Normalerweise analysiert man erst einmal die Arbeit der Polizei, bevor man darangeht, ihr weitere Waffen und Befugnisse zuzuschreiben, so, wie es auch in Sachsen passieren soll. Seit 2011 ist der Freistaat ja das Testfeld für immer weiter reichende Eingriffe in das Privatleben, die Kommunikation und die Demonstrationsfreiheit der Bürger. Und statt nach dem Debakel der „Polizeireform 2020“ erst einmal innezuhalten, hat Innenminister Roland Wöller (CDU) das verschärfte neue Polizeigesetz vorgelegt.

Im Mai hat der Landtag darüber debattiert. Und mehrere gesellschaftliche Gruppen versuchen jetzt auch, den Landtag mit einer Petition gegen das Polizeigesetz, das manchen an finstere alte Zeiten erinnert, zu bewegen, die Verschärfung nach bayerischem Vorbild zu verhindern.

Wie in zahlreichen anderen Bundesländern plant auch die sächsische Landesregierung die Aufrüstung der Polizei, die Erweiterung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen und die Verlagerung polizeilicher Eingriffsbefugnisse weit ins Vorfeld von tatsächlich begangenen Straftaten. Mit den geplanten neuen Gesetzen werden auch in Sachsen viele Menschen zu Gefährdern und Gefährderinnen gemacht, nur weil staatliche Stellen mutmaßen, sie könnten Aktionen gegen die staatlichen Organe vorhaben. Sachsen will damit in die Fußstapfen Bayerns treten. Trotz massiver Kritik und Proteste beschloss der bayerische Landtag im Mai 2018 die Gesetzes-Novelle.

Die Initiative für Versammlungsfreiheit Leipzig, die sich als Teil des vor wenigen Wochen ins Leben gerufenen Bündnis „Polizeigesetz stoppen“ versteht, hat nun eine Petition gegen die geplante Verschärfung des sächsischen Polizeigesetzes veröffentlicht, die an den Innenminister des Freistaates Sachsen gerichtet ist.

Dazu erklärt Mitinitiatorin Gesine Oltmanns: „Die Verschärfung des Polizeigesetzes in Sachsen bedroht die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger und damit das, was im Zuge der friedlichen Revolution 1989 so hart erkämpft wurde. Mit der Petition wollen wir ein möglichst breites Spektrum von Menschen erreichen sich für Grund- und Freiheitsrechte zu aktivieren und mit uns gegen die Verschärfung des Polizeirechtes in Sachsen zu kämpfen.

Denn: Dieses Gesetzesvorhaben geht uns alle an. Potentiell alle in Sachsen lebenden Menschen werden damit zu Gefährder*innen, gegen die die Polizei erhebliche Eingriffsbefugnisse in die Hand bekommen soll. Beispielhaft stehen dafür die massive Ausweitung der Videoüberwachung, die Ermächtigung Telekommunikation zu überwachen und zu unterbrechen oder aber die Aufrüstung der Polizeibeamt*innnen mit Handgranaten und Maschinengewehren. Es geht nicht mehr nur um die originäre Aufgabe der Polizei, Straftaten aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu verhindern, nein, die Polizei bekommt quasi geheimdienstliche Kompetenzen in die Hand. Das ist ein Tabubruch, den wir nicht hinnehmen dürfen!“

Um der bundespolitischen Relevanz des sächsischen Gesetzesvorhabens Ausdruck zu verleihen, richtet sich die Petition nicht nur an den Sächsischen Innenminister Roland Wöller, sondern auch an den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser zeichnet als ehemaliger Ministerpräsident Bayerns nicht nur für das bereits beschlossene Polizeiaufgabengesetz in Bayern verantwortlich, sondern hat als Bundesinnenminister mindestens eine Sorgfaltspflicht für bundesweit relevante innenpolitische Fragen. Die Petition erklärt sich nicht zuletzt solidarisch mit den Protesten gegen die Verschärfung von Polizeigesetzen in zahlreichen Bundesländern, die allesamt die Handschrift des bayerischen Vorreiters tragen.

Die Petition kann ab sofort online auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, unterzeichnet werden:
https://weact.campact.de/petitions/grundrechte-schutzen-neues-polizeigesetz-in-sachsen-verhindern

Sachsens neues Polizeigesetz ist vom selben Kaliber wie das in Bayern

Sachsens neues Polizeigesetz ist vom selben Kaliber wie das in Bayern

 

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Kann mir eigentlich mal einer erklären, in welcher Situation der Einsatz einer Handgranate dann gerechtfertigt wäre? Wenn ich an die unzähligen Fälle von Polizeigewalt und die nachweislich bestehenden Verbindungen von einzelnen Polizisten in die rechte Szene denke, geht mein Sicherheitsgefühl beim Gedanken an Polizisten mit Kriegswaffen ehrlich gesagt grad flöten.

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