Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat sieht die Pläne, den Flughafen Leipzig/Halle stärker für den Online-Handel mit China zu öffnen – darunter Aktivitäten von Plattformen wie Temu und Shein sowie die Ansiedlung des Start-ups eClear in Kooperation mit chinesischen Logistikpartnern – kritisch. Nach Kenntnisstand der Fraktion stehen zusätzliche Frachtverbindungen und neue Abfertigungskapazitäten im Raum.
Sylvia Herbst-Weckel, flughafenpolitische Sprecherin: „Mehr Nachtflüge bedeuten mehr Lärm für die Bürger*innen des Leipziger Nordens und Westens und mehr Emissionen – und eine Flut von qualitativ minderwertigen Waren, die häufig unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen entstehen und schnell im Müll landen. Leipzig darf kein Umschlagplatz für klimaschädliche Billigimporte werden. Wenn Fracht wächst, dann nur mit klaren Regeln: Steuerehrlichkeit, Produktsicherheit, Menschenrechte, Klima- und Lärmschutz sowie Transparenz.“
Interne Auskünfte und öffentliche Berichte deuten darauf hin, dass die Zahl der China-Frachtflüge voraussichtlich spürbar steigen wird. Zugleich rechnen Marktbeobachter*innen mit einem hohen Grad an Automatisierung in der Abfertigung und einem hohen Preisdruck in der Logistik – mit der Folge, dass qualitativ gute, tarifgebundene Arbeitsplätze nicht in nennenswertem Umfang entstehen.
Dr. Gesine Märtens, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und wirtschaftspolitische Sprecherin: „Was als Erfolgsmeldung verkauft wird, ist ein Schritt in die falsche Richtung. Das Geschäftsmodell setzt auf klimaschädliche Langstrecken-Fracht, Fast-Fashion und kurzlebige Billigprodukte. Statt die Transformation zu einer nachhaltigen, regional wertschöpfenden Wirtschaft voranzutreiben, werden Ertragsinteressen eines defizitären Flughafens über Klimaschutz und faire Handelspraktiken gestellt.“
Die Bedenken der Fraktion werden durch aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene zusätzlich gestärkt: Sechs EU-Mitgliedstaaten – darunter Deutschland, Frankreich und Italien – haben jüngst in einem gemeinsamen Schreiben an die EU-Kommission entschiedenere Maßnahmen gegen Plattformen wie Shein und Temu gefordert. Die Regierungen kritisieren die mangelnde Einhaltung des Digital Services Act (DSA), insbesondere bei Produktsicherheit, Verbraucherschutz und Transparenz.
Zudem wird auf Verdachtsfälle illegaler Geschäftspraktiken und mögliche Wettbewerbsverzerrungen hingewiesen. Diese europaweite Initiative unterstreicht die Dringlichkeit eines verantwortungsvolleren Umgangs mit Fast-Fashion-Plattformen und ihren Vertriebswegen.
Die Fraktion verweist zudem auf erhebliche Regulierungsrisiken auf EU-Ebene: Die Kommission verfolgt Verfahren gegen große Online-Plattformen (DSA/Produktsicherheit) und verhandelt eine Zoll- und E-Commerce-Reform (u. a. Abschaffung der 150-€-Freigrenze, mögliches Gebührenmodell für Kleinsendungen). Ab 2027 greift die EU-Verordnung gegen Zwangsarbeit, und bereits ab 2025 gelten SAF-Mindestquoten im Luftverkehr.
Diese Änderungen können Geschäftsmodelle mit massenhaft Kleinsendungen grundlegend verteuern oder begrenzen – mit unmittelbaren Folgen für Frachtvolumina am Standort.
Dr. Gesine Märtens und Sylvia Herbst-Weckel abschließend: „Leipzig braucht eine Wirtschaftsförderung, die Qualität statt Quantität belohnt: faire Wertschöpfung, gute Arbeit, saubere Logistik. Freistaat und die Mitteldeutsche Flughafen AG (MFAG) müssen die Leitplanken verankern und regelmäßig berichten – nur dann hat der Standort eine zukunftsfeste Perspektive.“





Keine Kommentare bisher