Ohne Geld geht nichts. Wo das Geld ausgeht, bleiben Dinge unvollendet. Wie auf der Grünfläche an der Thomasgasse, die am Mittwoch, 6. Juni, nun wieder für die Öffentlichkeit freigegeben wurde. 270.000 Euro waren genehmigt, 273.500 Euro sind verbaut. Es fehlen noch: sechs Bänke und vier Lampen. Dafür hat's nicht mehr gereicht.

Die Grünfläche war nach 13 Jahren der heftigen Dauernutzung völlig heruntergewirtschaftet – die Wiese war desolat, die Wege ausgewaschen, die Begrünung der Baumscheiben zerlatscht. Auch die Entwässerung im Untergrund war kaputt und die Beregnungsanlage der Wiese selbst war von nächtlichen Vandalen immer wieder zerstört worden. Möglicherweise, weil sie in warmen Sommernächten früh um halb Fünf von den Beregnungsapparaten aus dem Schlaf gespritzt wurden.

Die Freifläche im Herzen der Stadt sorgte auch in den Wintermonaten für Gesprächsstoff, weil das Freiluft-Chillen einiger Leipziger und der öffentliche Konsum von Alkohol einige Anwohner, Gewerbetreibende und eine moralisch ehrwürdige Partei erzürnten, die für ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen in Leipzig kämpfen.

Zwar übernahm Ordnungsamtsleiter Helmut Loris am Mittwoch die Freigabe-Zeremonie für die neu gestaltete Grünfläche. Aber er wird künftig keine einzige Politesse mehr zur Verfügung haben, die in der Lage wäre, an der Thomaswiese, wie die Grüninsel von manchen Leipzigern gern genannt wird, ein wie auch immer geartetes Alkoholverbot durchzusetzen. Und über die Personalbesetzung bei der Leipziger Polizei braucht man im Jahr 2012 wohl nicht mehr zu reden. Da kann auch der Polizeipräsident sich drehen und wenden wie er will: Er kommt den manifesten sozialen Problemen der Stadt mit einer zunehmenden Unterbesetzung seiner Polizeistationen immer weniger bei.Die 273.500 Euro waren auch deshalb notwendig, um die Grünfläche mit dauerhaft haltbaren Elementen auszustatten. Denn gerade weil die Wiese so zentral liegt und in der Innenstadt die einzige grüne Insel ist, ist sie auch bei allen Besuchern der Innenstadt so beliebt. Bei jungen wie alten. Der Nutzungsdruck wird also nicht weniger, sondern eher mehr.

“Auf vielfachen Wunsch der Besucher wurde das Sitzangebot um 32 Meter zusätzliche Bänke unter den Bäumen erweitert. Schritt für Schritt folgen Ergänzungen bis zu einer Gesamtlänge von zirka 120 Metern”, hatte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal schon vorab für die Presse formuliert. Er selbst war zur Wiedereröffnung verhindert. “Außerdem erhielten die Baumscheiben eine neue Bepflanzung mit standortgerechten und robusten Gehölzen. Eine neue Bewässerungsanlage senkt die Folgekosten im Vergleich zur manuellen Bewässerung. Zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung auf der Fläche wurde die Beleuchtungsanlage überplant. Ergänzend zu den vorhandenen Bodenstrahlern sind Standorte für vier zusätzliche Mastleuchten ausgewiesen, die noch in diesem Jahr ergänzt werden sollen.”Aber auch für die vier Lampen fehlt noch das Geld. Dafür wurden die Baumscheiben deutlich verkleinert und statt der oft nassen Sandwege zwischen japanischen Kirschbäumen wurden jetzt breite Pflasterwege angelegt. Das Granitpflaster selbst stammt aus dem Materiallager des Amts für Stadtgrün und Gewässer, ist also sinnvolle Zweitverwertung eines robusten Materials. Die Wege wurden auch deshalb breiter, um Winternutzungen – zum Beispiel während des Weihnachtsmarktes – weitestgehend von der Wiese zu holen.

Und weil man weder die schönen Bäume fällen wollte noch die wesentlichen Elemente der Gestaltung von 1998 plattmachen wollte, waren die ab Januar begonnenen Arbeiten (die im Februar komplett unterbrochen werden mussten) entsprechend aufwändig. Heiko Rosenthal: “Das Bauen im Bestand gestaltete sich weitaus aufwendiger als eine Neuanlage, was jedoch an dieser prominenten Stelle gerechtfertigt ist. Es ist schließlich die einzige öffentliche Grünanlage im Herzen des Zentrums.”Und die Bauleute merkten auch während der Bauzeit, wie knapp der Platz in so zentraler Lage bemessen ist. Immerhin mussten sie die Wege auskehren und auch zwischen den Baumwurzeln den Kies herausholen, ohne die Bäume zu schädigen. Für die neuen Bänke konnten sie tiefe Verankerungen einbringen, vermieden so aber auch, das Wurzelwerk zu zerstören. Denn bis auf die Bankreihe an der Nordseite des Platzes entstehen alle neuen Sitze als geschlossenes Quadrat um die Kirschbäume und ihre Strauchbepflanzung herum. Zwei solche Sitzelemente sind schon fertig – direkt an der Petersstraße gelegen, wo sie schon am Mittwochmorgen die Spaziergänger zum Verschnaufen einluden.

Das Holz der Sitze ist zertifiziertes Hartholz aus den Tropen, sollte also recht witterungsbeständig sein. Das Grundgerüst ist Stahl, so stabil konstruiert, dass es die Vollbesetzung der Bänke aushalten sollte. Aber um sechs Bäume sieht man bislang nur das grau lackierte Stahlgerüst. Für die dazu gehörenden Bänke fehlte am Ende das Geld. Rund 50.000 Euro.

Ob die Stadt diese Summe in diesem Jahr noch zur Verfügung hat, darf wohl bezweifelt werden. Aber das wäre ein Projekt, bei dem auch die Leipziger selbst aktiv werden und spenden könnten, wie man das mit Bäumen und Bänken in anderen Leipziger Parks auch kann. Hier könnten durchaus auch die Gewerbetreibenden im Umfeld aktiv werden. Denn wenn nur über alkoholtrinkende Menschen auf der Wiese geschimpft wird, vergisst man schnell, dass diese kleine Ruheoase im Herzen der Stadt auch die Aufenthaltsqualität für all jene erhöht, die hier zum Einkaufen sind.

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Die Kirschbäume wurden ein wenig zurückgestutzt, damit die Wiese künftig mehr Sonne bekommt. Die Bänke auf der Nordseite bekamen noch Lehnen verpasst, die vorher nicht geplant waren.- Aber mancher ältere Spaziergänger wird froh drüber sein.

Und vielleicht finden ja die moralischen Kombattanten einmal einen anderen Weg, die Themen, die sie bewegen, an diesem Platz umzusetzen – statt mit amtlichen Verboten (die selten mehr bringen als neuen Frust) vielleicht sogar mit Patenschaften und freundlichen Aktionen, die alle Nutzer dieses kleinen Stücks Grün daran erinnern, dass man so etwas Teures auch schonen kann und darf.

Die Bewässerungsautomatik ist übrigens jetzt deaktiviert. Dafür wird künftig in den Morgenstunden ein Mitarbeiter des Grünflächenamtes kommen und die möglichen Übriggebliebenen langer Nächte vorwarnen, bevor er die Sprühanlage einschaltet.

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