In der letzten Stadtratssitzung war die Auenlandschaft Leipzigs gleich zweifach Thema, einerseits bezüglich der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie1(WRRL), andererseits bezüglich der Abstimmung über den Forstwirtschaftsplan 20212.

Nun könnte man fragen, was dort nun Spannendes beschlossen wurde und was nun mit der Aue passieren wird?

Aber die Antwort ist kurz und ermüdend: es wurde nichts Weltbewegendes beschlossen. Und es wird wahrscheinlich auch nichts von Belang in der Aue passieren.

Doch nun zu den Details.

Am 24.3.21 diskutierte der Stadtrat über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Worum ging es? Die europäischen Staaten sind dazu verpflichtet, ihre Gewässer in einen guten Zustand zu bringen3. Das macht Sinn, denn wir sind auf sauberes Wasser angewiesen, es ist lebensnotwendig für uns. Eigentlich sollte dieser gute Zustand schon 2015 erreicht worden sein und nur in Ausnahmefällen bis 2027, aber in Deutschland ist man diesbezüglich heute noch vielerorts nicht weiter gekommen und nun hat man nur noch sechs Jahre Zeit dafür.

Auch in Leipzig wurde gebummelt, man hat ja in der Vergangenheit alles Mögliche mit den Gewässern machen wollen (Stichwort WTNK), aber das mit dem „guten Zustand“ wurde dann doch immer nach hinten geschoben. Aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kam nun der o.g. Antrag, einen „Integrierten Gewässerentwicklungsplan zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie für alle Leipziger Gewässer zu erarbeiten und bis Ende 2022 vorzulegen.“4 Dabei sollten alle „Leipziger Fließgewässer unter besonderer Beachtung des Auenentwicklungskonzepts“ renaturiert werden.

Die Stadt Leipzig ist nur für die Gewässer 2. Ordnung zuständig5, das sind zumeist kleinere Bäche und Gräben auf dem gesamten Stadtgebiet (nicht nur Auwald oder FFH-Gebiet) – aber ja, auch diese müssen laut WRRL in guten Zustand gebracht werden und können, so sie in gutem Zustand sind, zudem durchaus positive Wirkungen für den Naturhaushalt haben! Doch auch betreffs der Gewässer 1. Ordnung (den größeren Flüssen) sollte die Stadt aktiv auf den Freistaat zugehen, um hier im Vorfeld einzuwirken und um Gelegenheiten zu ökologischen Verbesserungen besser nutzen zu können.

In der Stadtratssitzung wurde zwar kurz über den Antrag diskutiert, aber wie es dem Videomitschnitt und der Presse zu entnehmen ist, stellte die CDU-Fraktion den Änderungsantrag, dass man den Verwaltungsstandpunkt (der wohl nicht öffentlich einsehbar ist) stattdessen übernimmt. Wie es den Worten von Heiko Rosenthal, Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport, zu entnehmen war, läuft dieser Verwaltungsstandpunkt darauf hinaus, dass man sich in Bezug auf die Gewässer 1. Ordnung als Kommune nicht zuständig sieht und der Freistaat hier bitte etwas tun möge.

Zwar will man dieses wichtige Thema auch im derzeit entstehenden Auenentwicklungskonzept weiter bearbeiten aber hier, so Rosenthal „muss auch der Freistaat dort deutlich machen, inwieweit er diesen Knoten umgestalten möchte.“ (Knoten entspricht dem Leipziger Gewässerknoten, von dem der Wasserhaushalt der Aue derzeit noch abhängt, Anm. der Verfasser).

Zu den Gewässern 2. Ordnung sagte Rosenthal: „…dass wir an den Gewässern 2. Ordnung, und sie sind hier aufgeführt mit der Begrifflichkeit Schwerpunktgewässer, zu allen entsprechend Steckbriefe erarbeitet haben, aus unserer Sicht herausgearbeitet haben, was im Sinne der WRRL bearbeitet werden muss und auch in diesem Kontext wir für uns Umsetzungsschritte definiert haben im Rahmen unserer Leistungsfähigkeit, auch in Beachtung der Frist 2027 dort in die Umsetzung zu kommen.“6

Was die Stadt nun konkret herausgearbeitet hat und was für Umsetzungsschritte geplant sind und was dann „im Rahmen unserer Leistungsfähigkeit“ liegen wird – darüber wird der gemeine Bürger sich bis 2027 überraschen lassen müssen. Ebenso, wie wir alle nun voller Spannung die kommenden sechs Jahre beobachten dürfen, was der Freistaat in Bezug auf den Leipziger Gewässerknoten tun oder nicht tun wird.

Auf jeden Fall sieht es nicht danach aus, als dass man hier voller Elan das Problem des schlechten Zustandes unserer Gewässer anpacken würde – weder seitens der Stadt noch seitens des Freistaates. Man scheint irgendwelche kleinen Maßnahmen zu planen an den kleineren Fließgewässern, um die großen Fließgewässer soll sich der Freistaat kümmern, der für diese ja auch zuständig ist, aber was der tun wird, bleibt ungewiss. Könnte man nicht dennoch versuchen, hier politisch auf den Freistaat einzuwirken? Vielleicht, aber warum verschläft die Stadt ihre Möglichkeiten hier einzuwirken?

Richtig interessant hätte es am Folgetag mit der Abstimmung über den Forstwirtschaftsplan 2021 werden können! Die Erwartung trog: Den Wortbeiträgen diverser Stadträte war zu entnehmen, dass unser Offener Brief und auch die Probleme mit den Trockenschäden im Rahmen der Dürre auf und um Flächen, auf denen in den Vorjahren forstlich eingegriffen wurde, weitestgehend nicht wirklich gelesen wurde und auch keine Rolle spielte.

Wir können dies nachvollziehen! Die Stadträte arbeiten ehrenamtlich7. Wir gehen davon aus, dass die Stadträte in erster Linie einer hauptberuflichen Tätigkeit nachgehen – und sicher in ihrer freien Zeit natürlich nicht die Kapazitäten haben, sich neben den eigentlichen Stadtratssitzungen u.Ä. auch noch in jedes Thema aus den Stadtratssitzungen (und sie haben mit sehr, sehr vielen Themen zu tun) ausführlich hineinzuarbeiten. Gewiss wissen sie, dass jedoch all dies auch ihre selbstgewählte Aufgabe ist!

Dennoch werden wir BürgerInnen sowie insbesondere Stadträtinnen und Stadträte natürlich hier weiterhin Informationen zur Verfügung stellen – für einen besseren Schutz für die Aue! Möge es zu einem späteren Zeitpunkt zum Besten der Aue dienen.

Was in der Stadtratssitzung diskutiert wurde, waren v.a. drei Änderungsanträge:

  1. Ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, welcher zumindest für 2021 forsttechnische Maßnahmen zur Gewinnung von Totholz sowie forstwirtschaftliche Maßnahmen, bei welchen erhebliche Beeinträchtigungen nicht auszuschließen wären, ausschließen wollte. Weiterhin wurde gefordert, dass der Fachausschuss Umwelt/Ordnung regelmäßig über den Stand der Umsetzung des Totholzkonzeptes informiert werden und dass die Stadt zur Fortschreibung des MAP mit dem Land Kontakt aufnehmen sollte. Ebenso sollte die Forsteinrichtung inkl. FFH-Prüfung vorgezogen werden.8
  2. Ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion, dass „künftig eine vorausschauende Öffentlichkeitsarbeit bzgl. der Thematik des Waldumbaus durchgeführt“ werden soll9
  3. Ein Änderungsantrag der Fraktion Freibeuter zu einer kleinen Umformulierung innerhalb des FWP 2021, um Naturschutz- und Klimaaspekte zu priorisieren 10

Aus der ersten Wortmeldung des Stadtrats Michael Neuhaus (Linke) war vor allem Verdruss zu verspüren, dass man sich mit diesem Thema hier auseinander setzen muss. Nun mag ein Ehrenamt als Stadtrat sehr anstrengend sein, aber letztlich hat man sich ja dazu entschlossen, sich für ein solches zur Wahl zu stellen. Das Thema „Auwald“ ist auch ein recht traditionelles Thema im Leipziger Stadtrat. Genauer gesagt schon mindestens seit dem Jahre 1367, in welchem die Stadt die Burgaue erworben hat. Und ja, es gab auch schon vor über 100 Jahren Proteste und Petitionen gegen forstwirtschaftliche Maßnahmen im Leipziger Auwald!

Man sieht: das Thema „Auwald“ hat Tradition im Stadtrat zu Leipzig – und dies wird sicher auch so bleiben. Dennoch: wir haben es bei dem Thema „Auwald“ mit einem sehr vielschichtigen zu tun. Es ist verständlich, dass Menschen dazu tendieren, es zu vereinfachen oder abkürzen zu wollen. Aber kann es zielführend sein, bestimmten Fragestellungen und Problemen auszuweichen? Solche Fragestellungen bedeuten auch nicht, dass man bspw. der Abteilung Stadtforsten ihre Kompetenz abspricht – darum geht es hier überhaupt nicht.

Wir fragen uns zudem, wie man folgende Äußerung verstehen darf: „Sie suggerieren etwas, was nicht da ist, und ich denke, das schürt erhebliche Zweifel an der fachlichen Kompetenz des Stadtforstes und das finde ich politisch höchst fragwürdig.“ Selbst wenn jemand Zweifel an der fachlichen Kompetenz einer Abteilung eines Amtes in einer Kommune hätte, warum und inwiefern wäre dies politisch fragwürdig? Ein Stadtrat, der auch hinschaut, ob Teile der Verwaltung auch gut arbeiten, würde doch eher sogar umsichtig und gewissenhaft agieren?

In der Stadtgeschichte wurde übrigens in den vergangenen Jahrhunderten sogar sehr oft die Kompetenz der Vorgänger der Abteilung Stadtforsten von Stadträten in Zweifel gezogen – ob jeweils zurecht, soll hier nicht weiter vertieft werden, es sei nur erwähnt, dass dies seitens des Stadtrates durchaus in Leipzig schon vorkam und somit nicht ungewöhnlich ist.

Interessant war aber der Hinweis auf die neue Forsteinrichtung: „Die weiteren Punkte im Grünen-Änderungsantrag sind eine neue Forsteinrichtung, und für diese solle dann eine FFH-Prüfung gemacht werden. Das sind gute Punkte, und die unterstützen wir aber auch ich ausdrücklich, ist allerdings auch nicht Teil des FWP.“ … „Und auch die anderen Punkte wie die Zielstellungen und Maßnahmen bei der Waldbewirtschaftung, oder die Beteiligung von Umweltverbänden, aber auch von BürgerInnen, das ist alles total wichtig, aber das gehört nicht hierher, sondern in die Forsteinrichtung“.

Was eine Forsteinrichtung ist und was die FFH-Prüfung bedeutet, werden wir in folgenden Artikeln erklären – wir jedenfalls sind sehr gespannt auf die diesbezüglich kommenden Ereignisse! Auch auf die Interpretation des OVG-Urteils zum Leipziger Auwald werden wir in folgenden Artikeln zurück kommen – an dieser Stelle sei nur gesagt: so einfach, wie Herr Neuhaus es hier darstellt, ist das Thema nicht: auch hier wird es wieder vielschichtig und umfassend! Auch die Frage, ob und wie ein Waldökosystem „gepflegt“ werden müsse, ist nicht so einfach zu beantworten, wie es hier versucht wird – leider ist die Welt nicht so einfach und wir werden auch dies in Zukunft noch weiter hier thematisieren.

Die Wortmeldung vom Stadtrat Herrn Professor Dr. Getu Abraham (SPD) war auch sehr interessant. Thema hier war vor allem die Verkehrssicherungspflicht. Diese besteht aber unabhängig vom FWP 2021 und mit wie ohne Forstwirtschaftsplan wurden auch in den Vorjahren Maßnahmen zur Verkehrssicherungspflicht im Leipziger Auwald durchgeführt. Im FWP 2018 wurden aber sogenannte Sanitärhiebe mit Wegesicherungsmaßnahmen verbunden – dennoch sind beides theoretisch zwei unterschiedliche Dinge (die durchaus aber Schnittmengen haben können!).

Gern werden wir auch dies in einem zukünftigen Artikel für interessierte Menschen näher beleuchten, hier würde es aber den Rahmen des aktuellen Artikels sprengen. Es entspricht übrigens nicht den Tatsachen, wie Dr. Abraham ausführt, dass „Der Forstwirtschaftsplan …“ (bezüglich der Verkehrssicherungspflicht) „hier durchaus bereits in eine gute Richtung“ geht – denn laut FWP21 ist die Verkehrssicherungspflicht keine Maßnahme des FWP21 und wird offenbar nach Ermessen sogar unabhängig von diesem bearbeitet: „Ab sofort erfolgt daher unabhängig vom forstlichen Wirtschaftsplan eine eigene Planung der Verkehrssicherung, soweit hierfür ein geplantes Vorgehen erforderlich oder zweckmäßig erscheint.“11

Dennoch dürfen wir nicht vergessen: es ist nachvollziehbar, dass die ehrenamtlich arbeitenden Stadträte i.d.R. sich nicht in dieses Thema ausführlich einarbeiten können. Daran wird aber leider auch eine „offensivere Öffentlichkeitsarbeit“, wie von der SPD-Fraktion beantragt, nichts ändern – und inwiefern mehr Öffentlichkeitsarbeit welche auch immer gearteten positiven Effekte der Verkehrssicherungspflicht verstärken soll, darüber rätseln wir noch immer.

Stadtrat Jürgen Kasek (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßte im Gegensatz zum Stadtrat Michael Neuhaus die erneute Diskussion um den Forstwirtschaftsplan 2021. Er betonte das Problem der fehlenden Auendynamik, und ja – das Fehlen der Auendynamik ist tatsächlich ein grundsätzliches Problem für das gesamte Leipziger Auensystem! Bezüglich des sogenannten Totholzkonzeptes (eigentlich „Handlungsrichtlinie Totholz und Biotopbaum“) war seine Position recht unklar, einerseits sollte laut Antrag seiner Fraktion zumindest für 2021 ja forsttechnische Maßnahmen zur Gewinnung von Totholz ausgeschlossen werden wegen der aktuellen Lage (hohe Anzahl abgestorbener Bäume infolge der Dürre), warum aber nur für dieses Jahr und was in den Folgejahren diesbezüglich anders sein soll, blieb unverständlich.

Wir möchten in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir noch keine wissenschaftlichen Beweise gefunden haben, welche belegen würden, dass und welchen ökologischen Nutzen künstlich geschaffenes Totholz haben soll. Positiv ist zu bemerken, dass Jürgen Kasek über die aktuelle Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht gut informiert ist. Auch der Einwand, dass eine für 10 Jahre geltende Forsteinrichtung zu unflexibel insbesondere in Zeiten des Klimawandels ist, ist ein interessanter Gedanke, aber das Thema Forsteinrichtung ist damit nicht angemessen bearbeitet und wir werden in Zukunft noch gesondert zurück kommen.

Der Wortmeldung von Thomas Köhler (Piraten/Fraktion Freibeuter) war zu entnehmen, dass er sich umfassend von der Abteilung Stadtforsten im Amt für Stadtgrün und Gewässer hat beraten lassen: „Das kann ich natürlich nicht abschließend beantworten, habe aber mit vielen Akteuren gesprochen und zu diesen auch großes Vertrauen, ja auch zu unserem Forstwirtschaftsbetrieb, der sich dieser Aufgabe stellen muß und es auch tut.“

Dies erklärt auch die unreflektierte Übernahme der Bedenken des forstwirtschaftlichen Personals in Bezug auf die Wiederherstellung einer natürlichen Auendynamik: „Nun gibt es natürlich Puristen auch in dieser Ebene, die sagen, lassen wir wieder Wasser in den Wald, dann wird das eben. Das hilft hier aber nicht weiter, das gleicht dem sprichwörtlichen Helfer, der einem Verhungerten maßlos füttert. Es droht die Gefahr, dass der Wald dann endgültig kippt.“

Für uns ist es absolut nachvollziehbar, dass forstwirtschaftlich arbeitendes Personal keinerlei Interesse daran hat, dass der Auwald wieder wirklich revitalisiert wird. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts forderte bspw. der Stadtrat und Holzherr Balthasar Kammel ja genau deswegen die Trockenlegung des Auwaldes, und das städtische Forstpersonal des 19. Jahrhunderts hatte ebenso eine Trockenlegung des Auwaldes gefordert und den Ausbau der Gewässer ausdrücklich begrüßt!

Warum? Weil es in einem Auwald mit natürlichen Auenbedingungen sehr schwierig ist, Forstwirtschaft zu betreiben (es ist stellen- und zeitweise zu nass!). Rein ökologisch gesehen sind natürliche Auenbedingungen von höchster Priorität für einen Auwald, salopp gesagt, wird ein Auwald erst durch diese natürlichen Auenbedingungen zu einem echten, lebendigen Auwald und erst unter natürlichen Auenbedingungen kann sich auch die Artenvielfalt eines Auwaldes entfalten.

Tatsächlich kann es aber unter echten Auenbedingungen bspw. durch in Senken zurück bleibendes Wasser dazu kommen, dass Bäume absterben, vor allem auch ungeeignete Aufforstungen werden gefährdet, aber dies ist einfach ein ganz normaler natürlicher Vorgang in einem lebendigen Auwald und kann ebenfalls wieder Quelle von Artenvielfalt werden, ist also rein ökologisch sogar als positiv anzusehen!

Dennoch möchte natürlich ein Förster nicht, dass seine aufgeforsteten Bäume absterben. Aber rein ökologisch gesehen ist dies irrelevant, was ein Mensch aus (forst)wirtschaftlichen Gründen möchte und es wäre auch zu hinterfragen, warum dies hier überhaupt Belang hat. Der weiterhin beschriebene Änderungsantrag der Fraktion Freibeuter ist ansonsten nett, aber wird sehr wahrscheinlich keinerlei große Auswirkungen auf den Zustand des Leipziger Auwaldes wie auch der gesamten Aue haben.

Auch Sylvia Deubel (AfD) hat sich laut ihrer Wortmeldung umfassend von der Abteilung Stadtforsten im Amt für Stadtgrün und Gewässer beraten lassen und es dabei belassen. Eine tiefer gehende Beschäftigung mit der Thematik war nicht erkennbar, was aber eventuell wieder an mangelnden Kapazitäten liegen mag.

Unlogisch ist aber folgendes: „Im übrigen sind genügend erkrankte und trockene Bäume vorhanden ohne zusätzlich gesunde Bäume durch das sogenannte Ringeln zum Absterben zu bewegen.“ – ja warum steht diese Option dann im sogenannten Totholzkonzept? Die bereits erkrankten und abgestorbenen Bäume werden sich in den kommenden Jahren auch nicht sofort in Luft auslösen, zudem wird es auch in Zukunft (siehe Klimaprognosen!) wahrscheinlich noch mehr absterbende und erkrankte Bäume geben.

Die Wortmeldung von Andreas Geisler (SPD) offenbarte ein uns schon bekanntes Problem. Wenn Bürger oder auch Vereine oder sogar Fachleute Kritik äußern am Vorgehen der Stadt bezüglich des Auwaldes, wird diese Kritik nicht wirklich zur Kenntnis genommen – stattdessen geht man davon aus, dass man seine Maßnahmen nur noch besser erklären müsse.

Auf die Idee, zu betrachten, was genau kritisiert wird, sich damit auseinander zu setzen, scheint man seitens der SPD nicht zu kommen, was bedauerlich ist. Einfach mehr Öffentlichkeitsarbeit zu fordern mag aus Sicht der SPD eine bequeme Lösung sein – oder zumindest nach einer solchen aussehen – aber weder Probleme noch Konflikte werden so gelöst.

Ãœberdies ist die Bespaßung von Social-Media-Kanälen keine echte Kommunikation, soll eher die BürgerInnen instruieren, so Geisler: „…das Öffentlichkeitsprogramm zielt auf das Dezernat, zielt auf die Medienwirksamkeit der Social-Media-Kanäle der Stadt, wir müssen das einfach viel breiter erklären, viel besser ankündigen und aus dem Dezernat heraus auch das Material dazu liefern, dass die Medienabteilung das den Menschen nahe bringen kann.“

Eine echte Kommunikation verliefe in beide Richtungen, hier aber wird nur Information weitestgehend in eine Richtung gesendet. Die Duden-Reaktion schreibt zum Begriff Kommunikation: „Verständigung untereinander; zwischenmenschlicher Verkehr besonders mithilfe von Sprache, Zeichen“12.

Mit Twitter kann man sich jedoch nur sehr begrenzt (280 Zeichen) untereinander verständigen, eine richtige Auseinandersetzung zu einem komplexen Thema wird hier nicht möglich sein. Dabei heißt es doch „Kommunikation ist keine Einbahnstraße“ – hier schon? Zusammengefasst lässt sich konstatieren: Problemlösungen sind anscheinend von der SPD also nicht zu erwarten.

Besonders interessant war die Stellungnahme von Heiko Rosenthal, Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport. Hier begrüßen wir es, dass man seitens der Verwaltung realisiert hat, dass der Leipziger Auwald auch aus Flächen westlich der Burgaue besteht, welche aber nicht von der Abteilung Stadtforsten im Amt für Stadtgrün und Gewässer, sondern vom Staatsbetrieb Sachsenforst bewirtschaftet werden. Gerade letztere haben in den vergangenen Jahren besonders intensiv und destruktiv in den Auwald eingegriffen.

Die Stadt Leipzig scheint aber hier bezüglich der Flächeneigentümer (und Sachsenforst?) Probleme zu haben, sich durchzusetzen – übrigens auch betreffs der Auenentwicklungskonzeption: „Ich finde das gut, daß wir darüber so intensiv diskutieren, aber ich will davor warnen, zu glauben, daß man nur mit dieser Debatte tatsächlich die Gesamtproblematik gelöst hat und will auch schon heute darauf hinweisen, daß wir insbesondere in der Umsetzung der Auenentwicklungskonzeption dort als Stadt Leipzig auch an unsere Grenzen stoßen, wenn andere Flächeneigentümer nicht mitziehen, ich sag das ganz deutlich, nicht mitziehen.“

Es wird spannend sein, wie solche Probleme in Zukunft gelöst werden – denn gelöst werden müssen sie für das Allgemeinwohl aller! Fragen wirft folgende Aussage Rosenthals auf: „Bezüglich der Feststellung, daß wir keine forsttechnischen Maßnahmen zur Gewinnung von Totholz einsetzen, will ich ganz klar sagen, dass wir das nicht tun werden und auch nicht vorhaben. Ich darf insbesondere auf die Begrifflichkeiten Rußrindenkrankheit und Eschentriebsterben abstellen, sodass es aus unserer Sicht schon allein aufgrund des Zustandes überhaupt nicht erforderlich ist, forsttechnische Maßnahmen einzuleiten und insofern wäre aus meiner Sicht das nicht nur eine Zusage, sondern ist aus meiner Sicht auch aus dem Plan so deutlich ableitbar, dass es das nicht gibt.“

Erneut fragen wir uns: warum nur steht dies dann im sogenannten Totholz-Konzept drin? Beruhigend könnte man folgende Aussage auffassen: „Hinsichtlich der FFH-Verträglichkeitsprüfung bei erheblichen Beeinträchtigungen will ich deutlich sagen, auch da wird es unsererseits, oder das ist eine klare Botschaft, wir arbeiten nicht im Sinne erheblicher Beeinträchtigungen, das ist nicht unser Ziel, unseren Stadtforst erheblich zu beeinträchtigen, es wird aus unserer Sicht auch ein klarer Verstoß gegen das Sächsische Waldgesetz vorliegen, würden wir dies tun, wir sind FSC- und PFC-zertifiziert und insofern würde das auch einen Verstoß gegen diese uns selbst auferlegten Regularien bedeuten, insofern will ich noch mal deutlich zurückgeben, dass erhebliche Beeinträchtigungen wir nicht vor haben, und insofern wäre das quasi auch an dieser Stelle die Zusage, insofern müssten wir auch hier keine FFH-Verträglichkeitsprüfung für was auch immer einleiten.“

– Aber: wie definiert die Stadt eigentlich „erhebliche Beeinträchtigungen“? Überhaupt ist es unseres Wissens nach nicht so eindeutig und pauschal festlegbar, was eine erhebliche Beeinträchtigung in einem FFH-Gebiet ist oder nicht – das ist ja schon ein sehr komplexes Thema, auf welches wir mit Sicherheit in Zukunft erneut eingehen werden.

Mit Interesse nahmen wir auch Folgendes zur Kenntnis: „Bezüglich des Managementplans arbeiten wir natürlich im Sinne des FFH-Managementplans aufgestellt vom LfULG und wir sind dort auch im engen Austausch mit dem Land, mit dem zuständigen Landesamt, die Managementplanung fortzuschreiben, insofern sehen wir da auch keinen Dissens.“ Da wir schon länger der Auffassung sind, das der MAP nach fast 10 Jahren aktualisiert werden sollte, sind wir diesbezüglich natürlich nun besonders gespannt, was aus diesem Austausch mit dem Land werden wird.

Ãœbrigens soll auch in Bezug auf den SBS Sachsenforst jetzt schon mit der Forsteinrichtung begonnen werden und auch hier sehen wir mit Spannung den kommenden Ereignissen entgegen.

Wir stimmen übrigens mit Herrn Rosenthal überein, dass die bereits bestehende Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Leipzig in Bezug auf den Leipziger Auwald gut und ausreichend ist und diese auch nicht eines der Themen ist, welche dringend bearbeitet werden sollten bzw. ausgeweitet werden müssten. Wir sind ebenfalls der Meinung, dass Herr Sickert als Abteilungsleiter der Abteilung Stadtforsten im Amt für Stadtgrün und Gewässer im Rahmen seiner Möglichkeiten hier diesbezüglich schon seit Jahren ein außergewöhnliches Engagement zeigt, auch wenn wir in sehr vielen Punkten rein fachlich schlicht andere Auffassungen haben (welche auch wissenschaftlich begründbar sind).

Die Probleme, welche es zu bewältigen gäbe, wären ja eher in der Diskussionskultur und dem konstruktiven Umgang mit Kritik seitens der Verwaltung zu suchen, nicht in der reinen Information (= Öffentlichkeitsarbeit) der Bürger. Wir wissen aber auch, dass sich die Probleme tlw. aus übergeordneten Strukturen (veraltete forstwirtschaftliche Denkmodelle, Schwachstellen in der EU-Gesetzgebung, unterschiedliche Strömungen innerhalb des Naturschutzes etc.) ergeben – was durchaus überfordern kann, aber nichts daran ändert, dass die Probleme bestehen.

Nach dem Beitrag von Herrn Rosenthal wurde festgelegt, dass der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Protokollnotiz an den FWP2021 angehangen wird – was aber eigentlich keine Auswirkungen für den Auwald haben dürfte, da 2021 sowieso nur Maßnahmen zur Jungbestandspflege geplant sind. Da wir das derzeitige System der Forstwirtschaft grundsätzlich kritisieren, sehen wir natürlich auch die geplanten Maßnahmen zur Jungbestandspflege kritisch, gehen aber davon aus, dass es hier in der Tat nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen kommen wird.

Selbstverständlich werden wir dies wie alle anderen Vorgänge um den Auwald aber weiterhin kritisch beobachten. Offenbar plante man seitens der Stadt auch sowieso keine künstliche Schaffung von Totholz, was ja aufgrund der derzeitigen Situation noch sinnloser wäre, als es eine künstliche Schaffung von Totholz es an sich schon ist. Prinzipiell sind wir also nicht sicher, was der Änderungsantrag überhaupt für einen Sinn hatte. Allerdings erschließen sich uns auch die tieferen Sinne der Änderungsanträge der SPD und der Fraktion Freibeuter ebenfalls nicht (wie oben beschrieben), dennoch wurden sie ebenso wie der FWP 21 vom Stadtrat beschlossen.

Und was wird nun passieren im Leipziger Auwald? Nicht viel – und das ist gut, weil dann vorerst auch nichts Schlechtes passiert, was aber auch schlecht ist, weil vorerst auch nichts Gutes passiert!

Grundlegende Probleme und Themen wurden nicht erkannt, nicht benannt, oder wenn, wurden sie vorerst verschoben. Angedeutet wurde, dass hier und da an diesem und jenem gearbeitet wird, Konkretes war nicht zu erfahren. Es ist nur zu hoffen, dass die Stadt Leipzig bezüglich der Auenrevitalisierung in Zukunft mehr in die Puschen kommt, es wäre auch zu hoffen, dass man seitens der Stadt wie auch der Politik Kritik zukünftig nicht mehr nur als Störung betrachtet, die man mit etwas Social-Media weg-twittern kann. Öffentlichkeitsarbeit zur reinen Instruktion der Bürger als auch das rigide Vereinfachen komplexer Themen lösen keine Probleme – ebenso wenig wie vielleicht gut gemeinte, aber die Grundprobleme nicht treffende Änderungsanträge, welche lediglich Symbolcharakter, aber keine reale Wirkungen haben.

Dennoch bleibt es spannend betreffs des Leipziger Auwaldes, und wir werden sie, werte Leserinnen und Leser dieser Seiten, auch weiterhin über die kommenden Geschehnisse auf dem Laufenden halten!

11 https://ratsinfo.leipzig.de/bi/___tmp/tmp/45081036845533923/845533923/01770182/82-Anlagen/01/FWP2021.pdf

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