Warum Leipzig wächst, kann man natürlich aus den bloßen Zahlen ablesen. Erstmals gab es 2014 einen Geburtenüberschuss in Leipzig. Oder, wie auch Statistikmann Peter Dütthorn genüsslich wiederholt: "Zum ersten Mal seit 1965." Fast 50 Jahre war es her, dass in Leipzig mal mehr Kinder geboren wurden, als Einwohner starben. Die Zahl aus dem Statistischen Jahrbuch besticht: 595.660 Einwohner hatte Leipzig damals, im Babyboomer-Jahr 1965.

Und das auf einer Stadtfläche, die deutlich kleiner war als das heutige Leipzig, in einer Stadt, in der es auch noch keine Plattenbaugebiete gab in Paunsdorf, Mockau-Nord, Grünau. Da kann man heute durch die Stadt fahren und sich fragen: Ja, wo haben die denn alle gewohnt?

Gute Frage. Zumindest lebten die Leipziger damals mit deutlich mehr Personen in jeder Wohnung, die Kinderzahl war höher und in normalen Mietshäusern war es kein Problem, eine komplette Kinderfußballmannschaft auf die Beine zu stellen. Wie dicht die Leipziger damals noch beieinander lebten, zeigt eine Zahl: 4.216 Menschen lebten damals auf einem Quadratkilometer. 1998, im Jahr kurz vor der nächsten Eingemeindungswelle, ist dieser Wert im damaligen Stadtgebiet auf 2.432 abgesunken.

Natürlich sind das Durchschnittswerte fürs ganze Stadtgebiet. Einzelne Ortsteile liegen natürlich auch heute deutlich drüber – auch über dem Durchschnittswert von 1965.

Und jetzt kommt etwas für die Stammtischbrüder der Leipziger Stadtdiskussion. Denn auch 2014 herrschte die größte Bevölkerungsdichte just in jenem Ortsteil, der in einigen Medien gern als absoluter Problemstadtteil dargestellt wird, weil man dort mehr Kriminalität ausgemacht haben will. Es ist Neustadt-Neuschönefeld mit einer Einwohnerdichte von 12.924 Einwohner je Quadratkilometer. Hier wohnen nicht nur viele Migranten, sie leben auch noch dichter beieinander als die durchschnittlichen Leipziger. Auch das ist ein Faktor, der zu vermehrten Konflikten führt. Und auch das benachbarte Volkmarsdorf gehört mit mittlerweile 9.519 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den am dichtesten besiedelten Leipziger Ortsteilen. In diese Kategorie gehören noch die Südvorstadt mit 10.119, Reudnitz-Thonberg mit 9.817, Grünau-Mitte mit 9.773 und Gohlis-Mitte mit 12.233.

Und dann kommt lange nichts, folgen in den 8.000ern erst einmal Plagwitz, Grünau-Nord und Gohlis-Süd. Da die 1999/2000 eingemeindeten Dörfer viel Fläche und eher wenig besiedeltes Gebiet eingebracht haben, liegt der aktuelle Schnitt der Bevölkerungsdichte insgesamt bei 1.856.

Man sieht, dass sich da in einigen Ortsteilen wieder sehr dichte und sehr ursprüngliche Qualitäten entwickelt haben, die auch teilweise mit deutlich höheren Kinderzahlen einhergehen. Zumindest verglichen mit dem, was in den vergangenen 20 Jahren zu erleben war. Die Verhältnisse von 1965 bleiben erst einmal Utopie, auch wenn OBM Burkhard Jung von der Einwohnerzahl 600.000 träumt.

Das ist durchaus realistisch. Wenn das so weitergeht.

Aber Fakt ist auch: Selbst die neue “Rekordgeburtenzahl” von 6.253 im Jahr 2014 (die 2015 mit ziemlicher Sicherheit übertroffen wird) reicht nicht aus, um ein langfristig wirklich tragendes Bevölkerungswachstum dieser Größenordnung zu erzeugen. Ganz zu schweigen davon, dass die 1965er Zahl von 595.000 Einwohnern im Jahr 2015 bei der heutigen Stadtfläche einer Zahl von 655.000 Einwohnern entsprechen würde. Schon diese Zahl macht deutlich, was für Welten zwischen der Wirklichkeit des Jahres 1965 und der Muskelspielerei des Jahres 2015 liegen.

Erstmals seit 1965 gab es dann wieder diesen so wichtigen kleinen Geburtenüberschuss von 400, weil nur 5.853 Leipziger gestorben sind in diesem Jahr.

Aber gewachsen ist Leipzig ja insgesamt um 12.917 Einwohner. Und den größten Teil steuerten logischerweise die Zuwanderungen bei. Und da wird dann richtig sichtbar, wie sehr das Leipziger Bevölkerungswachstum von den äußeren Bedingungen abhängt. Es ist ein induziertes Wachstum, das fast völlig davon abhängt, dass mehr (junge) Menschen nach Leipzig zuziehen als wieder wegziehen.

2014 gab es da neue Rekorde: Erstmals zogen 36.412 Menschen nach Leipzig, 24.009 zogen wieder weg. Und wer im Statistischen Jahrbuch auf Seite 45 blättert, der sieht eine ganze Spalte mit Pluszeichen gefüllt: Leipzig hat quasi mit der gesamten Bundesrepublik ein positives Wanderungssaldo. Es profitiert wie keine andere Stadt von Zuzügen. Und das macht den Leipziger Statistikern berechtigterweise Sorgen, denn ein nachhaltiges Wachstum aus eigener Kraft sieht nun einmal anders aus.

Wie aber soll man nun die Entwicklung der nächsten Jahre berechen? Geht das überhaupt noch?

Mehr dazu gleich an dieser Stelle.

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