So richtig klug wird man aus den Zahlen, die als Bedarf an sozialem Wohnungsbau für Leipzig genannt werden, nicht. SPD-Oberbürgermeisterkandidat Burkhard Jung zog mit dem Versprechen in den Wahlkampf, bis 2027 10.000 neue Sozialwohnungen zu schaffen. Als der Grünen-Abgeordnete Wolfram Günther im Frühjahr 2019 beim zuständigen Innenminister anfragte, wusste der freilich nur von einem Bedarf von 4.437 Sozialwohnungen für Leipzig bis 2025.

Binnen eines Jahres hatte sich der Leipziger Bedarf scheinbar halbiert. Denn im Dezember 2017 hatte Leipzig bis 2025 noch einen Bedarf von 10.400 neuen Sozialwohnungen angemeldet. Noch im April 2019 korrigierte Christopher Zenker, Stadtrat der SPD, den tatsächlichen Bedarf bis 2025 auf 12.000 neue Wohnungen im geförderten Segment.

Dabei wird immer wieder deutlich, dass die Leipziger Planungsinstanzen immer wieder versuchen, irgendwie mit den viel zu knappen Fördergeldern des Freistaats zu operieren, die eben nicht die nötigen 1.300 bis 1.400 neuen Sozialwohnungen pro Jahr ermöglichen, sondern nur etwas mehr als 700. So hält die Staatsregierung die großen Metropolen knapp und versucht mit einem völlig unsinnigen Mittel den Zuzug in die großen Städte zu stoppen.

Der auch in den nächsten fünf Jahren unvermindert weitergehen wird, denn dem neuen Strukturminister Thomas Schmidt (CDU) ist nicht wirklich zuzutrauen, dass er wirklich wirksame Strukturentwicklungsprogramme für die ländlichen Regionen auf die Beine stellt. Wenn aber in den ländlichen Regionen die Infrastrukturen weiter ausdünnen und keine qualifizierten Arbeitsplätze wirklich Lebensperspektiven für junge Familien bieten, werden die jungen Leute weiter ihre Koffer packen und in die Großstadt ziehen. Oder in deren direktes Umland. Nordsachsen und der Landkreis Leipzig profitieren ja mittlerweile davon, dass in Leipzig die bezahlbaren Wohnungen für Familien rar geworden sind.

Das einzige Segment, das „boomt“, ist der Luxuswohnungsbau. Doch in vielen Stadtteilen funktioniert er nicht, werden die Makler die Wohnungen für 12, 11 oder auch 10 Euro pro Quadratmeter nicht los.

Jetzt hat Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete der Linken, nachgefragt, wie die neuen Bedarfsmeldungen aus den Landkreisen und Kreisfreien Städten aussehen. Und siehe da: Die 2018 gemeldeten 4.437 benötigten Sozialwohnungen für Leipzig müssen einem amtlichen Kuddelmuddel entsprungen sein. Denn für Ende 2018 meldet die Staatsregierung jetzt aus Leipzig eine Bedarfsanmeldung für 10.353 neue Sozialwohnungen bis 2025.

Eine Zahl, die mit den bislang verfügbaren Fördergeldern für sozialen Wohnungsbau nicht zu erreichen ist. Dresden meldete mit 10.000 Wohnungen einen ähnlich hohen Bedarf.

Hintergrundmusik ist natürlich auch das Auslaufen der Sozialbindung für jene Sozialwohnungen, die in den 1990er Jahren gefördert worden waren, bis Sachsen über fast zwei Jahrzehnte die Förderung des Sozialwohnungsbaus komplett aussetzte.

Im Ergebnis verloren allein in Leipzig im Jahr 2015 über 20.000 Wohnungen ihre Bindung, rutschte der offizielle Bestand von Sozialwohnungen von 20.539 auf 391 Sozialwohnungen zusammen. Was nicht bedeutet, dass hier jetzt gleich Luxusmieten fällig wurden. Oft steht für diese Wohnungen jetzt sogar die nächste Sanierungswelle an. Aber die wild abfallenden Zahlen zeigen, wie wenig Kontinuität in der Wohnungsbaupolitik von Bund und Freistaat herrschen. Man versucht mit künstlichen Verknappungen Prozesse zu stoppen, die man auf anderen Politikfeldern geradezu befeuert.

Jetzt steht natürlich die Frage, wann Sachsen den beiden Großstädten tatsächlich genug Fördergelder bereitstellt, um den Bedarf auch zu bauen. Und wann es vor allem so viel wird, dass sozialer Wohnungsbau nicht nur ein Nischenthema bleibt, jenes berühmte Drittel, das Investoren gnädig mitbauen, wenn sie große Wohnquartiere für 10-Euro-Mieter bauen.

Allein in Leipzig fehlen über 10.000 Sozialwohnungen und 40 Millionen Euro sind viel zu wenig

Allein in Leipzig fehlen über 10.000 Sozialwohnungen und 40 Millionen Euro sind viel zu wenig

 

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