Am Mittwoch, 14. August, veröffentlichte das Statistische Landesamt die neuen Einwohnerzahlen für den Freistaat Sachsen für den 30. April - fortgeschrieben auf Grundlage des "Zensus 2011". Und noch sind wir 4 Millionen, wir Sachsen. Genauer: 4.042.676. Noch, muss man sagen, denn ganz gestoppt ist der Bevölkerungsschwund in Sachsen ja nicht. Am 31. Dezember 2012 wurden noch offiziell 4.050.204 Sachsen gezählt.

Natürlich könnte sich dieses eierschecke-verliebte Völkchen im Osten Deutschlands auch einmal entschließen, eine Regierung zu wählen, die wieder Bevölkerungszuwachs, Prosperität und Familienfreundlichkeit auf ihre Fahnen schreibt. Aber ist damit wirklich zu rechnen 2014, wenn die Sachsen wieder wählen dürfen? Denken Wähler über so etwas nach? Oder sind sie wie Kneipenbesucher, von denen der Wirt schon weiß, was sie jeden Abend bestellen? – Ein Halber und zwei Kurze? Wie immer?

Denn Bevölkerungsentwicklungen sind ja Resultate. Oft später und lang anhaltende Resultate von politischen – und damit auch Wählerentscheidungen. Und mancher Wähler wird sich natürlich vor jedem Wahlgang fragen: Was wähle ich denn nun am besten, damit es besser wird? – Versprechungen kleben die Parteien jedes Mal, als gäb’s ein Füllhorn auszuschenken. In der Regel reichen die vier Wochen bunter Versprechen, um die Ernte einzufahren – und dann stellt sich sehr schnell heraus, dass es wirklich nicht mehr war als das, was täglich im Werbefernsehen zu sehen ist: eine Verheißung.

Vier Wochen lang tut jeder so, als hätte Politik mit gewissenhafter Arbeit nicht viel zu tun. Und mit Antworten auf solche Fragen wie: Wie schafft man eine stabile regionale Wirtschaft? Wie sichert man eine erstklassige Bildung für alle? Wie sichert man die staatlichen Infrastrukturen in jedem Winkel des Landes? Wie sorgt man dafür, dass die jungen Einwohner Familien gründen können und wollen, ohne dass sie dabei in wirtschaftliche Zwangslagen kommen? Wie sichert man die finanzielle Handlungsfreiheit der Kommunen?

Wer die L-IZ liest, weiß, dass das nur ein paar der Fragen sind, die in den üblichen Legislaturperioden gelöst werden müssen. In Sachsen sind sie nicht gelöst. Bis heute nicht.

Dass die Abwanderung aus dem Freistaat nachgelassen hat, hat ja nicht die Bohne mit einer guten Wirtschafts-, Bildungs- oder Familienpolitik zu tun. Nur damit, dass der Geburteneinbruch ab 1991 dafür gesorgt hat, dass die meisten jungen Leute mittlerweile ein Ausbildungs- und ein Jobangebot finden. Denn eine Wahrheit – nicht nur über die Sachsen – ist ja: Am liebsten bleiben sie da.

Nur halt nicht da, wo die Gegend immer mehr vergreist, die Infrastrukturen (Schulen, Polizeistationen, Ämter, Arztpraxen …) immer weiter zurückgebaut werden und sich nachts Fuchs und Igel gute Naht sagen. Junge Leute wollen teilhaben am prallen Leben, sie wollen was lernen und barrierefrei eine Familie aufbauen. Das können sie in Sachsen zunehmend nur noch in den Großstädten.

Also hält der Zug in die Großstädte weiter an.
Die Landeshauptstadt Dresden wuchs von Dezember bis April von 525.105 auf 525.671. Das geht etwas langsamer vor sich als in Leipzig, trägt sich dafür aber aus etwas höheren Geburtenzahlen.

In Leipzig stehen für April nun 522.433 Einwohner in der Statistik, im Dezember waren es noch 520.838. In Chemnitz ging es von 241.210 auf 241.405 hinauf. Damit wohnen jetzt 31,9 Prozent der Sachsen in den drei Großstädten.

Und das Packen und Umziehen geht weiter. Im Landkreis Leipzig sank die Einwohnerzahl in diesen vier Monaten von 259.207 auf 258.375, in Nordsachsen von 198.629 auf 197.887. Im Direktionsbezirk Leipzig lebten also im April 978.695 Einwohner, genau 21 mehr als im Dezember.

Die sächsischen Statistiker haben auch die Entwicklung seit diesem Zensus-Stichtag im Mai 2011 fürs ganze Land ausgerechnet. Es gibt nach wie vor auch ein paar kleinere Gemeinden, die ein leichtes Bevölkerungswachstum aufweisen. Aber das sind – wie Borsdorf, Brandis, Großpösna und Markkleeberg, Markranstädt und Taucha – fast alles Gemeinden im direkten Speckgürtel der Großstadt.

Die Wachstumskerne bleiben die drei Großstädte. Chemnitz ist mittlerweile recht stabil dabei. Von Dezember 2011 bis April 2013 wuchs hier die Bevölkerung um 862, in Dresden wuchs sie im selben Zeitraum um 7.906 und in Leipzig um 12.390.

Wenn man das noch mit einer klugen und nachhaltigen Wirtschaftspolitik verbinden würde, könnte das neue tragfähige Strukturen ergeben. Aber das braucht ein anderes Politikverständnis, etwas größer denkend und vor allem systematischer.

Korrektur vom 15. August: Ursprünglich waren die Wachstumszahlen für Dresden, Leipzig und Chemnitz mit “von Mai 2011 bis April 2013” engegeben. Wir haben das in “von Dezember 2011” geändert. Ein L-IZ-Leser hat uns freudlicherweise darauf hingewiesen, dass die Zuwächse seit Mai 2011 für die drei Großstädte noch höher ausfallen:

“Unter Berücksichtigung der Zahlen von Mai 2011 sind die Bevölkerungszuwächse noch einmal etwas höher:

Dresden: 525.671 – 31. Dezember 2012: 525.105; + 566 – 9. Mai 2011: 512.354, + 13.317
Leipzig: 522.433 – 31. Dezember 2012: 520.838; + 1.595 – 9. Mai 2011: 502.979; + 19.454
Chemnitz: 241.405 – 31. Dezember 2012: 241.210; + 195 – 9. Mai 2011: 240.253, + 1.152.”

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