Leipzig wächst und wächst und wächst. "Leipzig kratzt an der 550.000 Einwohnermarke", meldeten Leipzigs Statistiker am 28. November. 549.792 Einwohner hatte das Leipziger Einwohnerregister am 31. Oktober ausgewiesen. Und damit bestätigt, dass es auch 2014 so weiter ging wie 2013: Jedes Jahr kommen etwa 10.000 Einwohner dazu. Und das Verblüffende ist: Die Stadt verkraftet das.

Es ist, als wüchse mit der Stadt auch wie selbstverständlich das Arbeitsplatzangebot. Und auch wenn es zumeist Arbeitsplätze in der Dienstleistung sind – sie machen zunehmend mehr Leipziger unabhängig. Schon vor Ausbruch der Finanzkrise 2008/2009 gab es einen Anstieg der Erwerbsarbeit in Leipzig. 2009 sorgte die Depression dann kurz für einen Rückgang. Aber seit 2010 wächst der Anteil der Leipziger, die sich ihren Lebensunterhalt mit einem Erwerbseinkommen sichern, kontinuierlich: von 51 Prozent stieg der Anteil auf 54 und 56 Prozent. 2013 waren es schon 58 Prozent.

Die Schattenseite: Den Menschen, die schon seit Jahren in “Hartz IV” feststecken, hat das nicht geholfen. Ihr Anteil blieb stabil bei 8 Prozent. Aber woher kamen dann die zusätzlichen Erwerbstätigen? Natürlich sind das vor allem die jungen Leute, die mit ihrer Ausbildung fertig werden und auch mit Kusshand genommen werden. So verwandelt sich die vor allem junge Leipziger Zuwanderung auch umgehend in junge Beschäftigung.

Dafür schmilzt der Anteil der Leipziger, die ihren Lebensunterhalt allein mit Renten bestreiten. Von 30 Prozent auf 27 Prozent – so zumindest weist es die Bürgerumfrage aus. Ein Effekt der sich verjüngenden Stadt, der sich auch in der Einkommensentwicklung einzelner Ortsteile spiegelt. Denn wer in einen gut dotierten Job kommt, bevorzugt natürlich auch bestimmte Wohnlagen. Wo dann wieder die Durchschnittseinkommen steigen. Kann man das schon Gentrifizierung nennen? Vielleicht nicht. Dennoch entwickeln sich Wohnlagen auseinander, entstehen reichere und ärmere Quartiere.

Die einkommensstärksten Quartiere sind schon lange nicht mehr die Ortsteile am Stadtrand. Schon seit geraumer Zeit hat sich das Waldstraßenviertel (Zentrum-Nordwest) wieder zum Lieblingswohnquartier der Besserverdienenden gemausert. 2013 konnte hier die Bürgerumfrage ein durchschnittliches Nettomonatseinkommen von 1.558 Euro ermitteln, das waren sogar 152 Euro mehr als 2011. Wer in Leipzig in sowieso schon lukrativen Stellungen arbeitet, profitiert in der Regel auch von den regelmäßigen Tarifsteigerungen.

Mittlerweile mausern sich aber auch andere Ortsteile zu Lieblingsorten der Besserverdienenden. Allen voran das Grafische Viertel (Zentrum-Ost), das 2013 mit einem Durchschnittseinkommen von 1.466 Euro auftaucht, die Westvorstadt (Zentrum-West) mit 1.420 Euro und dann Ortsteile wie Dölitz-Dösen (1.412 Euro), Gohlis-Süd (1.406 Euro) und – kleine Überraschung – Wahren mit 1.406 Euro.

Das Erstaunliche: Wenn es um Haushaltseinkommen geht, ist Wahren gar nicht mehr vorn dabei. Da tauchen dann jene Ortsteile auf, die bei Familien besonders beliebt sind. Wahren leidet ein bisschen unter Vereinsamung.Bei den Haushaltseinkommen liegen das Waldstraßenviertel (2.425 Euro), Wiederitzsch (2.364 Euro), Lützschena-Stahmeln (2.301 Euro) vorn. Gefolgt von Ortsteilen wie Lindenthal und Schleußig. Mit Ausnahme Schleußigs alles auch Ortsteile mit starkem Eigenheimanteil und vor allem – hohem Anteil an Erwerbseinkommen. Während im Stadtdurchschnitt 58 Prozent der Leipziger von Erwerbseinkommen leben, sind es in Schleußig stattliche 79 Prozent, im Zentrum 77 Prozent und in Kleinzschocher 76 Prozent.

So gibt es dann etwas reichere Viertel – und statistisch etwas ärmere. Nur dass ein geringer Durchschnittsverdienst nicht immer bedeutet, dass im Quartier vor allem ALG-II-Empfänger leben. Oder gar, dass ein Ortsteil wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast ist, auch wenn das die Pfeile in der Tabelle zum Monatseinkommen suggerieren – für Neu- und Altlindenau zum Beispiel oder Plagwitz. Denn diese drei Ortsteile sind in den letzten Jahren vor allem für junge Zuwanderer, Kreative und Studierende attraktiv geworden, alles Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen, die hier als Siedlungspioniere dafür sorgen, dass erst einmal Leben in die Bude kommt.

Und da ist man sehr schnell wieder bei dem, was die Bürgerumfrage zur Zufriedenheit der Leipziger ermittelt hat. Denn am zufriedensten sind die Bewohner jener Wohnviertel, die mittlerweile saturiert sind – wie das Waldstraßenviertel mit einem Zufriedenheits-Pegel von 92 Prozent oder Baalsdorf mit 93 Prozent. Hier ist man angekommen im Leben, wohnt gediegen, verdient gut. Da bleiben nicht mehr viele Wünsche offen.

Was aber in den Pioniervierteln anders ist. Da verbinden sich die jungen, noch unfertigen Lebensentwürfe auch noch mit einer hohen Unzufriedenheit: Man will noch was ändern und ist noch nicht satt. Zum Teil erzählen die niedrigen Zufriedenheitspegel natürlich auch von sozialen Malaisen. Auch die 46 Prozent in Altlindenau, stärker noch die 30 Prozent in Volkmarsdorf, die 39 Prozent in Neustadt-Neuschönefeld oder die 42 Prozent in Anger-Crottendorf.

Da könnte man dann annehmen, die Leute im Leipziger Westen und im Leipziger Osten müssten jetzt auch die sein, die besonders oft umziehen wollen. Aber auch da zeigt die Bürgerumfrage 2013 Erstaunliches. Zwar sind hier die Umzugsabsichten besonders hoch. Aber damit sind die jungen Wilden gar nicht allein.

Mehr dazu im nächsten Teil. Gleich hier.

Der Bericht ist für 15 Euro (bei Versand zuzüglich Versandgebühr) erhältlich beim Amt für Statistik und Wahlen und steht kostenfrei zum Download auf www.leipzig.de/statistik unter der Rubrik “Veröffentlichungen” zur Verfügung.

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