Sachsen schrumpft wieder. Das geht sogar schon ein Weilchen so. Aber die neuesten Zahlen aus dem Statistischen Landesamt zeigen es überdeutlich. Auch wenn sie jetzt erst einmal nur aus dem Juni 2017 stammen. Aber schon 2016 machte sich bemerkbar, dass in Deutschland die Schotten hochgezogen wurden. Statt einer klugen Zuwanderungspolitik macht man „Heimatpolitik“. So alt sah deutsche Politik wirklich seit 50 Jahren nicht mehr aus.

Es geht um nationale Selbstbilder, die nicht zueinander passen – die einer als homogen und überschaubar empfundenen Sicht auf „Heimat“ auf der einen Seite, und die auf ein modernes Land, das nur deshalb wirtschaftlich prosperiert, weil es im internationalen Wettbewerb mithalten kann. Und Letzteres kann es nur, weil es offen ist für kluge Köpfe und qualifizierte Zuwanderung.

Das eine ist die konservierende, abschottende Sicht. Das andere die dynamische, weltoffene. Sie liegen seit Jahrzehnten im Streit. Und zwar gerade in jenen Bundesländern, die sich in ihren Regierungseliten der konservierenden Sicht verschrieben haben. Sachsen natürlich vorneweg. Was unter der nie erklärten Politik Stanislaw Tillichs (CDU) geradezu schizophrene Züge annahm – nicht nur in einer rigiden und völlig überholten Familienpolitik, sondern auch in rigiden Reformen, die den Staatsapparat in Teilen regelrecht lahmlegten, die Eigenständigkeit der Hochschulen beschnitten und die Kluft zwischen den verbliebenen drei Großstädten und dem ländlichen Raum immer weiter aufreißen ließen.

Statt sich als Regulator in der Abwanderungsbewegung einzuschalten, hat Sachsens Regierung den Trend verschärft. Es war eigentlich zwangsläufig, dass sich gerade die eh schon überforderten ländlichen Räume erst recht überfordert fühlen würden, als die syrischen Flüchtlinge per Dekret übers Land verteilt wurden. Kommunikation? Fehlanzeige.

Aber da auch in der Bundesrepublik ganz ähnlich agiert wurde und die Zuwanderung der Flüchtlinge 2016 rigide abgeschnitten wurde, ist das Ergebnis für Sachsen eindeutig: Seit 2016 schrumpft das Land wieder. Ist also auf den alten Schrumpfkurs, der bis 2013 galt, zurückgekehrt.

Und dabei war die Zuwanderung durch die Flüchtlinge geradezu marginal. In Spitzenzeiten waren 63.000 in Sachsen. Das ist eine lächerlich geringe Zahl. Allein seit 1999 hat Sachsen über 400.000 Einwohner verloren – durch Abwanderung vor allem junger Menschen und durch eine zunehmende Vergreisung mit entsprechenden Sterbefällen.

Seit 1990 waren es sogar 700.000. Aber der Vergleich zeigt schon, wie negativ sich die CDU-Politik unter Milbradt und Tillich ausgewirkt hat. Beide Ministerpräsidenten waren ratlos, wie das demografische Problem angepackt werden könnte. Milbradt hat wenigstens versucht, es herauszubekommen. Aber mit dem Wechsel zu Tillich trat komplettes Schweigen ein.

Das eigentlich bis heute regiert. Man spielt lieber weiter Gießkanne, als sich wirklich mit den Problemen der Kommunen und ihrer Einwohner zu beschäftigen.

Ergebnis: Nach dem kurzen Anstieg der sächsischen Bevölkerung von 4.055.274 (2014) auf 4.084.851 (2015) sank die Bevölkerungszahl schon 2016 wieder auf 4.081.783. Und die jüngsten Zahlen für 2017 zeigen nun, dass dieses Schwinden der Bevölkerung wieder so ungebremst weitergeht wie vor der Aufnahme der Flüchtlinge.

4.077.464 Einwohner meldet das Statistische Landesamt für Juni 2017. Das heißt: Binnen weniger Monate hat Sachsen 4.319 Einwohner verloren.

Und auch das alte Wanderungsmuster ist wieder sichtbar: Die drei Großstädte gewannen 4.569 Einwohner hinzu (die meisten übrigens Leipzig mit 4.267), während die Landkreise 8.888 Einwohner verloren. Es gibt augenscheinlich nichts mehr, was junge Menschen dort hält. Fast alle Landkreise verloren über 1.000 Einwohner. Fast schon eine Ausnahme waren die leipzignahen Landkreise Nordsachsen und Leipzig, wo es nur Verluste von 303 bzw. 298 gab.

Direkte Umlandgemeinden wie Zwenkau, Markranstädt, Machern, Markkleeberg und Taucha haben natürlich wieder dazugewonnen. Sie profitieren von der Nähe zum wichtigsten Wachstums-Hotspot des Freistaats. Aber auch Gemeinden an der S-Bahn-Strecke haben die Chance nutzen können und Einwohner hinzugewonnen: Eilenburg und Torgau.

Andere haben die Werbetrommel noch nicht ausgepackt, werden deshalb als Wohnalternative zu Leipzig auch noch nicht wahrgenommen und verlieren erst einmal weiter – so wie Oschatz, Delitzsch, Böhlen. Da hat es noch nicht wirklich Klick gemacht.

Und eine Stadt, die in der Vergangenheit noch wuchs, hat 2017 augenscheinlich ihre Attraktivität eingebüßt: Schkeuditz. Möglicherweise wird es dort langsam zu laut.

Die Stadt Leipzig steht jetzt offiziell mit 575.355 Einwohnern für den Juni 2017 in den Büchern. Das ist eine wichtige Zahl, denn sie bestimmt auch den Anteil der Stadt an all den Zuweisungen des Landes, die nach Einwohnerzahl ausgereicht werden.

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Also ist Wachstum Selbstzweck?
Anderes vermag ich weder diesem noch anderen Artikeln zum Thema zu entnehmen.
Oder soll Wachstum der Erhöhung der Schlüsselzuweisungen dienen, die wiederum nur wegen des Wachstums erhöht werden sollen?

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