Es gibt Baustellen, die sind tief im Herzen der Leipziger verankert - so wie der Anker in Möckern, schon in DDR-Zeiten legendär durch seine Konzerte und den in Rock ausgelebten romantischen Protest gegen ein Land, das sich nicht ändern wollte. Nicht ohne Grund heißt die kleine Straße vorm Haus heute Renft-Straße. Doch 2013 erfuhr die mitfühlende Stadt erst, wie krank der alte Bau tatsächlich war.

Heute spricht die Stadt vom Beginn der Baumaßnahme am Anker im Jahr 2014. Was nicht ganz stimmt. Eigentlich ging’s 2012 ganz harmlos los. Da beschloss die OBM-Runde, dass man die Sanierungen an dem alten Haus einfach fortsetzen wolle. Schritt für Schritt. Keine große Sache. 2013 wollten die Bauleute loslegen, nahmen die Wandverkleidungen ab und – waren entsetzt. Hinter der schön kaschierten Oberfläche lauerte eine völlig zermürbte Baustruktur. Mit einfach mal sanieren war nichts. Der Mittelbau musste komplett abgetragen werden. Was nicht sofort ging.

Denn damit verteuerte sich die eigentlich schon knapp kalkulierte Baumaßnahme von 3,2 auf 5,1 Millionen Euro. Aber dieses Geld war gar nicht eingestellt im Haushalt. Die Baustelle fror ein. Der Stadtrat musste eingeschaltet werden. Und so kam’s zum zweiten Baubeginn im Folgejahr.

2014 ging es richtig los, der alte morsche Bau wurde abgetragen, das Fundament neu gelegt – voraussichtlich 2017 wird das soziokulturelle Zentrum in Möckern wieder vollständig fertig gestellt sein, kündigt die Stadtverwaltung vorsichtig an. Die Baumaßnahme umfasst den Abbruch und Neubau des Gebäudes Wolffstraße 2 und des Küchenanbaus, die Rekonstruktion des Kneipengebäudes und die umfassende Sanierung des Saalgebäudes.

Das Eckhaus Wolffstraße steht schon im Rohbau. Foto: Ralf Julke
Das Eckhaus Wolffstraße steht schon im Rohbau. Foto: Ralf Julke

Zu den Liebhabern des Objektes gehört auch Linke-Stadtrat Siegfried Schlegel. Zusammen mit Bauleiter Jürgen Reinhardt vom Amt für Gebäudemanagement hat er in dieser Woche noch vor der offiziellen Grundsteinlegung am Freitag, 24. Juli, die Baustelle besucht. Denn einiges steht ja schon.

Der Gebäudeteil für die Büros und Nebenräume im Eckhaus Renft-/Wolffstraße ist im Rohbau mit Fenstern und Dach fertig. Für den Gebäudeteil mit Küchenbereich sowie die zweigeschossige Gaststätte wurde die Fundamentplatte am Montag gegossen. Für den zu erhaltenden Saalteil laufen die Planungen.

Als Bauingenieur ist Schlegel sogar regelrecht fasziniert von der Kompliziertheit des Bauvorhabens. Und er hat schon eine Menge Sitzungen mitgemacht, in denen um die Finanzierung der Sanierung des alten Hauses gerungen wurde. “Das begann bereits vor Jahren, als im Fachausschuss Stadtentwicklung/Bau über Sofortmaßnahmen beraten wurde, um die Nutzbarkeit als Versammlungsstätte für über 200 Gäste weiterhin zu gewährleisten”, so Schlegel.  In den darauffolgenden Debatten in den Stadtratsgremien wurde auch über einen Neubau und die Verlagerung von Veranstaltungen ins “Haus Auensee” gestritten.

“Angesichts der Herausforderungen bei der Erweiterung und Erneuerung der Schulinfrastruktur wäre ein Neubau finanziell durch die Stadt allein nicht zu bewältigen gewesen, weil nur Fördermittel für eine Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplexes in der Renftstraße in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Historismusbau der Walter-Heisenberg-Schule zur Verfügung stehen”, stellt Schlegel fest. “Hauptgründe waren vor allem, dass der unverzichtbare Offene Treff für Kinder- und Jugendliche in der Mitte des Stadtteiles auch mit ÖPNV gut erreichbar ist, dass der Anker auch als Kulturzentrum eine jahrzehntelange Tradition hat und über Leipzig und die Region hinaus bekannt und beliebt ist. Deshalb wurde bereits in den zurückliegenden Jahren der Gebäudeteil des Offenen Treffs für Kinder- und Jugendliche  in der Wolffstraße neu gebaut.”

Ende des 19. Jahrhunderts war der „Goldene Anker“ als Gastwirtschaft mit angeschlossenem Ballhaus weit bekannt. Die Gäste kamen zum Tanz aus Möckern, Wahren und Gohlis zusammen – aber auch mit der Straßenbahn aus Leipzig. Die Fahrt raus zu den großen Gasthäusern gehörte zum Wochenendvegnügen der Leipziger. Das Haus hat eine lange Tradition – logisch, dass da auch der Zahn der Zeit nagte. Dass die Bausubstanz desolat sein könnte, hätte man ahnen können. In DDR-Zeiten war im Grunde nichts gemacht worden an der baulichen Hülle. Schäden wurden leidlich kaschiert. Bauunterlagen über die im Laufe der Jahrzehnte festgestellten Schäden gab es nicht. Es war im Grunde ganz ähnlich wie bei vielen Leipziger Schulsanierungen der neueren Zeit: Das ganze Ausmaß der Schäden wurde erst bei Eröffnung der Baustelle sichtbar – Übrigens einer der viele Gründe dafür, warum Sanierungen in Leipzig doch immer eine ganze Schippe teurer werden als ursprünglich kalkuliert.

Nun liegt die Bodenplatte für den Anker. Ein Anlass, wenigstens mal wieder medienwirksam auf die so wichtige Baustelle im Leipziger Norden hinzuweisen.
Am Freitag, 24. Juli, haben Kulturamtsleiterin Susanne Kucharski-Huniat und Anker-Geschäftsführerin Heike Engel den Grundstein für den Neubau am „Anker“ gelegt.

Nach der Fertigstellung 2017 sollen die Besucher im Anker wieder Musik-Festivals, Theater und Konzerte erleben, es wird hier wieder umfangreiche Kursangebote und Workshops für Familien, Kinder und Erwachsene und vieles mehr geben. Bis dahin müssen die Anker-Veranstaltungen an Gastspielstätten stattfinden: Während der Bauphase nutzt das soziokulturelle Zentrum das Gemeindehaus der Auferstehungskirche Möckern an der Georg-Schumann-Straße und das Oskar-Kellner-Haus, Gustav-Kühn-Straße 8.

Kurzstatement der Bauleute: Die Bauarbeiten schreiten zügig voran, doch bis zur Fertigstellung ist es noch ein gutes Stück Arbeit. Die gesamte Baumaßnahme kostet rund 5,2 Millionen Euro, wovon 1,5 Millionen Euro aus dem Förderprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren (SOP) Georg-Schumann-Straße“ durch die Sächsische Aufbaubank (SAB) gefördert wird.

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