Aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf die Frage einer Bundestagsabgeordneten geht hervor, dass die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes nur von etwa einem Viertel der Berechtigten genutzt werden. Dazu erklärt Daniela Kolbe, SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im SPD-Parteivorstand: „Nur jedes vierte berechtigte Kind profitiert davon, dass Zuschüsse zu Schulessen, Nachhilfe, Klassenfahrten u. ä. gezahlt werden. Das ist kein Wunder, wenn man sich einmal mit dem Antragsprozess befasst. In manchen Bundesländern braucht man gefühlt ein Zusatzstudium um sich durch die Formulare zu kämpfen. Viele Eltern kennen die Leistungen nicht oder sind vom Verfahren so abgeschreckt, dass sie den Antrag auf eine Leistung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket gar nicht erst stellen.“

„Es ist erschreckend, dass ein so wichtiges Instrument wie das Bildungs- und Teilhabepaket zwar existiert aber so kompliziert gestrickt ist, dass es viel zu wenig genutzt wird. Unser Sozialstaat ist leistungsstark, aber denen, um die es geht, zu wenig zugewandt. Das lässt sich auf andere Bereiche des Sozialstaates übertragen. Wer Leistungen aus den Sozialgesetzbüchern in Anspruch nehmen muss, muss sich erst einmal mit seitenweise Merkblättern, Formularen und Bescheiden befassen, bevor er oder sie Hilfe bekommt. Selbst Sozialrechtler haben Probleme, manches Schreiben zu verstehen. Es kann uns daher nicht überraschen, dass Menschen den Gang in die Einrichtungen fürchten oder ihre Post nicht mehr öffnen.

Ich freue mich, dass die Debatte über Sozialpolitik wieder geführt wird. Das soziale Sicherungssystem muss zu den Herausforderungen unserer Zeit passen. Dazu gehört, dass Arbeiter und Angestellte darauf vertrauen können müssen, dass sie weiterhin gegen die großen Lebensrisiken abgesichert sind. Dazu gehört auch, dass Eltern sich nicht entscheiden müssen, ob sie ihrem Kind die Nachhilfe oder die Klassenfahrt bezahlen. Die Große Koalition hat sich darauf geeinigt, die Eltern davon zu befreien einen Euro pro Tag für die Essensversorgung zuzuzahlen. Das kann allerdings nur ein erster Schritt für eine große Reform des Sozialstaates sein. Das jetzige System überfordert die Bürgerinnen und Bürger. Für eine große Reform, brauchen wir den Mut neu über Sozialpolitik nachzudenken. Wir brauchen einen teilweisen Bruch mit der Politik der letzten 15 Jahre seit den Hartz-Gesetzen. Wir müssen eine neue Idee für einen Sozialstaat entwickeln, der sich den Bürgern zuwendet und ihnen Sicherheit gibt.

Die Debatte um ein solidarisches Grundeinkommen, angestoßen von Michael Müller, ist dabei ein erster wichtiger Schritt.“

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