Vor etwas mehr als einem Jahr, Anfang September 2019, eröffnete am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) eine Schmerztagesklinik. Es war ein unruhiges erstes Jahr, wegen Corona musste die Einrichtung im Frühjahr für Monate schließen. Im Juli dann ein Neustart. Nun, zu Beginn des zweiten Jahres, wird das Therapieangebot um Biofeedback, einem Verfahren aus der Verhaltenstherapie, ergänzt.

Biofeedback ist eine nicht-medikamentöse Therapie, die auch erfolgreich im Bereich der Schmerzmedizin eingesetzt wird, um durch aufmerksame Beobachtung Einfluss auf den eigenen Organismus zu erlernen und dadurch bewusst das eigene Wohlbefinden als Therapieziel zu steigern.

Das „Biofeedback“-Verfahren ist eine wissenschaftliche Methode, ein Lernprozess, der die willentliche Kontrolle über ansonsten unbewusst ablaufende Körperfunktionen ermöglicht. Oder leichter formuliert: „Die Patienten erlernen in wenigen Sitzungen Einfluss auf ihre Körperreaktionen zu nehmen.

Sie erhalten auf einem Monitor visuell ein Feedback ihrer eigenen Herz- und Atemfrequenz und wie sie sie tatsächlich beeinflussen und regulieren können. Dadurch ist es möglich, unbewusste Abläufe im Körper, zum Beispiel Muskelanspannung auf einen Stressimpuls, wahrzunehmen, bewusst zu regulieren und damit aktiv zu beeinflussen.“ erläutert Oberärztin Dr. Swantje Mescha (li.), Leiterin der Schmerztagesklinik am UKL.

„Patienten mit chronischen Schmerzen beschreiben sich als teilweise genervt oder fühlen sich extrem angespannt oder auch unter Dauerstress. Sie zeigen nur eine eingeschränkte Möglichkeit, einige Körperfunktionen, wie die Atem- und Herzfrequenzvariation, zu regulieren. Die Patienten sollen wieder erlernen, ihren eigenen Körper wahrzunehmen und darüber hinaus auch weiter ohne technische Unterstützung zu kontrollieren.“, erklärt sie weiter.

Hier soll Biofeedback ansetzen. Das entsprechende Gerät wird mit einem Computer verbunden, der Patient erhält einen Multisensor an einen Finger. Dieser misst die Biodaten des Patienten, Hauttemperatur, Hautleitwert und den Puls. Ein zweiter Sensor, ein Infrarotsensor auf einem Stativ, wird kontaktlos auf den Bauch ausgerichtet und ermittelt die Atemfrequenz. Alle Daten und die Veränderungen werden an den angeschlossenen Computer übertragen.

Auf dem Bildschirm können die Patienten nun sehen, wie sich die Regulation der Körperreaktionen anhand der Pulsfrequenz oder Atmung durch Emotionen, Entspannung oder eben auch Stress verändert – sie erhalten eine visuelle Rückmeldung über den Monitor, ein „Feedback“. Nun erhalten die Probanden beispielsweise die Aufgabe, die Atemfrequenz anhand einer auf dem Monitor gezeigten Vorgabe zu reduzieren und zu vertiefen, um eine aktive Entspannung zu erreichen und somit ihre Herz- und Kreislaufparameter zu beeinflussen.

Die eigene Einflussnahme auf die Atmung, so Dr. Mescha, sei spannend und ein wichtiger Impuls für die Patienten. Nach nur etwa zehn Sitzungen sollen sie erlernt haben, in die gewünschte Richtung zu beeinflussen. Langfristiges Therapieziel für Schmerzpatienten ist, diese Übungen auch ohne technische Hilfsmittel zu Hause oder im Arbeitsumfeld einzusetzen und diese Fähigkeit auf Dauer für sich selbst zu nutzen.

Die Schmerztagesklinik schließt mit ihren Angeboten eine Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung im Bereich der Schmerzmedizinischen Patientenversorgung. In Sachsen gibt es bisher noch wenige solcher Einrichtungen. Behandelt werden Patienten mit chronischen Schmerzen, zum Beispiel im Rücken, der Gelenke oder mit chronischen Nervenschmerzen, sowie solche des Muskel- und Bewegungsapparates, zum Beispiel im Knie, in der Schulter oder im Hüftgelenk.

Die ärztliche und therapeutische Betreuung erfolgt in Kleingruppen von maximal acht Personen. Durch die tägliche Rückkehr nach Hause bleibt der Bezug zum persönlichen Alltag bestehen.

Zwischen September 2019 und September 2020 sind bisher zirka 70 Patienten im Alter von 38 bis 88 Jahren behandelt worden. “Kamen anfangs eher ältere Menschen, wurden die Patienten im Lauf des Jahres jünger”, berichtet Dr. Mescha.

„Es freut mich, wenn jüngere Betroffene nicht denken, die Angebote seien nur etwas für Ältere“, meint die Schmerz-Expertin. Je früher eine Therapie beginne, sagt sie, desto günstiger könne der Krankheitsverlauf beeinflusst und die Chronifizierung der Schmerzen eingedämmt werden und umso besser und langanhaltender seien das Ergebnis und das Wohlbefinden auf längere Sicht.

Weil die Räume der Schmerztagesklinik in dem als „Haus am Park“ bekannten Gebäude auf dem Campus Liebigstraße im Frühjahr für die damals dringend benötigte Corona-Ambulanz benötigt wurde, musste die Einrichtung am 13. März schließen – „an einem Freitag, dem 13.“, wie sich Dr. Mescha gut erinnert. Erst nach dem Rückgang der Zahl der Corona-Neuinfektionen wurde eine Wiedereröffnung am 1. Juli möglich. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchten Dr. Mescha und ihr Team, möglichst viele Kontakte zu ihren Patienten zu halten.

„Diese Zeit war und ist für Patienten mit chronischen Erkrankungen sehr schwierig, weil viele soziale Kontakte, sportliche Aktivitäten und auch Kulturangebote einfach nicht existierten und wegfielen“, erläutert die Ärztin. Depressionen, Angst, Stress verstärkten sich mit der Folge einer Verschlechterung der Beschwerdeproblematik, besonders auch bei chronischen Schmerzpatienten.

„Die Schließung hat uns eher noch motiviert, Wege zu finden, um den Ausfall unserer Patientenkontakte zu minimieren“, ist sich Dr. Swantje Mescha sicher. Ein wirksames Mittel waren Video- und Telefonsprechstunden. „Allein nur mit uns Ärzten und den hoch engagierten Schwestern sprechen zu können, war sehr hilfreich für unsere Patienten. So konnten sie einen Teil ihrer Sorgen und Ängste mitteilen und Entlastung und Beratung von uns erhalten“, erinnert sich die Leiterin der Schmerztagesklinik am UKL.

Weitere Information für Ärzte und Patienten 

Telefon: 0341 / 97-17716,
E-Mail: schmerzambulanz@medizin.uni-leipzig.de
Internet: https://www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/kai/klinik/schmerzmedizin

Die neue „Leipziger Zeitung“ Nr. 83: Zwischen Ich und Wir

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