bilder einen Verstoß gegen den Opferschutz (Richtlinie 8.2). Danach können Fotos und Namen nur veröffentlicht werden, wenn die Angehörigen zugestimmt haben. Allein der Umstand, dass die Fotos auf Facebook verfügbar waren, rechtfertigt nicht die Verwendung in der Berichterstattung.

Mangelnde Trennung von Werbung und Redaktion

Zwei Rügen ergingen gegen FOCUS Online. In einem Fall hatte das Medium in einem Video über Technik-Sonderangebote eines großen Discounters berichtet. Dabei wurden auch die originalen Werbeanzeigen des Unternehmens eingeblendet. Vor dem Hintergrund, dass der Beitrag zum sogenannten Black Friday erschien, an dem zahlreiche Unternehmen mit Sonderangeboten auf sich aufmerksam machen, bewertet der Ausschuss das Präsentieren ausschließlich der Angebote dieses Discounters als Schleichwerbung im Sinne von Richtlinie 7.2 des Pressekodex.

In einem weiteren Beitrag hatte FOCUS Online ein Video veröffentlicht, das die Wirkungsweise eines Erkältungsmedikaments darstellt. Durch die werbliche Sprache und Bildgestaltung und die Beschränkung auf das Präparat eines bestimmten Herstellers entsteht ein Reklameeffekt, der über das Informationsinteresse der Leser hinausgeht. Die Grenze zur Schleichwerbung wird überschritten (Richtlinie 7.2).

Eine weitere Rüge sprach der Ausschuss gegen die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG und ihre Onlineausgabe aus. Unter der Überschrift „Schönschreiben mit Federhaltern“ war über die Produkte eines Herstellers von Füllfederhaltern berichtet worden. Der Ausschuss wertet die ausführliche und ganz überwiegend positive Besprechung der Fabrikate eines einzigen Herstellers ohne ersichtliche Alleinstellungsmerkmale als Schleichwerbung.

Der Beschwerdeausschuss sprach weiterhin eine Rüge gegen das Portal NETMOMS.DE aus. Unter der Überschrift „präsentiert von …“ war dort ein durchweg positiver Artikel über die Bachblütentherapie erschienen, der von einem Hersteller homöopathischer Präparate stammt. Der Ausschuss sieht in der Überschrift „präsentiert von …“ keine ausreichende Kennzeichnung, dass dieser Beitrag gesponsert wurde. Die Veröffentlichung verstößt damit gegen Ziffer 7 des Pressekodex.

Die Zeitschrift TV HÖREN UND SEHEN erhielt eine Rüge wegen Verstoßes gegen die Richtlinie zur Schleichwerbung (Richtlinie 7.2). Die Zeitschrift hatte einen Beitrag über ein Abnehm-Präparat veröffentlicht, der als Interview mit dem Hersteller aufgemacht ist. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass durch die Aufmachung als Interview eine neutrale bzw. kritische Berichterstattung suggeriert wird. Die unkritische Darstellung des Produkts und die anpreisenden Formulierungen in dem Beitrag lösen dieses Versprechen aber nicht ein. Ein werblicher Effekt wird zudem durch ein Foto des Präparats erzielt.

Statistik

Die Ergebnisse: 11 öffentliche Rügen, 14 Missbilligungen und 39 Hinweise. 25 Beschwerden wurden als begründet bewertet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, 156 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet. Lagen mehrere Beschwerden gegen eine Veröffentlichung vor, wurde nur eine Maßnahme ausgesprochen.

Es gibt 6 Kommentare

Die Frage war auch mehr symbolhaft gemeint und hätte ihm sagen können: “dieses verbale reinrotzen in die Runde” ist unanständig z.B…

>Nein … weil?

…es der Klaus so geschrieben hat. Wird dann wohl stimmen.

^^

Nein. Die Bild tapeziert damit eher die Büroräume, der Verkaufsumsatz bleibt …

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