Der Vorschlag, den die Verwaltung nach der Sommerpause zur "Petition zur Einbeziehung des Straßenzuges Berggartenstraße, Möckernsche Straße, Kirschbergstraße in vorhandene Tempo 30-Zonen" aus dem Januar vorlegte, war mehr als kläglich. Im Grunde war er nichts als ein vager Prüfungsvorschlag und ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Stadt kein Geld hat. Dass die Stadt für solche Dinge kein Geld hat.

Solche Dinge: Das ist die Lebensqualität der Leipziger. Könnte man jetzt alles durchdefinieren. Aber im Einzelfall zeigt sich immer, welche Wertigkeit die Lebensqualität der jeweils Betroffenen tatsächlich hat.

Weil der Verwaltungsvorschlag derart müde ist und nicht einmal die Spielräume absteckt, die die Stadt tatsächlich hätte – wenn sie denn wöllte – hat die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen ihren Änderungsantrag zur Petition aus dem April noch einmal auf den Tisch gepackt.

Denn Lösungen findet man nicht immer, wenn man immer nur den selben Weg immer wieder abläuft. In diesem Fall: Was ist amtlich vorgesehen, wenn die Stadt hier etwas ändern wöllte? Welche Verfahren sind zu durchlaufen? Welche Instanzen sind um Zustimmung zu bitten? Wie aufwändig ist das?

So tickt Verwaltung. Deswegen sind ihre Lösungsangebote – wenn überhaupt – stets beschränkt.

Wirkliche Änderungen fallen auf einer höheren Ebene. Darauf verweisen die Grünen mit ihrem Antrag. Denn der Stadtrat kann die ganze Straße umsortieren in eine andere Kategorie, wo andere Regeln gelten. Wenn man die Straße in der gegenwärtigen Klassifizierung nicht zur Tempo-30-Zone machen kann und die Stadtverwaltung darauf beharrt, dass der Straßenzug Berggartenstraße, Möckernsche Straße, Kirschbergstraße eine Hauptstraßenfunktion erfüllen soll, dann muss man den Straßenzug herabstufen.

Denn wirklich begründet wird das ja nicht. Viel Durchgangsverkehr mit hohem Tempo bedeutet ja nicht, dass eine Straße automatisch eine Hauptstraßenfunktion erfüllen muss.

Im Fall der langen, schmalen Straßenverbindung im Leipziger Nordwesten war es in den letzten Jahren immer so: Hier kürzte jeder ab, der die dichten Ampelschaltungen auf der Georg-Schumann-Straße umgehen wollte. Und weil keine Ampeln den Verkehr bremsten, wurde durchgebrettert bis zur Menckestraße, von wo man am schnellsten auf die Waldstraße kommt.Versäumnis Nr. 1: Auch bei den Planungen zum neuen Kaufland-Einkaufscenter in der Schumann-Straße wurde ein neues, sinnvolles und nachhaltiges Verkehrskonzept nicht entwickelt. Es war genau derselbe Vorgang wie beim Kaufland-Einkaufscenter am Lindenauer Markt. Kleiner Unterschied: Das Verkehrschaos südlich des so genannten “Gohlis-Centers” war absehbar. Das begriff man sogar bei Kaufland und war bereit, die Kosten für eine neue Lichtsignalanlage an der Kreuzung Möckernsche / Menckestraße und an der Möckernschen / Breitenfelder Straße beizusteuern – 380.000 Euro. Die Ampel steht und sorgt dafür, dass zumindest an dieser Nahtstelle der Verkehr in Bewegung bleibt. Das Center ist ja auf Autokunden ausgerichtet.

Übrigens auch aus Autokunden aus Gohlis-Süd.

Aber mit der Kreuzung hat man natürlich nur ein Teil im Problemkomplex gelöst. Das Versäumnis 2 ergibt sich zwangsläufig daraus: Wie geht man mit den angeschlossenen Straßen um? Denn der mehr induzierte Verkehr für das Einkaufscenter fließt hier ja auch durch.

Der Änderungsvorschlag der Grünen fordert nun so etwas wie Konsequenz: “Der Verlauf der Berggartenstraße, Möckernsche Straße, Kirschbergstraße wird von der gegenwärtigen Hauptstraßenfunktion herabgestuft und nachfolgend eine streckenbezogene Tempo 30-Regelung eingerichtet. Alle Kreuzungen sind mit der Vorfahrtsregelung ‘rechts-vor-links’ zu versehen.”

Die Begründung: “Die Berggartenstraße, Möckernsche Straße und Kirschbergstraße ist ein durch Verkehr sehr stark belasteter Straßenzug, mit allen negativen Auswirkungen in die umgebenden Wohngebiete. … Insbesondere die schlechte Einsehbarkeit, die Enge der Straße und fehlende Querungsmöglichkeiten stellen auf der Straße ein beträchtliches Sicherheitsrisiko insbesondere für ältere Menschen und Kinder dar.

Veränderungen und Ziele zur Steigerung der Wohn- und Aufenthaltsqualität würden insgesamt wesentlich erreicht werden können mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h.

Dabei ist zu bedenken, dass die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung nicht automatisch zu deren Einhaltung durch den Kfz-Verkehr führt. Daher muss die Anordnung von Tempo 30 in Maßnahmen eingebettet sein, die das Verhalten beeinflussen. Dazu gehört vor allem die Vorfahrtsregelung ‘rechts-vor-links’, aber auch der (in der bisherigen Planung bereits berücksichtigte) Fahrradverkehr auf der Straße.”

Und die Fraktion erinnert daran, dass die Leipziger Planer sich dabei auf europäische Vorgaben stützen können: “In der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. September 2011 zur europäischen Straßenverkehrssicherheit 2011-2020 (2010/2235(INI)) hat dieses eine Empfehlung zur Geschwindigkeit des Verkehrs in Städten formuliert, dass Tempo 30 die Regelgeschwindigkeit sein sollte. Nur auf einem besonderen Netz sollten Geschwindigkeiten von mehr als 30 km/h ausgewiesen werden. Diesem Gedanken folgt dieser Antrag.”

So empfiehlt das Europäische Parlament den zuständigen Behörden “nachdrücklich, in Wohngebieten und auf allen einspurigen Straßen in Stadtgebieten, die keine getrennte Fahrbahn für Radfahrer haben, zum besseren Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer generell eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h vorzuschreiben …”

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