"Wir könnten uns schon dafür erwärmen, Investor zu sein, doch die kritische Frage ist die nach den 14 Millionen Euro Fördermitteln. Solange es die nicht gibt, wird es keiner tun", sagt Stefan Kannewischer. Am 25. November 2013 hat der Berater von der Kannewischer Management AG aus der schweizerischen Stadt Zug das Betriebskonzept für das Leipziger Stadtbad der Öffentlichkeit vorgestellt. "Die Stadt hatte die Firma mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt", erklärt Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht.

Zur selben Zeit wird ein weiterer Interessent durch das Stadtbad in der Eutritzscher Straße geführt. “Seit wir das Gebäude auf der Expo Real Immobilienmesse in München vorgestellt haben, gab es sehr viel mehr Interessenten”, so Albrecht. Die Studie existiert jedoch schon seit zwei Jahren. “Zu dem Konzept hat es zwischen mir und Dirk Thärichen von der Förderstiftung auch das eine oder andere harte Wort gegeben”, sagt Albrecht.

Laut der Studie stehen die Chancen für einen kostendeckenden Betrieb des Stadtbades nicht schlecht: In einem Einzugsgebiet von 15 Autominuten um das Bad herum leben 360.000 Menschen. “Rechnet man das für 60 Autominuten, so zählt das Gebiet schon 2,1 Millionen Menschen”, so Kannewischer. Sie alle sind potentielle Kunden für das Stadtbad, welches mit fünf weiteren Badeanstalten konkurriert. “Mit der Sachsen Therme und mit Bädern in Bad Düben, Bad Lausick und Halle”, zählt der Berater auf.
Sie alle hätten aber einen Freizeit-Anspruch. “Die Attraktivität des Stadtbades macht sein wohlfühliges historisches Ambiente aus”, sagt Kannewischer. Planschen und Entspannen im hundert Jahre alten Architektur-Juwel. Das böte Flair, welches im Umkreis einzigartig ist. Aber auch Minuspunkte, die auf dem heutigen Markt wichtig werden könnten: “Viel Straßenverkehr fährt direkt am Bad vorbei, zudem gibt es noch wenige eigene Parkplätze und kein Außenbecken. So etwas wird heute gewünscht von den Gästen”, so Kannewischer. Die moderne Nutzung im alten Gebäude birgt Chancen und Risiken.

Tagespreis: 21 Euro – “Bei den Besuchern muss richtig was gehen”

Ansprechen, das soll es vor allem Erwachsene und Senioren. “Vor allem gemütliche Schwimmer und Erholungssuchende”, erklärt der Berater Kannewischer. Ein Kinderplanschbecken ist nicht vorgesehen, ebenso wenig Schwimmlern-Kurse für die Kleinen. “In der Umgebung gibt es acht Sportbäder, die in die Nutzung durch Schulen und Vereine eingebunden sind und dieses Segment bereits abdecken.” Über zwei große Becken verfügt das Gebäude: das Männerbecken und das etwas kleinere, damalige, Frauenbecken.
“Dieses wäre für Fitnesskurse zu nutzen”, sagt Kannewischer. Die Besucherführung wird ebenfalls leicht geändert. Der Barfußgang und der sogenannte Stiefelgang der Badegäste muss getrennt werden. Im ersten Stock sind Fitness- und Ruheräume vorgesehen, im zweiten die Sauna und das Römisch-Irische Bad. “Von dort aus gibt es einen Balkon, der in Richtung Finanzamt herüber schaut. Es gibt aber keine Tür, die dort hinauf führt. Wir wissen nicht, ob es diese jemals gegeben hat oder sie zugemauert wurde. Das ist ein Kuriosum, welches wir bei der Besichtigung festgestellt haben.” Bürgermeister Albrecht scherzt: “Vielleicht hat das mit dem Blick aufs Finanzamt zu tun.”

Etwa 60 Vollzeitstellen würden geschaffen, das heißt 80 Personen beschäftigt. Um die Kosten zu decken, bräuchte ein renoviertes und entsprechend dem Konzept genutztes Stadtbad 310.000 Besucher pro Jahr. “Da muss dann richtig was gehen”, sagt Berater Kannewischer. Die Eintrittspreise sind ebenfalls schon kalkuliert: zwei Stunden Bad und Sauna kosten den Erwachsenen 12 Euro.

Extras wie das Römisch-Irische Bad kosten extra oder man kauft eine Tageskarte zu 21 Euro. Zum Vergleich: Die Tageskarte in der Sachsen Therme kostet 20 Euro. “Mit solchen Preisen ließe sich ein operativer Betriebsgewinn von 900.000 Euro pro Jahr erzielen”, resümiert Kannewischer. Das heißt in 20 Jahren wären die Investitionskosten wieder drin. Diese belaufen sich auf 11 Millionen Euro. Doch das ist eine Schätzung. “Hier sind die Grundstückskosten nicht mit drin und es gibt viele Faktoren, die man schwierig schätzen kann”, so Kannewischer. Das Stadtbad ist eben ein hundert Jahre altes Gebäude, bei dem man nicht wissen kann, was unter den Wänden, Fliesen, Dachnischen noch alles zum Vorschein kommen kann.
Keine Fördermittel in Sicht – “ohne diese funktioniert kein Bad in ganz Deutschland”

Könnte es funktionieren? Diese Frage beantwortet der Bäder-Berater mit ja. Seine Firma – ein Familienbetrieb aus der Schweiz – ist in zwei Gesellschaften aufgeteilt: ein Ingenieurbüro und eine Management-Gesellschaft. “Wir planen, beraten und konzipieren, aber wir sind auch Betreiber, wenn dies auch nicht unser Hauptzweck ist”, sagt er. Bleibt der Punkt der Fördermittel, ohne die in Deutschland kein Bad herzurichten ist: “Im Rahmen des Konjunkturpakets II haben wir vor Jahren das Dach erneuern können”, sagt Wirtschaftsbürgermeister Albrecht. “Doch ein ähnliches Programm ist nicht in Sicht. Auf EU-Ebene gab es in diesem Jahr keine Fördermittel für ein Projekt wie dieses, doch das ändert sich jedes Jahr.” Auf eine Investition von Seiten der Stadt angesprochen, antwortet Albrecht: “Finanziell ist es unrealistisch. Weder in den nächsten sechs Monaten noch im Jahr 2015 haben wir genug Luft.”

Und dauern, das würde das Projekt mindestens dreieinhalb Jahre. “Man braucht etwa ein Jahr zur Planung und zweieinhalb bis drei Jahre zum Bau. Das unsicherste ist aber die Planungsphase. Bis alle Unterschriften eingeholt sind, kann es zehn Jahre dauern”, so Bäder-Experte Kannewischer. “Ich sehe mehr Chancen, wenn es um EU-Mittel geht”, fügt Dirk Thärichen an. Der Vorsitzende der Förderstiftung des Stadtbades schließt auch eine Zweckänderung der Stiftung nicht aus. “Doch in sechs Jahren Arbeit haben wir 1,3 Millionen Euro gesammelt. Rund 800.000 Euro sind für Einbau und Nutzung verwendet worden, 450.000 Euro liegen auf dem Konto. Nur aus Spenden 14 Millionen Euro zu sammeln?”, fragt Thärichen

Am 11. Dezember soll das Stadtbad wieder im Stadtrat zum Thema werden, nachdem es in der Novembersitzung aus Zeitgründen nicht besprochen wurde. Seit dem Jahr 2004, als es aus Brandschutzgründen geschlossen wurde, hat der Stadtrat bereits mehrmals über das Schicksal des Gründerzeitbaus beraten. Im Jahr 2005 war der Beschluss gefasst worden, es unter Denkmalschutzauflagen zu verkaufen. Da sich jedoch kein Käufer fand, übertrug es die Ratsversammlung zwei Jahre später an die Förderstiftung, die es solange nutzen kann, wie sie das Geld dafür einwerben kann. Das Betreiberkonzept liegt seit zwei Jahren in Albrechts Schublade. “Bisher gab es aber kein einziges Gebot”, so der Bürgermeister, auch wenn das Interesse zugenommen habe, seit die Immobilie auf der Münchner Messe angeboten wurde.

Noch einmal auf eine Investition durch die Stadt angesprochen, tut Albrecht seine ganz private Meinung kund: “Ich finde, wir sollten, denn da ist mein Herz ganz weit, was das Stadtbad betrifft. Ich zähle zu jenen, die in diesem Bad noch Schwimmen gelernt haben.”

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