Nichts Genaues weiß man noch nicht. In den Ausschüssen ist das Thema Burgaue noch nicht behandelt worden. Irgendetwas soll 2018 losgehen, auch wenn es bestenfalls so etwas wie eine Minimalvariante zur Vernässung der Burgaue ist. Am Mittwoch, 29. Oktober, hatte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal extra die Presse eingeladen, um mit ihm das Testgebiet zu besichtigen. Mit entsprechend deutlicher Kritik der Umweltverbände, denn mit "Revitalisierung des Auwaldes" hat das Ganze nicht viel zu tun. Wahrscheinlich ist es sogar längst Schnee von gestern.

Schnee aus einer vergangenen Regierungsepoche, die Hochwasserschutz nur mit hohen Deichen und teuren Steuerbauwerken begreift und Auenwälder eher als Störfaktor beim Bauen. Aber irgendwie hat man in Leipzigs Verwaltungsspitze gar nicht so recht mitbekommen, dass diese Epoche am 31. August 2014 zu Ende ging und im von SPD und CDU ausgehandelten Koalitionsvertrag mittlerweile etwas anderes steht. Übrigens ein Vorgang, der auch den im Affentempo geplanten, genehmigten und umgesetzten Neubau des Nahleauslasswerks in völlig anderem Licht erscheinen lässt. Augenscheinlich sollte es unbedingt noch vor der Wahl im August fertig sein. Tatsachen schaffen, nennt man so etwas.

Und das mit tatkräftiger Beihilfe der Leipziger Stadtverwaltung, die das Bauwerk jetzt gar noch als Steuerbauwerk für die Burgaue lobpreist, auch wenn es gerade dafür, weshalb das Projekt “Lebendige Luppe” im Juni 2012 mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 10 Millionen Euro gestartet wurde, nicht geeignet ist. Eben die Revitalisierung der Aue.

Das hatten die Leipziger Umweltverbände im Frühjahr massiv kritisiert. SPD- und CDU-Fraktion hatten 2013 extra einen Antrag gestellt, den Neubau des Nahleauslasswerks zu stoppen, ein Antrag, der in einen Kuhhandel mündete, bei dem den beiden Fraktionen dann das Auwaldforum als Ausgleich versprochen wurde. Ein Kuhhandel, der dann den Raum zum Neubau des Nahleauslasswerkes öffnete. Das Auwaldforum selbst zeigte, dass viel mehr Fragen offen sind, als gern suggeriert wird.

Auch wenn Heiko Rosenthal am Mittwoch wieder ein schönes Bild vom Auwald-Projekt entwarf.

“Südlich der Neuen Luppe sollen verschiedene Altläufe zwischen der Stadt Leipzig und dem Luppewildbett auf dem Gebiet der Stadt Schkeuditz zu einer Fließstrecke von bis zu 16 Kilometer Länge verbunden werden. Das Wasser wird im Bereich von Kleiner Luppe und Nahle entnommen und teils über verlandete Wasserläufe oder neu anzulegende Verbindungsgräben in die betroffenen Auenbereiche transportiert. Neben den Baumaßnahmen zur Realisierung des Gewässers werden zahlreiche Durchlässe, Brücken und Regelbauwerke errichtet”, referiert die Stadt das Projekt.

“Für die Stadt Leipzig sind der Erhalt und die Entwicklung des unter Naturschutz stehenden Auwaldes aus stadtklimatischer Sicht, aus Naherholungssicht und als nachhaltiger forstwirtschaftlicher Standort von großer Bedeutung”, wird Heiko Rosenthal zitiert. “Unter dem Motto ,Wertvolle Vielfalt erhalten? versteht sich das Projekt ?Lebendige Luppe? als Beitrag zur Entwicklung einer aktiven, die biologische Vielfalt fördernden Lebensader, die der Stadt Lebensqualität verschafft.”

Nicht ganz neu ist der geplante Ablauf: Die Revitalisierung erfolge – so die Stadt – voraussichtlich in vier Bauabschnitten: die Gewässerentwicklung von der Einleitung bis zur Mündung in den Burgauenbach (zirka 4 Kilometer Fließstrecke), die Renaturierung des Bauerngrabens bis zur Waldspitze (2 Kilometer), die Wiederherstellung der Heuwegluppe von der Waldspitze bis zur Mündung in die Alte Luppe/Neue Luppe (5 Kilometer) und die Revitalisierung des ehemaligen Zschampertbetts von der Mündung in die Alte Luppe bis ins Luppewildbett (4,5 Kilometer). Als Realisierungsende ist das Jahr 2025 vorgesehen.

Aber anfangen will man von hinten: Der erste Gewässerabschnitt von der Einleitung aus Kleiner Luppe und Nahle bis zur Mündung in die Neue Luppe (Waldspitze, Bauerngrabensiel) wird voraussichtlich in den Jahren 2018 oder 2019 Wasser führen, teilt die Stadt mit.Selbst diese Definition birgt noch alle Unsicherheiten des Projekts: Wo das Wasser in die Burgaue eingelassen werden soll, ist noch gar nicht geklärt. Wenn es aus der Kleinen Luppe kommen soll, hat die Nahle nichts damit zu tun. Wahrscheinlicher aber ist ein Einlass aus der Nahle nördlich des Eisenbahndammes. Und das auch nur mit begrenzter Wasserführung. Man will ja alle steuern. Aber ein Hauptpunkt ist bis heute nicht geklärt: Wie erhöht man den Grundwasserspiegel in der Burgaue, wenn sich die Neue Luppe immer weiter in den Untergrund fräst?

Parallel zu den Baumaßnahmen der Stadt Leipzig nimmt sich der NABU Sachsen der Revitalisierung von Wasserläufen nördlich der Neuen Luppe im Bereich der Papitzer Lachen bei Schkeuditz an.

Die Radtour mit Heiko Rosenthal startete an der Gustav-Esche Straße, führte am Nahle-Auslassbauwerk vorbei zu Bauerngraben und Burgauenbach. Erklärt wurden die vorhandenen Strukturen, teilt die Stadt mit, die Gestaltung naturnaher Gewässer sowie das mögliche Zusammenspiel mit dem Nahle-Auslassbauwerk.

Heiko Rosenthal noch einmal zitiert: “Ein großes Ziel ist es, mit dem Projekt Lebendige Luppe auentypische Prozesse zu fördern, die auentypische Arten- und Biotopstruktur zu entwickeln sowie die Ökosystemdienstleistungen des Auensystems nachhaltig nutzbar zu machen.”

Ein frommer Wunsch, der mit dem vorliegenden Projekt nicht verwirklicht werden kann.

Nachhaltigkeit im Auenwald sieht anders aus. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD heißt es dazu zum Beispiel: “Wir treten für einen vorbeugenden Hochwasserschutz ein, der die Balance zwischen baulich?technischen Lösungen und natürlichem Wasserrückhalt einhält. Dazu gehören insbesondere die Schaffung von Retentionsflächen, die Anlegung von Polderflächen, Deichrückverlegungen, Bebauungsverbote und die Etablierung eines Auenprogramms sowie kontinuierliche Pflegemaßnahmen.” Deichrückverlegungen wären in der Burgaue wirklich ein nachhaltiger Schritt gewesen. Aber nicht der einzige, der notwendig wäre.

Am Siel (verschließbarer Gewässerdurchlass im Deich) des Bauerngrabens endete die Exkursion – hier soll der künstlich wiederbelebte Fluss 2018/2019 in die Neue Luppe fließen, bevor die nächsten Bauabschnitte realisiert werden.

Als erstes sächsisches Projekt erhält die “Lebendige Luppe” eine Förderung im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt, das durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit realisiert wird. Gefördert wird das Schlüsselprojekt des Grünen Rings Leipzig zudem durch den Naturschutzfonds der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt.

www.lebendige-luppe.de

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