Gerade beim Wohnen wird für immer mehr Menschen spürbar, was es bedeutet, wenn „der Markt“ alles regeln soll – aber nicht wirklich regelt, weil nur noch Wohnungen gebaut werden, die sich Gering- und Normalverdiener gar nicht leisten können. Und gerade Sachsens Großstädte merken jetzt was es bedeutet, dass jahrelang nicht eine einzige Wohnung mit Mietpreisbindung gebaut wurde, gern als Sozialwohnung bezeichnet. Rund 25.000 Sozialwohnungen fehlen in Sachsen.

Das haben jetzt die Grünen bei der Staatsregierung erfragt, die sich unter dem einstigen Innenminister Markus Ulbig (CDU) über Jahre regelrecht schwerhörig stellte, wenn das Thema auf den Tisch kam. Der Bund stellte zwar Fördergelder für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung, aber Sachsen verwendete auch diese Gelder lieber zur Wohneigentumsförderung.

Was auch damit zu tun hatte, dass Sachsens CDU sich nicht wirklich für die Probleme der Großstädte interessierte. Es sind aber die Großstädte, wo der bezahlbare Wohnraum knapp geworden ist. Und die jungen Menschen auf Arbeitssuche ziehen nicht dahin, wo es sich der Innenminister wünscht, nur weil da billige Wohnungen zu finden sind. Sie ziehen der hochqualifizierten Arbeit hinterher und die entsteht fast nur noch in den Großstädten – wo dann folgerichtig Wohnungen aller Preisklassen knapp werden.

An so einer Stelle muss Politik reagieren. Sachsen hat viel zu spät reagiert. Der soziale Wohnungsbau hat – mit einigen hundert Wohnungen – gerade erst wieder begonnen. Das bislang gewährte Förderprogramm zum sozialen Wohnungsbau wird nicht reichen, schon gar nicht, um den von den Städten selbst gemeldeten Bedarf zu decken.

Sachsen braucht bis zum Jahr 2025 fast 25.000 neue Sozialwohnungen. Das ergab die Antwort von Innenminister Prof. Roland Wöller (CDU) auf eine Kleine Anfrage von Wolfram Günther, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Sächsischen Landtag, in der der aktuelle Bestand an Sozialwohnungen in Sachsen abgefragt wurde (Drucksache 6/15437).

Per Jahresende 2017 gab es sachsenweit 11.623 Wohnungen mit Mietpreisbindung, allein 10.190 davon in Dresden. In Leipzig ist der Bestand dagegen auf 313 Wohnungen gesunken, in Chemnitz waren es noch 131 Wohnungen. Bis zum Jahr 2025 wird der Bedarf mit 24.552 Sozialwohnungen weit höher eingeschätzt.

„Die stagnierende Entwicklung bei den Sozialwohnungen unterstreicht, dass ohne eine strategische Wohnraumpolitik im Freistaat die von den Städten und Gemeinden geschätzten Bedarfe an Sozialwohnungen in Sachsen deutlich verfehlt werden“, kommentiert Wolfram Günther die nicht mehr verständliche Knauserpolitik der Staatsregierung.

„Allein in Leipzig fehlen über 10.000 Sozialwohnungen. In Dresden sind es trotz hohem Bestand weitere 12.500. Woher diese in den nächsten Jahren herkommen sollen, kann Innenminister Wöller nicht beantworten. Denn es fehlt in Sachsen an einer Wohnraumstrategie. In Dresden und Leipzig sind die steigenden Mieten schon jetzt ein enormes Problem. Auch Chemnitz wird die Strategielosigkeit dieser Staatsregierung bald mächtig auf die Füße fallen. Wir brauchen endlich eine Wohnraumstrategie in Sachsen, die die Mieten in den wachsenden Großstädten dämpft.“

Die alte Strategie, die Großstädte knappzuhalten und gegen die Landkreise auszuspielen, funktioniert nicht. Sie bremst auch nicht die Abwanderung aus den ländlichen Räumen. Man kann junge Menschen nicht dazu verdonnern, an Ort und Stelle zu bleiben, wenn dort keine Chancen auf eine erfüllende Berufskarriere bestehen.

„Die Staatsregierung muss die Großstädte beim Bau von Sozialwohnungen weit stärker unterstützen als bisher geplant, anstatt Eigenheime auf der grünen Wiese zu fördern. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, wird der Wohnungsmarkt in den sächsischen Städten bald in heftige Schwierigkeiten geraten“, betont Wolfram Günther. Die Landtagsfraktion der Grünen habe in den Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2019/2020 extra beantragt, 200 Millionen Euro Landesmittel pro Jahr für die Förderung von sozialem Wohnungsbau bereitzustellen. Damit hätten etwa 5.000 Wohnungen im Jahr gefördert werden können. Die CDU/SPD-Koalition hatte den Antrag Mitte Dezember 2018 abgelehnt. Für 2019 sind nun nur 40 Millionen und für 2020 nur 50 Millionen Euro vorgesehen.

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