Die OBM-Kandidatin Barbara Höll kritisiert die CDU für ihren Versuch, eine Abstimmung der Leipziger über die drei Siegerentwürfe für das "Freiheits- und Einheitsdenkmal" auf den Weg zu bringen. Sie kritisiert es auch als Kneifen vor einem richtigen Bürgerentscheid, wie ihn die Linksfraktion über das Denkmal will.

Zwar kritisierten auch die Grünen, niemand wisse, wie ernst zu nehmen die vehemente Kritik aus der Bürgerschaft an den Entwürfen ist. Aber auch das Gegenteil wissen sie nicht: Wie viel Zustimmung ist überhaupt da für das, was der künstlerische Wettbewerb an Ergebnissen gebracht hat?

Es ist ein Unterschied, ob man die Ergebnisse der Bürgerumfrage aus dem Januar und Februar 2011 als Begründung nimmt, dass die Akzeptanz der Leipziger für das Denkmal recht hoch sei. Oder ob man die Zustimmung an den im Juli 2012 ganz konkret vorgestellten Wettbewerbsbeiträgen misst.

Denn was zu befürchten war, als der Wettbewerb für Landschaftsarchitekten und Planerbüros geöffnet wurde, trat genau so ein: Leipzig bekam keine künstlerischen Wettbewerbsbeiträge und auch keine Denkmalentwürfe, sondern landschaftsplanerische Entwürfe.

Mögen vielleicht all die engagierten und klugen Landschaftsplaner und Architekten nicht gern hören, die sich in diesem Wettbewerb eingebracht haben. Aber die schöne Idee von OBM Burkhard Jung, den Wettbewerb für Landschaftsplaner und Architektenkollektive zu öffnen, hat ihn als künstlerischen Wettbewerb ad absurdum geführt.

Wenn es um witzige und kreative Raumgestaltungen geht, kann sich Manches, was in der Endrunde des Wettbewerbs in Form gegossen wurde, sehen lassen. Alle 38 in der Unteren Wandelhalle gezeigten Entwürfe genügten dem stadtgestalterischen Anspruch, eine eindrucksvolle Gestaltung für einen bislang undefinierten Platz zu finden, der künftig – unter anderem – die Ideale des Herbstes 1989 symbolisieren soll.

Mehr nicht.

Was fehlt, sind die Künstler.
Und so hatten nicht nur die Journalisten, die Anfang Juli die ausgewählten Entwürfe zum ersten Mal sahen, dieses seltsame Gefühl, schon wieder in das Andersen-Märchen von des Kaisers neuen Kleidern geraten zu sein und einem Oberbürgermeister dabei zuzuschauen, wie er sich in ein buntes Spielzeug verguckte. Vielen Besuchern der Ausstellung und des Online-Dialogs ging es ähnlich. Sie äußerten sich auch so, auch wenn immer wieder auch die Frage aufkam, warum man sich als Zeitzeuge des Herbstes 1989 partout in keinem Entwurf wiederfinden mochte.

Was eigentlich egal ist. Denkmäler sollten, wenn sie gut sind, über Generationen und Jahrhunderte hinaus wirken und beeindrucken. Nicht nur für die betroffene Generation.

Doch: Das Denkmal fehlt.

Es ist nicht da.

Ob es eine so gute Idee war, den beabsichtigten Bürgerentscheid mit der OBM-Wahl am 27. Januar zu verknüpfen, muss sich die Linke selbst überlegen. Jedenfalls hat sie mit dieser Verbindung mit der OBM-Wahl eines geschafft: Die Reihen gegen sich zu schließen. Denn auch die CDU will ja ihren Kandidaten gern erfolgreich sehen gegen den SPD-Amtsinhaber.

Die Grünen haben zwar keine Meinung zum Denkmal, finden aber den Zungenschlag der Linken unmöglich, die nun den Herbst ’89 auch für sich als Beginn der neuen Zeit reklamiert. Womit die Linke natürlich recht hat: Der Herbst ’89 hat auch die damalige Staatspartei zur demokratischen Reform gezwungen.

Dass die Grünen ihren Buhmann für die Schrecken der vergangenen DDR zu verlieren drohen, ist eine andere Angst. Aber auch das gehört zur Demokratie: Jeder muss sich jederzeit neu erfinden.

Dazu gehört eigentlich auch das Recht zum Ja- oder Nein-Sagen. Aber davor fürchten sich auch Leipziger Parteien. Was käme dabei heraus, wenn die Bürger nun mehrheitlich Nein sagen zu dem, was der Wettbewerb gebracht hat? Eine zweite, anders definierte Wettbewerbsrunde wie in Berlin? Vielleicht mit den besten Bildhauern der Gegenwart?

Aber die größte Angst in Leipzig ist auch diese Peinlichkeit: eingestehen zu müssen, dass der Leipziger Wettbewerb genauso in die Irre lief wie der Berliner. Wenn man jetzt einfach weitermacht und baut, was auserkoren wurde, kann das – so wünscht es sich wohl Mancher – ganz ruhig über die Bühne gehen. Nur wird das Ergebnis zwar 6,5 Millionen Euro teuer sein, vielleicht auch so aussehen. Aber das Staunen wird ausbleiben, die Faszination, ein richtiges Kunstwerk zu sehen.

Wie gesagt: Es geht nicht um die jetzt lebenden Generationen. Es geht um ein eindrucksvolles Stück für die Zukunft.

Da würde sich selbst ein nackter Kaiser mit vier diensteifrigen Lakeien an der unsichtbaren Schleppe eindrucksvoller ausnehmen. In Bronze gegossen – etwa vor einem Künstler wie Bernd Göbel, von dem die “Unzeitgemäßen Zeitgenossen” in der Grimmaischen Straße stammen. Ein nackter, gut genährter Kaiser, der strammen Schrittes hinübermarschiert zum Neuen Rathaus, um sich auch dort in seiner Finesse bewundern zu lassen.

Und am anderen Ende des Wilhelm-Leuschner-Platzes-der-Friedlichen-Revolution der kleine Junge mit aufgerissenem Mund und ausgestrecktem nacktem Zeigefinger. Eine Geschichte, die alle kennen, und die mehr mit dem 9. Oktober 1989 zu tun hat als alle Wettbewerbsentwürfe, die in Leipzig zu sehen waren.

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