Was Leipzigs Umweltvereine befürchtet hatten, ist eingetreten: Das Leipziger Umweltdezernat sieht in den massiven Verstößen gegen die 2014 am Floßgraben verhängte Allgemeinverfügung keinen Grund, die Regeln zu verschärfen oder zumindest besser zu kontrollieren. Stattdessen werden die Durchfahrtzeiten durch den sensiblen Floßgraben 2015 massiv ausgeweitet. So verkündete es Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am Dienstag, 26. November, bei einer informellen Runde mit Naturschutzverbänden und Bootsverleihern.

Warum man nun so freigiebig mit Durchfahrtzeiten ist, begründet das Umweltdezernat so: “Auch im Jahr 2015 soll im Einvernehmen mit dem Landkreis Leipzig eine Allgemeinverfügung über besondere Schutzmaßnahmen für den Eisvogel am Floßgraben erlassen werden. Dies ist das Resultat mehrerer Beratungen infolge eines speziellen Monitorings zur Allgemeinverfügung. – Demnach wurden im Jahr 2014 am Floßgraben zwei Eisvogel-Brutpaare mit jeweils zwei Bruten nachgewiesen. Für den gesamten Bereich des Vogelschutzgebietes ‘Leipziger Auwald’ im Stadtgebiet Leipzigs erbrachte eine separate Brutvogelkartierung Brutnachweise für insgesamt acht Revierpaare, die insgesamt 16 Bruten zum Ausfliegen brachten.”

Zwar weist das fürs Umweltdezernat erstellte Gutachten nach, dass die rege Bruttätigkeit vor allem mit der sehr langen warmen Witterung zu tun hatte. Aber das Umweltdezernat sieht darin eher eine gewisse Resistenz des Eisvogels gegen die vielen Störungen im Floßgraben.

“Der Floßgraben hat für den Eisvogel eine sehr hohe Bruteignung”, sagt Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. “Aus diesem Grund planen wir auch für 2015 eine Allgemeinverfügung über besondere Schutzmaßnahmen.”

Die Gültigkeit soll sich wieder entsprechend der Brutbiologie der Art auf den Zeitraum vom 1. März bis 30. September erstrecken. Die täglichen Öffnungszeiten, das heißt Zeitfenster, in denen ein Befahren des Floßgrabens durch muskelbetriebene Boote aller Art wie Kajaks und Kanus erlaubt wird, sollen aber dafür im Jahr 2015 von vier Stunden auf sieben Stunden ausgedehnt werden. Jeden Tag drei Stunden mehr Störung – und das vor allem in den Abendstunden.
So soll das Befahren täglich 11-13 Uhr, 15-18 Uhr und dann auch noch einmal 20-22 Uhr erlaubt werden. Dabei könne sich die Stadt Leipzig auf den genannten Eisvogel-Monitoringbericht berufen, der auf Grundlage intensiver Untersuchungen vor Ort – insgesamt 40 Kontrollbegehungen vom 20. April bis 3. September 2014 – eine solche Empfehlung gebe, betont das Umweltdezernat.

Heiko Rosenthal: “Die Beschränkungen der Allgemeinverfügung haben sich generell als erfolgreich erwiesen, was durch den Bruterfolg der beiden Brutpaare am Floßgrabens 2014 belegt ist. Die geringfügige Ausdehnung der erlaubten Fahrtzeiten basiert auf den Empfehlungen des Gutachters des Eisvogel-Monitoringberichts und wird durch konsequente Kontrollen zur Einhaltung der Sperrzeit begleitet. Für maschinenbetriebene Wasserfahrzeuge aller Art wird das Befahren weiterhin grundsätzlich untersagt. Zudem ist weiterhin das Betreten von beiderseitig 20 Meter breiten Uferbereichen und das frei laufen lassen von Hunden entlang des Floßgrabens untersagt.”

Doch die Begehungen hatten ergeben, dass weder das Betreten der Schutzstreifen unterlassen wurde noch die Sperrzeiten eingehalten wurden.

Jetzt will man irgendwie mit verstärktem Personaleinsatz gegensteuern:

Zur Umsetzung dieser Allgemeinverfügung seien wiederum Kontrollen durch Bedienstete des Amtes für Umweltschutz sowie Naturschutzhelfer geplant. Die Landesdirektion Sachsen wird befragt, ob Kontrollen durch die Wasserschutzpolizei ermöglicht werden können. Zuwiderhandlungen gegen die Regelungen können als Ordnungswidrigkeiten oder Straftat verfolgt werden.

Man rüstet lieber weiter auf, obwohl die Wasserpolizei im Floßgraben gar nicht agieren kann. Und erzählt dann den Leipzigern noch einmal, wie wertvoll das Schutzgut ist: “Der Floßgraben stellt ein ökologisch besonders wertvolles, aber auch äußerst sensibles Gewässer im südlichen Auwald der Stadt Leipzig dar. Eine herausragende Bedeutung hat er als Brutstätte für den Eisvogel, der nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt ist und eine Zielart des europäischen Vogelschutzgebietes ‘Leipziger Auwald’ darstellt”, betont das Umweltdezernat. Eine Einschätzung, die ein weiteres Ausdehnen der Störzeiten eigentlich nicht rechtfertigt.

Im Jahr 2014 wurde über eine Allgemeinverfügung die Befahrbarkeit des Floßgrabens für muskelbetriebene Boote während der Brutzeit des Eisvogels in der Form beschränkt, dass ein Befahren täglich nur in den Zeiten 11-13 Uhr und 16-18 Uhr erlaubt wurde (im Jahr 2013 waren die Wochentage komplett gesperrt und ein Befahren war nur an den Wochenenden und bundeseinheitlichen Feiertagen von 11-13 und 15-17 Uhr erlaubt). Außerdem durften zwei Elektromotorboote über eine spezielle Ausnahmegenehmigung phasenweise den Floßgraben befahren.

Durch Bedienstete des Amtes für Umweltschutz und Naturschutzhelfer wurden insgesamt 27 Kontrollgänge zur Umsetzung dieser Allgemeinverfügung durchgeführt. Dabei wurden 354 Verstöße dokumentiert, davon 287 durch Boote. Auch das teilt das Umweltdezernat trocken mit. Und trotzdem sollen die Durchfahrtzeiten ausgeweitet werden …

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