Gerade Zahnärzte müssen immer wieder feststellen, dass viele Menschen den Ausspruch „sich durch etwas durchbeißen müssen“ viel zu wörtlich nehmen: Immer wieder pressen sie ihre Kiefer aufeinander, bewegen dabei den Unterkiefer und knirschen so mit den Zähnen. Auf Dauer tut dies den menschlichen Kauwerkzeugen nicht gut, auch Muskel- und Kiefergelenkschmerzen können auftreten. Häufige Ursache: Stress – und zwar sowohl situationsbedingter als auch chronischer Stress.

Wird mit den Zähnen geknirscht (Fachbegriff: Bruxismus), zieht sich die Muskulatur rhythmisch zusammen, die Zahnreihen pressen sich aufeinander, und die mahlenden Bewegungen des Unterkiefers erzeugen das typische Geräusch. „Dabei können Kräfte von bis zu 70 Kilogramm auf die Zähne einwirken“, weiß Dr. Oliver Schierz, Leiter des Bereichs Klinische Prothetik an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde des Universitätsklinikums Leipzig. Mit Hilfe von Zahlen verdeutlicht er, was Knirschen für das Gebiss bedeutet: „Betrachtet man den Zahnkontakt pro 24 Stunden, sprechen wir beim Kauen von acht Minuten, beim Schlucken von 15 Minuten und beim Zähneknirschen von bis zu zwei Stunden – bei viel höheren Kräften.“

Die Mediziner unterscheiden zwischen dem Knirschen am Tag und dem in der Nacht. Während nächtliches Knirschen mittlerweile als Schlafstörung angesehen wird und in den Übergängen zwischen den Schlafphasen auftritt, ist das Knirschen tagsüber meist ein Zeichen für Stress.

„Durch das Knirschen werden der Schläfen- und Wangenmuskel trainiert, was die wirkenden Kräfte unglücklicherweise sogar noch verstärkt“, beschreibt Schierz einen ungewollten Effekt. „Betroffene registrieren zwar oft das Knirschen, merken aber nicht, wie stark sie pressen“, beschreibt er das Phänomen.

Die Folgen jahrelangen Knirschens sind im wahrsten Sinn des Wortes messbar: Die Zähne werden sichtbar kürzer, planer und somit scharfkantiger. Füllungen fallen heraus, Zahnersatz geht schneller kaputt. Auch werden die Zähne durch den Druck und die Bewegungen gestaucht, am Zahnhals können kleine Scherben abplatzen, wodurch dieser überempfindlich wird oder der Zahnnerv am Ende sogar absterben kann. Durch die hohen Kräfte sind die Kiefer chronisch überbelastet. Das führt zu Kaumuskel- und Kiefergelenkschmerzen, vor allem, wenn sowohl nachts als auch tagsüber geknirscht wird. Als Folge können migräneartige Kopfschmerzen entstehen.

Was sollten Betroffene tun, um ihre Zähne zu schützen? „Auch da müssen wir wieder zwischen Tag und Nacht unterscheiden“, erläutert Dr. Schierz. „Nachts ist es eine unbewusste Sache, auf die eigentlich kein Einfluss genommen werden kann. Zum Schutz ihrer Zähne sollten diese Menschen so genannte Aufbissschienen aus Kunststoff tragen.“ Statt der Zähne gehe so nur der Kunststoff kaputt, und der, so der UKL-Experte, könne eben viel leichter und kostengünstiger ausgetauscht werden.

„Tagesknirscher“ hingegen könnten versuchen, ihre Muskulatur in stressigen Situationen zu entspannen: „Man kann lernen, sich das Knirschen am Tage abzugewöhnen“, meint Dr. Schierz. Als Beispiel für eine Methode nennt er autogenes Training. Eine weitere sei die Roter-Punkt-Methode: „Man bringt einen roten Punkt gut sichtbar an einem Ort im eigenen Alltag an, wo man bisher immer geknirscht hat. Das kann der Arbeitsplatz sein oder auch im Auto. Fällt dann der Blick auf diesen roten Punkt, sollte sich der Betroffene kurz selbst kontrollieren: Presse ich gerade oder nicht?“ Ein positiver Effekt, ist sich der Mediziner sicher, stelle sich nach etwa zwei bis drei Monaten ein. Schienen wie in der Nacht kämen für die Knirscher am Tage nicht in Frage: „Mit diesen Kunststoffteilen lässt es sich einfach schlecht sprechen, und sie sind optisch auch nicht ansprechend“, begründet Dr. Schierz.

Und für Statistiker: Kinder knirschen häufiger als Erwachsene und Frauen tun es genau so oft wie Männer.

In eigener Sache – Eine L-IZ.de für alle: Wir suchen „Freikäufer“

Eine L-IZ.de für alle: Wir suchen „Freikäufer“

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar