Christchurch-Video, Schleichwerbung und Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes: Die Ausschüsse des Deutschen Presserats haben auf ihren Sitzungen vom 4. bis 6. Juni insgesamt acht Rügen erteilt.

Christchurch-Video: Redaktion hat sich zum Werkzeug des Täters gemacht

BILD.DE erhielt eine Rüge für die Veröffentlichung von Video-Sequenzen des Christchurch-Attentäters, der im März die Tötung von über 50 Menschen live ins Internet übertragen hatte. Mit der Veröffentlichung seiner Video-Ausschnitte bot die Redaktion dem Täter genau die öffentliche Bühne, die er haben wollte. BILD.DE verstieß damit gegen Richtlinie 11.2 des Pressekodex, wonach die Presse sich nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen darf.

Zwar veröffentlichte die Redaktion unter der Schlagzeile „17 Minuten Mordfeldzug“ nicht die Taten selbst, sondern zeigte den mutmaßlichen Mörder auf dem Weg zu den Moscheen und beim Laden seiner Waffen. Diese Bilder reichten jedoch, um Assoziationen zu erzeugen, die weit über das berechtigte öffentliche Interesse an dem Geschehen hinausgingen. Auch die detaillierte, dramatisierende Schilderung und drastische Bebilderung im Begleittext zum Video bedienten nach Ansicht des Beschwerdeausschusses überwiegend Sensationsinteressen.

Opferschutz bei Verkehrsunfall missachtet

Wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsschutzes nach Ziffer 8 des Pressekodex wurde BILD.DE gerügt. Die Redaktion hatte unter der Überschrift „Anwältin: ‚Opfer waren zur falschen Zeit am falschen Ort‘“ über einen Verkehrsunfall berichtet, bei dem ein junges Paar ums Leben kam. Veröffentlicht wurden in diesem Zusammenhang Vorname, abgekürzter Nachname und Alter sowie ein Foto des männlichen Opfers.

Ein öffentliches Interesse an dieser identifizierenden Darstellung bestand nicht, da es sich bei dem jungen Mann nicht um eine Person des öffentlichen Lebens handelte. Auch hatten seine Hinterbliebenen der Veröffentlichung der Angaben nicht zugestimmt, sodass ein grober Verstoß gegen den Opferschutz vorlag.

Strafanzeige allein rechtfertigte noch keine identifizierende Berichterstattung

Wegen einer Verletzung der journalistischen Sorgfalt nach Ziffer 2 des Pressekodex und einer unzulässigen Vorverurteilung nach Ziffer 13, Richtlinie 13.1 wurde die NORDWEST-ZEITUNG gerügt. Die Redaktion hatte unter der Überschrift „Klinikum-Leitung unbestechlich?“ eine anonyme Strafanzeige gegen eine Klinik-Leitung zum Anlass genommen, unter voller Namensnennung und mit Fotos der Angezeigten umfangreich über die erhobenen Vorwürfe zu berichten.

Die Redaktion hatte den Betroffenen keine ausreichende Gelegenheit gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die Staatsanwaltschaft stellte schon wenige Tage später das Ermittlungsverfahren mangels Anfangsverdachts ein. Allein aufgrund einer anonymen Strafanzeige, die für sich genommen noch keine Aussage über den Wahrheitsgehalt der erhobenen Vorwürfe macht, wird hier – ohne ausreichend zu recherchieren – umfangreich und in identifizierender Weise berichtet. Die Betroffenen werden damit an den Pranger gestellt. Dies stellt eine massive Verletzung presseethischer Grundsätze dar.

 

Persönlichkeitsschutz einer Behördenmitarbeiterin verletzt

Wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsschutzes nach Ziffer 8 Pressekodex wurde die OSTTHÜRINGER ZEITUNG gerügt. Die Redaktion hatte unter der Überschrift „Eile eines Feuerwehrmannes wird bestraft‘“ über ein Bußgeldverfahren gegen einen Feuerwehrmann berichtet, der mit seinem Privatwagen auf dem Weg zum Einsatz geblitzt wurde. In dem Artikel fand sich auch ein Ausschnitt aus dem Vollstreckungsbescheid mit Namen und weiteren Daten der zuständigen Behördenmitarbeiterin.

Ein öffentliches Interesse an dieser identifizierenden Darstellung bestand nicht, da der Bescheid der Behörde und nicht der bearbeitenden Mitarbeiterin zuzurechnen war und diese auch keine exponierte Stellung in der Behörde innehatte. Zudem legte der konkrete Ausriss des Bescheids die Vermutung nahe, dass die Redaktion hier die Mitarbeiterin der Stadt bewusst ins Licht der Öffentlichkeit setzte. Insgesamt erkannte der Beschwerdeausschuss darin einen schweren Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit.

Schleichwerbung für Turnschuh mit „perfekter Sohle“

Wegen eines Verstoßes gegen die in Ziffer 7 des Pressekodex geforderte klare Trennung von Redaktion und Werbung wurde BRAVO SPORT gerügt. Die Redaktion hatte über einen neuen Fußballschuh berichtet. Der Schuh wurde als „Legenden-Boot“ bezeichnet, der für „Zauberfüße“ gemacht sei und mit werblichen Formulierungen beschrieben. Die Rede war dabei von „Innovation pur“, „bestem Ballgefühl“, „geiler Passform“ und „perfekter Sohle“.

Der Beitrag enthielt zudem PR-Fotos des Herstellers. Diese Gesamtdarstellung überschritt deutlich die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem Interesse und Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 des Pressekodex. Die Veröffentlichung erweckte den Eindruck, als handele es sich um einen PR-Beitrag des Sportartikelherstellers.

Werbliches Interview mit Markenbotschafterin

BRIGITTE wurde gerügt wegen der Veröffentlichung eines Interviews mit einer bekannten Fernsehmoderatorin. In einer Frage stellte die Redaktion fest, dass diese Markenbotschafterin für ein – konkret benanntes – Schönheitspräparat sei und fragte, wie sie dazu gekommen sei. Die Moderatorin äußerte sich daraufhin sehr positiv über das Produkt, von dem auch ein Foto mit Preisangabe veröffentlicht wurde. In dieser Form der Produktplatzierung in einer redaktionellen Veröffentlichung sah der Presserat deutliche Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 des Pressekodex.

Angebote einer Fast-Food-Kette angepriesen

Als eindeutigen Fall von Schleichwerbung gemäß Richtlinie 7.2 des Pressekodex bewertete der Beschwerdeausschuss den in der Online-Ausgabe des MERKUR veröffentlichten Beitrag „Bei McDonald’s gibt’s heute zwei Klassiker mit Softdrink und Pommes – zum halben Preis“ über eine Oster-Aktion der Fast-Food-Kette. Der Artikel informierte ausführlich und positiv gefärbt über die Angebote im Rahmen der Aktion und ließ dabei journalistische Einordnung und Distanz weitgehend vermissen.

Zeitungsbeilage mit werblichen Texten

RHEINMAIN.MEDIA (RMM) wurde wegen ungenügender Trennung von Anzeigen und redaktionellen Inhalten gerügt. Gleich mehrere Ausgaben der von RMM verantworteten Zeitungsbeilage „Wochenende!“ enthielten werbliche Texte, die nicht als solche gekennzeichnet waren. Damit verstieß die Redaktion gegen die in Richtlinie 7.1 des Pressekodex geforderte Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen. Die Beilage liegt unter anderem der FRANKFURTER RUNDSCHAU, der FRANKFURTER NEUEN PRESSE und Regionalausgaben der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG bei.

Statistik
Die Ergebnisse: 8 öffentliche Rügen, 25 Missbilligungen und 32 Hinweise. Der Presserat bewertete 16 Beschwerden als begründet, verzichtete jedoch auf eine Maßnahme. 47 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet.

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar