Ganz so überraschend, wie es jetzt aussieht, kommt der geplante Verkauf des 100 Jahre alten Leipziger Stadtbades nicht. Normalerweise muss über solche Verkäufe der Stadtrat beschließen. Das hat er in diesem Fall auch. Doch der Beschluss ist auch schon wieder eine kleine Ewigkeit her. Schon in der Ratsversammlung am 14. Dezember 2005 ist die "Veräußerung des Objektes" beschlossen worden, teilt die Stadtverwaltung mit.

Da kann es natürlich bei einer Recherche im Ratsinformationssystem keine Trefferanzeige zum Thema geben. Das ging ja erst 2009 in Betrieb. Und unter den berichtenswerten Nachrichten für das Jahr, die das Amt für Statistik und Wahlen jedes Jahr zusammenträgt, war es für 2005 auch nicht zu finden. Die Einschätzung, was wichtig und was nicht wichtig ist, differiert unübersehbar.

Was fanden Leipzigs Statistiker damals wichtig? – Am 9. Dezember fand auf der Neuen Messe die Gruppenauslosung zur Fußball-Weltmeisterschaft statt. Ein hübsches mediales Ereignis, aber im Zusammenhang mit der Leipziger Stadtentwicklung – völlig unwichtig. Und am 16. Dezember 2005 erhielt die Londoner Architektin Zaha Hadid (55) den Deutschen Architekturpreis für das Leipziger BMW-Zentralgebäude. Kann man eigentlich sagen: dito.

Und natürlich kann man nun grübeln: Haben Leipzigs Stadträte damals nicht noch mehr solcher güldenen Eier beschlossen?

Jedenfalls ist es nicht lang genug her, um nicht ungültig geworden zu sein. Beschlossen wurde es ein Jahr nach der Schließung des Stadtbades, aber noch vor der Gründung der Förderstiftung, die seither wieder Leben in die Bude gebracht hat. Inzwischen flossen auch über 2 Millionen Euro zur Instandsetzung des Daches und der Männerschwimmhalle. Die Förderstiftung selbst investierte nach eigenen Angaben über 1 Million Euro in die Funktionsfähigkeit des Hauses. Und ein Gutachten zu möglichen künftigen Nutzungen wurde auch erstellt.

Trotzdem bietet das Leipziger Liegenschaftsamt die Immobilie auf der EXPO Real, die vom 7. bis 9. Oktober in München stattfindet, für ein Mindestgebot von 500.000 Euro an. Das habe nichts mit dem Wert der Immobilie zu tun, betont das Liegenschaftsamt. “Die Wertermittlung von Grundstücken richtet sich nach gesetzlich festgesetzten Regeln, der Immobilienwertermittlungsverordnung”, heißt es aus dem zuständigen Wirtschaftsdezernat. “Das Stadtbad ist unter Berücksichtigung der erfolgten Dacherneuerung mit dem Wertgutachten vom 30.08.2013 fachgerecht begutachtet und bewertet worden.”Ein Gespräch mit der Förderstiftung gab es auch. Stiftungsvorstand Dirk Thärichen: “Die Stiftung wurde von der Stadt über die Verkaufsabsichten in Kenntnis gesetzt. Da die Immobilie im Eigentum der Stadt Leipzig steht, hat die Stiftung auf die Verkaufsbemühungen der Stadt keinen Einfluss und wird diese daher auch nicht kommentieren. Die Stiftung setzt sich seit Jahren für den Erhalt des Stadtbades ein. Dieser Zielstellung fühlen wir uns auch weiterhin verpflichtet.”

Das Problem der Stadt im Grunde seit 2004: Ihr fehlen die Gelder, um die attraktive Immobilie selbst zu sanieren und wieder in Nutzung zu bringen. Auch wenn man bei der Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes für den gewaltigen Bau mit der Förderstiftung einer Meinung war. Ein erstes Konzept dieser Art hatte schnell gezeigt, dass ein Betrieb in der alten Variante mit den beiden Schwimmhallen so nicht mehr wirtschaftlich darstellbar war. Aus der Männerschwimmhalle ist mittlerweile ein Veranstaltungsraum ohne Wasserbetrieb geworden. Das kleinere Damenbad war bislang für eine Erhaltung vorgesehen, es könnte auch in einen modernen Fitnessbetrieb eingegliedert werden.

Auch die jüngste Nutzungskonzeption, die die Förderstiftung hatte erarbeiten lassen, ging von einer Mischung vieler unterschiedlicher Nutzungen im Gebäude aus. Aber auch das konnte das Grundproblem nicht lösen: die fehlenden – mindestens – 10 Millionen Euro für den Umbau. Spender fanden sich viele, aber keine in der benötigten Größenordnung.

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Ganz vom Tisch seien die erarbeiteten Nutzungsideen nicht, betont die Stadtverwaltung. “Der Stadt Leipzig ist jeder Investor willkommen, der sich dieser Immobilie unter Berücksichtigung des geltenden Denkmalschutzes annehmen möchte und dazu in der Lage ist”, heißt es dazu aus dem Wirtschaftsdezernat. “Das erarbeitete Nutzungskonzept ist dabei eine mögliche Maßgabe des denkbaren Nutzungsspektrums.”

Also eine Art Denkanstoß für mögliche Erwerber, was sie aus dem alten Haus vielleicht machen könnten. Bis sich ein solcher Investor findet – und es ist ja nicht gesagt, dass schon zur EXPO Real einer sagt “Ich kauf das Ding!”, darf die Förderstiftung das Stadtbad weiter bespielen. “Es besteht ein Nutzungsvertrag mit der Förderstiftung Stadtbad, deren denkmalschützende Arbeit nach wie vor für die Stadt sehr wichtig ist. An diesen bestehenden Vertrag wird sich die Stadt Leipzig halten.” Aufgefrischt wurde dieser Vertrag im März 2013.

Ein nächster Veranstaltungshöhepunkt wird die Magic Nights Dinnershow, die vom 22. November bis zum 31. Dezember im Stadtbad zu erleben ist.

www.magic-nights-dinnershow.de

Zur Förderstiftung Stadtbad: www.herz-leipzig.de

Nachtrag: Der Beschluss von 2005 ist doch im eRIS zu finden. Beschluss zur Vermarktung des Stadtbades

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