Tempo 30 klingt immer gut. Die Leipziger haben sich ja daran gewöhnt. Wenn irgendwo Unfallschwerpunkte entschärft werden sollen, wird „Tempo 30“ verhängt. Der Ökolöwe hatte es auch für die Innere Jahnallee vorgeschlagen. Das Verkehrs- und Tiefbauamt scheint dem Vorschlag flugs folgen zu wollen. Aber dem ADFC gehen die aktuellen Vorschläge aus dem Verkehrs- und Tiefbauamt der Stadt Leipzig zur geplanten Verkehrsorganisation in der Inneren Jahnallee nicht weit genug.

Tempo 30 sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, löse aber das Problem nur unzureichend, denn die meisten Unfälle in der Inneren Jahnallee entstünden nun einmal, weil dort geparkt wird, stellt der Fahrrad-Club fest.

Und dann geht der Leipziger Vorsitzende auf eine problematische Stelle in der Leipziger Verkehrspolitik ein, die seit 2007 für Gesprächsstoff sorgt. Denn gleich nach Fertigstellung des neuen Straßenabschnitts 2006 ordnete das zuständige Verkehrsamt der Stadt in der Inneren Jahnallee eine Testphase an, schon 2002 beschlossen – aber nicht so.

Denn ursprünglich sollte etwas ganz anderes getestet werden, denn es ging darum, „insbesondere im inneren Teil der Jahnallee die Verkehrsorganisation zu erproben (dynamische Straßenraumfreigabe) und danach die endgültige Verkehrsorganisation festzulegen.“

Die dynamische Verkehrsorganisation ist die Ampelschaltung für die Straßenbahn. Denn den Planern war 2002 sehr wohl klar, dass man den Verkehrsfluss in der Inneren Jahnallee regulieren muss. Deswegen bekommen entweder die Kraftfahrzeuge oder die Straßenbahn am Waldplatz bzw. an der Haltestelle Leibnizstraße Vorfahrt. Sie müssen also hintereinander in das schmale Straßenstück einfahren. Das sollte den Verkehrsfluss flüssig halten und vor allem die hohe Verkehrsbelegung sicherstellen, die sich hier durch die doppelte Funktion als Hauptverkehrstraße und Bundesstraße ergibt.

Denn nur deshalb gab es die Bundesfördermittel für den Straßenumbau im Vorfeld der Fußball-WM: Der Verkehrsfluss durfte auf keinen Fall gehemmt und gemindert werden. Bundesstraße bleibt Bundesstraße.

Aber was die Leipziger Verkehrsplaner dann ab 2006 einjährig testeten, ging deutlich darüber hinaus: „Im Rahmen der Testphase wurden landwärts 17 Stellplätze und stadteinwärts 6 Stellplätze (Parken Montag bis Freitag 9 bis 15 Uhr) angeordnet“, kann man im Bericht des Dezernat Stadtentwicklung und Bau vom April 2007 lesen.

„Von den Regelungen waren Verflechtungsstrecken im Bereich von Signalanlagen und Andienbereiche für Geschäfte ausgenommen, um zu verhindern, dass in zweiter Reihe geparkt und die Straßenbahn behindert wird. Während der Testphase wurden Verkehrsbeobachtungen durchgeführt, um weitere Verbesserungen für Händler und Gewerbetreibende und eine möglichst weitere Vereinfachung der Beschilderung vorzunehmen. Die Kurzparkzeit wurde mit einer Stunde vorgesehen, um Kunden auch ausreichend Zeit für Einkäufe zu geben. Kürzere Parkzeiten mit Parkscheibe sind nicht durchsetzbar.“

Vor Umbau der Straße konnten übrigens „landwärts 7 Stellplätze angefahren werden, Parkzeit Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr, stadteinwärts 0 Stellplätze.“

Man weitete also einfach mal das Parkregime aus.

Und das blieb auch im ersten Testjahr nicht wirklich problemfrei, wie man lesen kann: „Das Unfallgeschehen war gering und bezog sich meist auf Unachtsamkeiten beim Fahrstreifenwechsel.“

Eine Einschätzung, die einem doch erstaunlich vertraut vorkommt.

Und das mit dem Parken? „Um aber auch den Wünschen der Händler und Gewerbetreibenden entgegenzukommen, wurde über einen gewissen Zeitraum das Parken in bestimmten Bereichen getestet. Es stellte sich nicht völlig problemlos dar und muss bei größeren Schwierigkeiten aufgehoben werden. Es werden keine Parkplätze markiert, nur Kurzzeitparken mittels Beschilderung eingerichtet, wie bereits jetzt in einigen Teilen über einen Zeitraum getestet.“

Man findet übrigens nichts zum Radverkehr. Die Stadt und der Bürgerverein und die Händler scheinen die ganze Zeit nur über Stellplätze, Kurzzeit- oder Dauerparken diskutiert zu haben. Aus Sicht der Stadt war alles gut.

Man diskutierte auch über Bäume in der Jahnallee („Nein“, sagte die Stadt) und Anwohnerparken (das wollte der Bürgerverein noch nicht), behandelte das Kurzzeitparken aber so, als ginge es immer nur um Anlieferung und Kundenbesuche, nicht um eine dauerzugeparkte Bundesstraße. Nicht ein Wort zum Radverkehr. Die Stadtplaner behandelten den Straßenabschnitt so, als würde hier nie im Leben ein Radfahrer auftauchen.

Deutlich wird die 2007 noch amtlich regierende völlige Fixierung auf das Wohl der Autofahrer: „Zusammenfassend wird eingeschätzt, dass ein nach dem derzeitigen Erkenntnisstand vertretbares Maß an Parkplätzen entsprechend der Möglichkeiten des Straßenzuges geschaffen wird, das Anliefern wird gewährleistet. Eine Markierung der Stellplätze erfolgt nicht.“

Gerade der fehlende Bezug auf die Radfahrer macht deutlich, dass hier ganz bewusst eine Politik gemacht wurde, die die Gefahren der Straße bewusst in Kauf nahm. Das geht ja mit den viel zu schmal bemessenen Radwegen am Ranstädter Steinweg weiter, den schlecht geplanten Überwegen an der Kreuzung Goerdelerring und dem jähen Abbrechen der Radwege noch vor dem Waldplatz.

„Es ist unverständlich, dass die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit der vielen Radfahrenden in der Jahnallee parkenden Autos untergeordnet werden sollen. Auch bei Tempo 30 wird es zu gefährlichen Überholmanövern oder dem ‚Dooring‘, dem plötzlichen Öffnen von Autotüren vor herannahenden Radfahrenden, kommen. Fehlverhalten, das letztlich oft die schwächeren Verkehrsteilnehmer mit schweren Verletzungen oder gar tödlichen Folgen zu tragen haben. Es ist ein Armutszeugnis städtischer Verkehrspolitik, dem tatsächlich nachhaltigsten Verkehrsträger in der Stadt, dem Radverkehr, solche Opfer abzuverlangen“, stellt Dr. Christoph Waack, Vorsitzender des ADFC Leipzig, fest.

Die Sicherheit für Radfahrende, Zufußgehende und auch den Kfz-Verkehr in der Inneren Jahnallee sei nachweislich nicht gegeben. Auch die Verkehrsunfallkommission stellt fest, dass der beengte Verkehrsraum in der Jahnallee den unterschiedlichen Anforderungen nicht gerecht werden kann.

Was eben auch bedeutet: Das Verkehrs- und Tiefbauamt hat den Bürgern 2007 einen ordentlichen Bären aufgebunden. Denn die Verhältnisse waren auch damals schon genauso brisant.

In die Jahnallee gehören sichere Radverkehrsanlagen, damit die zunehmende Zahl von Leipzigern, die auf umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zügig, sicher und bequem durch die Stadt kommen wollen, nicht unter die Räder geraten, betont Waack.

Und deshalb unterstütze der ADFC auch die Petition, die eine geschützte Radspur („protected bikelane“) in der Inneren Jahnallee fordert.

Die Testauswertung von 2007.

Ökolöwe fordert Tempo 30 und die Einrichtung einer gesicherten Radspur in der Jahnallee

Ökolöwe fordert Tempo 30 und die Einrichtung einer gesicherten Radspur in der Jahnallee

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Tempo 30 + absolutes Halteverbot zwischen Waldplatz und Leibniz-/Thomasiusstraße!

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