Diese Diskussion hätte Leipzig schon viel früher haben können - mindestens vier Jahre früher, ohne den Eiertanz um ein "Freiheits- und Einheitsdenkmal", von dem nicht einmal seine politischen Verursacher wissen, wie es aussehen soll und ob der brachliegende Wilhelm-Leuschner-Platz dafür überhaupt geeignet wäre. Die FDP-Fraktion hatte in dieser Woche den Anfang gemacht und vorgeschlagen, einen Parkplatz draus zu machen. Piraten und Grüne sind mit noch schöneren Ideen gefolgt.

Die Piraten hatten recht deutlich gesagt, wie gestrig sie den FDP-Vorschlag finden, den Platz nun wieder zu einem Parkplatz zu machen. Statt wirklich mal das Flair der kreativen Stadt Leipzig hier leben zu lassen mit einem “zentralen Platz als Freiraum für Gemeinschaftsgärten, Kinderspielplätze, Graffiti-Künstlerinnen und -künstler und andere zivilgesellschaftliche Initiativen? Das würde dem Ruf Leipzigs als Stadt, die offen für alle ist, weitere Geltung verschaffen.”

Was im Grunde auch eine saubere Kritik an der beratungsresistenten Runde der Wettbewerbs-Veranstalter ist, die das Projekt “Freiheits- und Einheitsdenkmal” in kleinen Klüngelrunden vorangetrieben haben – mit ein bisschen “öffentliche Beteiligung” als Legitimations-Mäntelchen. Immer auch mit einem Seitenblick auf die Linkspartei, die mit ihren diversen Vorstößen zu einem Bürgerentscheid immer wieder scheiterte. Es war ja so leicht, den Linken einen Unwillen zu unterstellen, ein Denkmal für die Friedliche Revolution in Leipzig zuzulassen.

Das Ergebnis aber war genau das, was Jan-Martin Zimmermann von den Piraten jetzt auch am FDP-Vorstoß kritisiert: “Über eine Zwischennutzung hat nicht eine kleine Gruppe zu entscheiden, sondern alle in der Stadt lebenden Menschen. Dazu gibt es verschiedene Instrumente – so kann ein Meinungsbild leicht über das Internet und zusätzlich auch per Post abgefragt werden.”

Den Piraten folgten nun am Freitag die Grünen, die das Ensemble der Vorschläge durch einen eigenen Vorschlag bereichern, der erstaunlicherweise fast wie einer der Wettbewerbsbeiträge aussieht. Nur versuchen sie, den Leipzigern den Vorschlag nicht als Denkmal zu verkaufen.
“Die Idee einer Zwischennutzung des Leuschnerplatzes hat Charme. Allerdings nicht für Parkplätze sondern als Park mit der Möglichkeit zum Verweilen und einem Spielplatz”, schlägt Jürgen Kasek, Vorstandssprecher des Kreisverbandes der Grünen, als mögliche Nutzung des Wilhelm-Leuschner-Platzes vor.

Gerade im Innenstadtbereich gebe es bereits eine Vielzahl an Parkmöglichkeiten. Ein weiterer Parkplatz stehe den Planungen der Stadt – festgelegt im Konzept “öffentlicher Raum und Verkehr” – entgegen und berge zudem das Problem des induzierten Verkehrs in sich: Durch Schaffung eines zusätzlichen Parkplatz-Angebots wird dieses auch stärker genutzt, was eine Zunahme des Autoverkehrs im Zentrum zur Folge hätte.

“Auch wäre damit ein Vertrauensverlust gegenüber den Investoren verbunden, die in der Innenstadt Parkhäuser errichtet haben. Vielleicht geht es aber der FDP auch nur um Denkmal durch die Hintertür, denn bereits zu DDR Zeiten war der Platz Parkraum”, kommentiert Kasek. “Im Zentrumsbereich fehlt es demgegenüber an Grünflächen mit hoher Aufenthaltsqualität und auch an ausreichend großen Kinderspielplätzen. Gerade der Leuschnerplatz bietet sich für eine Zwischennutzung an. Allerdings mit einem Park und einem Spielplatz.”

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Eine klimagerechte Nutzung als Park sei aus vielen Gründen – Kasek nennt die Erhöhung der Attraktivität, die Vermeidung von zusätzlichem Verkehr, die Verminderung von kostenintensiven Folgen – immer die wirtschaftlichste Lösung für die Stadt.

“Wir unterstützen daher die Idee einer Zwischennutzung, präferieren aber die familien- und umweltfreundliche Variante”, sagt Kasek. Womit wieder etwas in den Mittelpunkt der Debatte rückt, was die Denkmal-Visionen zumeist negierten: dass der Wilhelm-Leuschner-Platz zuallererst ein innerstädtischer Platz ist, der vor allem Aufenthaltsqualitäten für die Leipziger selbst bieten sollte. Das “Denkmal” wurde von Anfang an immer nur als “touristische Attraktion” gedacht. Oft hatte man das Gefühl, die Wettbewerbsveranstalter wollten Leipzig zu einem einzigartigen Freiluftmuseum der “Friedlichen Revolution” machen, wie die Leipziger den Platz dann vielleicht nutzen würden, war völlig egal.

Dabei kann der Platz gerade durch moderne, bürger- und familienfreundliche Angebote gewinnen. Und die Platzgestaltung muss – wie bei der Anlage eines Parks – nicht einmal so teuer sein wie das vertagte Denkmal. Und wenn man es schon politisch aufladen will (was man ja nun ausgerechnet in Leipzig gar nicht muss), dann kann man den Park auch mit einer Idee verbinden. Zum Beispiel den vielen wichtigen Städtepartnerschaften Leipzigs.

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