Nachdem die Gerüchte über die Umnutzung des Felsenkellers hohe Wellen geschlagen haben, hat sich nun die Dr. Seidemann & Graw Projektentwicklungs GmbH in der Person Dr.-Ing. Ingo Seidemann zu Wort gemeldet. Der Geschäftsführer, der bereits an der Sanierung der Pferderennbahntribüne federführend mitgewirkt hat, äußerte sich im Auftrag des Bauherrn und Eigentümer des Felsenkellers. Dieser identifiziere sich sehr stark mit Plagwitz, lebt auch privat im Viertel und möchte an dieser Stelle jedoch nicht genannt werden.

Das Objekt Felsenkeller wurde 1996 im Auftrag der Treuhand von Dr. Seidemann an den jetzigen Eigentümer verkauft. Der Eigentümer habe ohne die Zuhilfenahme von Fördergeldern in den Jahren nach Erwerb schrittweise die erheblich baufällige Gründerzeitimmobilien mit ausschließlich eigenen Mitteln und Kräften erhalten.

“Im Ergebnis des erheblichen dabei realisierte Aufwandes der ein Wertvolumen von ca. einer halben Million Euro verkörpert, wurde das Objekt mit “Bordmitteln” bestandsaniert und für Ausstellungs- und Veranstaltungsnutzungen ausgebaut. Um den mit den Jahren gewachsen Forderungen des Brand- und Gefahrenschutzes für Veranstaltungsobjekte noch entsprechen zu können, musste ein Bauantragsverfahren durchgeführt werden, dessen Ergebnis allerdings nur mit sehr hohem Investitionsaufwand umsetzbar gewesen wäre”, erklärt Seidemann.

Der hierfür nötige siebenstellige Betrag konnte vom Eigentümer mit dem wirtschaftlichen Hintergrund einer Kultur- und Veranstaltungsnutzung nicht aufgebracht werden.

Seit 2010 können keine Veranstaltungen mehr im Felsenkeller durchgeführt werden und das Objekt steht ungenutzt an der Kreuzung herum. “Um eine wirtschaftlich realisierbare Chance zu schaffen, den Felsenkeller einer tragfähigen Nutzung zuzuführen, wurde seitens der Projektentwicklungs GmbH nach einer alternativen, wirtschaftlich realistischen Nutzung gesucht, die auch den Möglichkeiten und Gegebenheiten des einzigartigen Standortes Rechnung tragen sollen”, so Seidemann.
Es entspricht den berichteten Tatsachen, dass derzeit untersucht wird, die Immobilie am Eingang des Karl-Heine-Boulevards einer Nutzung durch Einzelhandel und Gastronomie zugänglich zu machen. Betont wird seitens des Projektentwicklers, dass es sich dabei gerade nicht um einen Supermarkt handeln wird. Neben Waren des täglichen Bedarfs sei ein sich über zwei Etagen erstreckende Gastronomiekonzept in Planung. Die Nutzung soll der Lage und den architektonischen Besonderheiten des Objekts gerecht werden und der jetzigen Entwicklungsstufe und Herausforderungen des Stadtteils entsprechen. Zu diesem Zweck wurde bereits am 14. Juli 2012 ein Antrag auf Eröffnung eines Aufstellungsverfahren eines Bebauungsplans bei der Stadt eingereicht.

Danach kann Planungsrecht für eine spätere Baugenehmigung erst erteilt werden, wenn eine verfahrensübliche Beteiligung der Öffentlichkeit vollzogen wurde. “Dieser Antrag müsste möglicherweise aufgrund der Zentrenlage C (Der Stadtentwicklungsplan Zentren stellt die strategische Grundlage für die Steuerung von Einzelhandelsvorhaben dar Anm. d. R.) des Felsenkellers gar nicht gestellt werden, wenn großflächiger Einzelhandel nicht erreicht würde”, so Seidemann. Mit diesem Schritt wollen Planer und Eigentümer jedoch erreichen, “den optimalen Nutzungsumfang für das Objekt auch im proaktive Dialog mit der Öffentlichkeit herauszuarbeiten.”

Die Frage, warum dies fast ein Jahr später geschieht und erst auf Anfrage seitens der 3VIERTEL-Redaktion kommuniziert wird, bleibt jedoch. Dennoch sollen die jetzigen Ideen eine Vorstufe zum Planungsrecht darstellen. Es handele sich um den äußerer Rahmen, der die erste Diskussionsgrundlage biete. Zusätzlich zu den gewerblichen Nutzungsplänen würde auch darüber nachgedacht, “das Nutzungskonzept innerhalb des der vorgestellten Planung zugrunde liegenden Bauvolumens um eine kulturelle Komponente zu erweitern” – beispielsweise mit der Schaffung von Proberäumen oder eines Kinos. Am Ende sei es aber wichtig, so Seidemann, dass das Konzept wirtschaftlich auf festem Grund steht. “Der Wille ist das eine, die Möglichkeiten das andere.”
“Es gab”, so Seidemann zum Stand der Planungen, “eine positive Resonanz von einer Vielzahl einschlägiger Einzelhandelsunternehmen, die sämtlich hinsichtlich etwaiger konzeptioneller Eignung für den Standort untersucht worden sind bzw. derzeit noch untersucht werden.” Es wurden sogar Gespräche mit dem Inhaber der Biomare-Läden Malte Reupert geführt. Reupert dazu: “Wir halten den Felsenkeller als mögliches Gebäude für nicht geeignet. Wir sehen für uns keine Möglichkeit, dort einen (Bio-)Supermarkt so hinein zu bauen, dass er der kulturellen Tradition und der Architektur des Gebäudes gerecht wird und gleichzeitig die notwendige wirtschaftliche Tragfähigkeit entwickeln kann.” Weiter führt er aus: “Wenn man den Felsenkeller als Kulturstätte erhalten will, sollte auch die stadtplanerische Grundlage dafür eingefordert werden: Zur Verhinderung von nicht gewolltem “Wildwuchs” bei Disconterflächen beschließt der Stadtrat ja auch öfter mal Nutzungsausschlüsse für Einzelhandel.”

Auf diese Konfrontation werden sich Seidemann und der Eigentümer einstellen müssen. Einfach wird es für sie nicht werden. Klare Konzepte müssten seitens der Aktiven vorgelegt werden, die dazu noch ökonomisch tragfähig sein müssen, um das vermeintliche Renditeobjekt zu stoppen. Seidemann wird auch am Samstag, 22 Juni bei der Protestkundgebung anwesend sein, um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Er kritisiert indes die Art und Weise der Angriffe gegenüber dem Projekt, dass, ohne das die Kritiker es bisher gesehen haben, in der Art eines “Feindbildes” stilisiert werde. Ihn und den Eigentümer interessieren die Fragen, welche Ängste die Aktiven mit dem Projekt verbinden und welche Motive sie treiben. “Ich sehe das Projekt und die zugrundeliegenden Konzeptansätze der bunten Vielfalt an Nutzungen gerade nicht als Bedrohung, sondern als effektive Bereicherung für Plagwitz und den Karl-Heine-Boulevard.””Die Leipziger Linke begrüßt und unterstützt die morgige Protest-Demo gegen die möglicherweise beabsichtigte Errichtung eines Supermarktes in der traditionsreichen Kultur- und Veranstaltungsstätte Felsenkeller.” heißt es in einer Pressemitteilung seitens der Partei vom heutigen Tage und man verweist auf die historischen Ereignisse, welche das Haus prägten.

So sei der Felsenkeller “einer der wirkungsmächtigsten Orte der Leipziger Arbeiterbewegung. Zu den wichtigsten Ereignissen, die hier stattgefunden haben, zählt zweifellos der Auftritt von Rosa Luxemburg am 27. Mai 1913. Fast auf den Tag genau vor 100 Jahren hielt sie im völlig überfüllten Felsenkeller vor tausenden Leipziger Arbeiterinnen und Arbeitern ihre berühmte Rede zur weltpolitischen Lage.”

Die Demonstration möchte man außerdem nutzen, um eine Broschüre zu präsentieren, welch an dieses Ereignis erinnert.

Das die Nutzung als “Supermarkt” bereits seit heute in Frage steht und noch nach Nutzungsideen gesucht wird, könnte dazu führen, dass die letzten Sätze der heutigen Mitteilung jedoch wichtiger als der Rest werden könnten. “Uns ist bewusst, dass die Suche nach einer tragfähigen Perspektive des Felsenkellers keine einfache Sache ist und ein faires Zusammenwirken aller Beteiligter – vom Eigentümer über die Stadtverwaltung bis hin zur Bürgerschaft im Leipziger Westen – erforderlich macht. Darüber hinaus müssen der Denkmalschutz und weitere städtebauliche Belange beachtet werden.”

Den Anfang könnte das morgen mögliche Gespräch mit Objektplaner Dr.-Ing. Ingo Seidemann darstellen, welcher sein Kommen angekündigt hat.

Die Broschüre Die Linke als PDF zum download.

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