Die "Bürgerumfrage 2013" enthält auch ein paar harte Nüsse, bei denen man sich fragt: Warum haben die Dezernate gerade diese Fragen in Auftrag gegeben? Welche Art Politik soll damit begründet werden? Etwa wenn nicht nur die Parkplatzsituation in den Leipziger Ortsteilen, sondern auch die in der Innenstadt abgefragt wird? Dass die meisten Befragten dies mit "Schlecht" beantworten würden, war eigentlich zu erwarten. Aber was soll das?

Vor 20 Jahren hat der Stadtrat entschieden, die Innenstadt möglichst “autoarm” zu machen, die Zufahrt zu regulieren und die vorhandenen Parkräume zu bewirtschaften. Zur Erinnerung: Tatsächlich ging es damals sogar um die Frage: Innenstadt autofrei oder nicht? Einigen Stadträten war sehr wohl bewusst, dass die Leipziger City als Einkaufs- und Tourismusziel nur attraktiv sein würde, wenn sie eben nicht als Dauerparkfläche dient und eher ganze Straßenzüge zu Fußgängerzonen gemacht werden. Man hat sich dann auf den Kompromiss “autoarm” geeinigt, der bekanntlich bis heute immer wieder unterlaufen wird, seien es niedergewalzte Poller oder Hotels, vor denen die Autos der Gäste parken.

Dass die Beurteilung “schlecht” in der Innenstadt eher nicht mit fehlenden Parkplätzen zu tun hat, zeigt die genaue Auswertung im Vergleich mit den Ortsteilen, wo das Fehlen von Parkraum tatsächlich als Hauptproblem gesehen wird. Wenn es denn eins ist – und nicht nur das Unbehagen der Betroffenen, die sich in den vergangen 20 Jahren daran gewöhnt hatten, direkt vorm Haus immer und jederzeit freien Parkraum zu finden. Das hat sich mit den steigenden Zuzug nach Leipzig und dem Anwachsen der Pkw-Zahlen natürlich deutlich verändert. Die Frage ist dann nur: Schiebt man die “Schuld” daran Anderen zu oder ändert man (wenn es möglich ist) seine eigenen Mobilitätsgewohnheiten?

Stichwort: STEP Verkehr.

Oder reagiert die Stadt und verbessert die ÖPNV-Anbindungen deutlich? Ganz heißes Eisen.

Dass freilich die Befragten auch die Parksituation in der Innenstadt für “schlecht” halten, resultiert aus zwei anderen Gründen – aber auch die haben mit dem Verlust von Gewohntem zu tun. 74 Prozent bemängeln “zu wenig kostenfreie Parkplätze”. Und das im Filetstück der Stadt. Und auch ein zweiter Grund hat schlicht mit der Frage zu tun: Wie billig darf’s denn sein? – 63 Prozent der Befragten sind die verlangten Parkgebühren zu hoch, obwohl sie das im Vergleich deutscher Großstädte nicht sind.

Wie gesagt: Bei solchen Antworten fragt man sich tatsächlich, was die beauftragenden Dezernate mit solchen Fragen bezwecken. Denn selbst wenn sie jetzt den Bau weiterer Parkhäuser in die Wege leiten, wird das ohne Parkgebühren nicht abgehen.

Ein heikles Thema, vor allem, weil es auch direkt mit einem anderen Fragenkomplex zusammenhängt zum Klimaschutz in Leipzig. Auch so ein Thema, bei dem die Stadtverwaltung ihre Probleme hat, stringent zu arbeiten. Zwischen Anspruch und Realität klaffen Abgründe, was die jüngst ausgesprochene Mahnung der EU-Kommission zu den von Leipzig nicht eingehaltenen Grenzwerten zur Feinstaubbelastung wieder deutlich gemacht hat.

Kampagnen sind keine Politik. Schon in den Vorjahren interessierte sich die Verwaltung vor allem dafür, wie gut all ihre Klima-Kampagnen bei der Bevölkerung bekannt sind, weniger für die Resonanz auf tatsächlich umgesetzte Klimaschutzprojekte. So klafft ganz beiläufig auch eine hübsche Lücke auf zwischen der Bekanntheit der “Klimaschutz-Kampagnen der Stadt Leipzig” (20 Prozent) und dem Wunsch der Hälfte der Befragten nach mehr Informationen zum Klimaschutz in Leipzig. So richtig fühlt man sich von der Stadt also nicht informiert und auf leipzig.de würden nur 17 Prozent der Befragten nach solchen Informationen suchen. 48 Prozent meinen, dass diese Informationen ganz klassisch über die Medien erfolgen sollten.

Und noch deutlicher wird das bei der Frage: Sollte Leipzig mehr für den Klimaschutz tun?

42 Prozent der Befragten antwortete darauf mit einem klaren “Ja” (2012 waren das noch 35 Prozent), 55 Prozent mit einem “möglicherweise” (2012: 59 Prozent). Der Bedarf an Informationen wächst also. Und zwar über alle Altersgruppen.

Was auch Gründe hat. Gerade in den innerstädtischen Quartieren sind viele Leipziger mit der Luftqualität nicht (mehr) zufrieden. Während in Ortsrandlagen über 80 Prozent der Befragten zufrieden sind mit der Luftqualität, sinkt dieser Wert in Richtung Stadtmitte kräftig ab, erreicht in Ortsteilen wie Lindenau, dem Zentrum-Süd aber auch der Innenstadt selbst Werte von unter 50 Prozent. Alles Ortsteile mit hoher Verkehrsbelastung. Womit man eben bei der Mahnung der EU-Kommission wäre – denn die beiden Messstationen zur Luftbelastungen stehen genau hier – in Lindenau in der Lützner Straße und in der Mitte Am Hallischen Tor.
Und das ergibt natürlich die Frage: War die Einführung der Umweltzone 2011 nun sinnvoll oder nicht?

32 Prozent der befragten Leipziger sagen “Ja”, 55 Prozent sagen “Nein”.

Bei Schülern und Studierenden sagen 53 Prozent “Ja”. Und gerade Männer meinen, sie habe keinen Sinn. Nur 26 Prozent der Männer stimmen mit “Ja”.

Nicht gefragt hat die Stadt freilich danach, ob die gewählte Größe der Umweltzone als sinnvoll empfunden wird oder ob sie genug kontrolliert wird. Tatsächlich haben nämlich nur 8 Prozent der Befragten ihr Mobilitätsverhalten mit Einführung der Umweltzone verändert. Wenn aber 92 Prozent ihr Verhalten nicht ändern, was soll sich da am Effekt ändern?

Dabei sind zumindest 44 Prozent der Leipziger der Meinung, dass mehr Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ergriffen werden sollten. Ein Widerspruch? – Nicht unbedingt. Denn solche Haltungen – das zeigt die Bürgerumfrage exemplarisch – hängen immer mit der direkten Betroffenheit zusammen. Im Zentrum wünschen sich 57 Prozent der Befragten mehr Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Übrigens ein Wert, der auch mit der Betroffenheit als Verursacher bzw. Nicht-Verursacher zusammenhängt: In den innerstädtischen Ortsteilen liegt der Autobesitz mittlerweile unter 50 Prozent – hier leben zunehmend Menschen, die sich umweltbewusst verhalten und auf das Auto verzichten – die aber unter der dicksten Luft in Leipzig leiden.

Auch unter der Bequemlichkeit all derer, die unbedingt mit ihrem Auto in die City wollen und dort auch noch kostenlose Parkplätze erwarten.

Dabei ist es in der Realität nur eine Minderheit, die mit dem Pkw in die City fährt – 24 Prozent der Befragten 2013. 43 Prozent fahren mit Straßenbahn und Bus hin, 15 Prozent mit dem Fahrrad, 17 Prozent laufen zu Fuß. Wie gesagt – man schüttelt den Kopf und fragt sich, warum die Verwaltung vor so einem Hintergrund nach der Parkplatzsituation in der Innenstadt fragt? Das Auto ist nicht das Hauptverkehrsmittel, mit dem die Leipziger in die City fahren.

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Das Auto spielt in einem ganz anderen Zusammenhang eine Rolle, nämlich dann, wenn die Leipziger zur Arbeit müssen. Mit Betonung auf müssen. Denn wenn es um Arbeit geht, können sich Leipziger keine langen Überlegungen leisten, wie sie zu ihrer Arbeitsstelle kommen. Wenn ÖPNV-Anbindung oder gute Radwege da sind und die Entfernungen nicht zu groß sind, nehmen sie Bahn, Bus oder Fahrrad. Innerhalb Leipzigs tun das 56 Prozent der Befragten. Aber auch da gibt es durchaus Bereiche, wo die Anbindung mit dem ÖPNV eher dünn ist – was auch innerhalb Leipzigs 44 Prozent mit dem Auto zur Arbeit fahren lässt.

Noch ganz anders sieht das Bild aus, wenn die Leipziger außerhalb der Stadt zur Arbeit müssen, wo die ÖPNV-Verbindungen deutlich dünner sind oder schlicht keine ordentlichen Tarife im MDV existieren. Von denen, die außerhalb Leipzigs arbeiten, sind 81 Prozent aufs Auto angewiesen, nur knapp 20 Prozent können mit ÖPNV oder Fahrrad hinkommen. Was ja – weil einige Tausend Arbeitsplätze in den letzten Jahren außerhalb der Leipziger Stadtgrenzen entstanden – dazu geführt hat, dass der Anteil der Pkw-Fahrten im “Modal Split” wieder zugenommen hat.

Aber konfrontiert mit den Befragungsergebnissen zum Klimaschutz zeigt sich auch deutlich: Die Verschiebungen haben auch damit zu tun, dass in der Stadtpolitik die reine Arbeitsplatzpolitik in den letzten Jahren (auch verständlicherweise) Vorrang hatte. Was aber nicht bedeuten kann, dass das Umweltdezernat in Dörnröschenschlaf verfällt.

Also machen wir im nächsten Teil mit der Meinung der Leipziger zum Umweltschutz weiter.

Der Bericht ist für 15 Euro (bei Versand zuzüglich Versandgebühr) erhältlich beim Amt für Statistik und Wahlen und steht kostenfrei zum Download auf www.leipzig.de/statistik unter der Rubrik “Veröffentlichungen” zur Verfügung.

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