Stadträte sind Marathonläufer. Mindestens einmal im Monat. Dann treffen sie sich zur Ratsversammlung und arbeiten ein Tagesprogramm ab, bei dem selbst trainierte Sportler ins Schwitzen kommen. Längst sind die Programme des Leipziger Stadtrats so vollgestopft, dass das Thema Professionalisierung eigentlich im Raum steht. Termin: 20. September 2012. Start: 14 Uhr. Erste Runde: 1,3 Milliarden Euro.

Vorher gab es zur Stadtratssitzung am Donnerstag, 20. September, eine Aufwärmrunde: Es ging um die Informationsfreiheitssatzung für Leipzig. Ein Dauerthema für Leipzig. Eigentlich überflüssig – wenn denn der Freistaat Sachsen eine Transparenz-Gesetzgebung hätte. Hat er aber nicht. In Dresden verweigert man sich dem Thema transparente Politik und freier Informationszugang für die Bürger seit Jahren.

Kommunen haben freilich den Spielraum, sich selbst entsprechende Satzungen zu geben. Den Prozess haben in Leipzig die Grünen angeschoben. Aber etliche andere Fraktionen kamen erst im Sommer dazu, sich Gedanken über das Thema zu machen. Ergebnis: Ein Rattenschwanz von Änderungsanträgen zur Beschlussvorlage. Das war am Donnerstag nicht mehr aufzudröseln. Das Thema wird vertagt. Wieder einmal. Zum Ärger der Grünen.
Noch ein kleines Aufwärm-Ründchen: Thema “Herrenlose Häuser”. Es geht um die leidige Frage, ob Leipzig die Akten zu den Vorfällen um die “Herrenlosen Häuser” an den Landtags-Untersuchungsausschuss “Sachsensumpf” nach Dresden schicken soll oder nicht. Die Stadtverwaltung ist der Meinung: Nein. Das habe damit nichts zu tun.

Dass sie sich dessen so sicher gar nicht ist, wird an diesem Tag erst viele Stunden später klar: Mit Sperrfrist 18 Uhr gibt die Verwaltung bekannt, dass sie den Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dr. hc. Hans-Peter Schneider beauftragt hat zu prüfen, ob die Anforderung des Untersuchungsausschusses rechtens ist und die Akten überstellt werden müssen. Das aber wissen die Stadträte zu dem Zeitpunkt noch nicht. Das Thema geht durch.

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Danach – wie versprochen ab 14:30 Uhr – erste Marathonrunde mit Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU). Er stellte de Entwurf für den Haushalt 2013 vor. 1,3 Milliarden Euro will Leipzig ausgeben, dabei 30 Millionen Euro Schulden abbauen, 165 Millionen Euro investieren, so viel wie seit Jahren nicht mehr. Und diesmal wird auch das Ergebnisdefizit vermieden, wie es Leipzig noch in seinem ersten doppischen Haushalt 2012 auswies.

Bis 15:12 Uhr redet Bonew. Diskutiert wird der Entwurf noch nicht. Denn den haben die Fraktionen ja auch erst frisch auf den Tisch bekommen. Die Ratsversammlung, die sich mit dem Haushaltsentwurf beschäftigen wird, ist die im November.
Kita in den Höhen am Brühl, GEMA, Lichtfest

Kurz nach 16 Uhr – die Marathonläufer haben schon zwei Stunden in den Beinen und Gesäßen – werden einige der brisanten Fragen beantwortet, die die Leipziger in den letzten Wochen beschäftigten. Die erste zur ursprünglich geplanten Kindertagesstätte in den “Höfen am Brühl”, die am Dienstag, 25. September, offiziell eröffnen – ohne Kita. Die SPD hat die alten Beschlüsse dazu noch einmal gelesen. Zwischenzeitlich gab es weder von Verwaltung noch vom Bauherren mfi Informationen, dass die Kita vielleicht nicht kommen würde.

Auf eine Nachfrage der L-IZ hüllte sich mfi ganz und gar in Schweigen. Man pflegt lieber das Bild, das man mit dem Werbepartner LVZ gemeinsam nach außen gibt. Nun lässt die Verwaltung verlauten, eine Kita sei in dem neu erbauten Gebäudekomplex gar nicht genehmigungsfähig. Was zumindest heißt: Hier hat sich wirklich niemand für die genehmigungsfähige Planung einer Kindertagesstätte im Baukomplex bemüht.

Nächstes Thema: Die rücksichtslose Gebührenerhöhung, die die GEMA für 2013 plant. Das betrifft nicht nur kleine Clubs und Veranstalter in Leipzig. Das betrifft auch alle soziokulturellen Einrichtungen der Stadt. Und Kulturbürgermeister Michael Faber muss feststellen: Da kommen durch die selbstherrliche Gebührengestaltung der GEMA auch auf die Stadt Leipzig höhere Kosten zu. Er spricht von 50 Prozent mehr – die im Haushalt 2013 noch gar nicht dargestellt sind. Sieht ganz so aus, dass die GEMA gerade dabei ist, eine Reihe wichtiger Musikveranstaltungen in der Leipziger Szene abzuschießen. Oder die Stadt packt wieder was drauf. Irgendwo muss ein Goldesel stehen.

Nächstes brisantes Thema: Die Einladung eines Repräsentanten der ungarischen Regierung zum Lichtfest am 9. Oktober, bei dem Ungarn Partnerland ist. Niemand wird ausgeladen, betont Burkhard Jung. Immerhin war nicht – wie vielleicht erwartet – der ungarische Botschafter in Deutschland der Einladung gefolgt, sondern der ungarische Minister Zoltan Balog. Leipzig würde mit einer Ausladung gewaltig diplomatisches Geschirr zerdeppern. Eine Online-Petition, die einige Leipziger jüngst zur Ausladung Balogs initiiert hatten, wurde gerade aus für die Petenten nicht nachvollziehbaren Gründen gekappt. Sie wollen es mit einer neuen versuchen.

Aber wenn man die Sache richtig beleuchtet, ist es jetzt Zeit zum Transparentemalen. Mit ein paar simplen Worten drauf: “Meinungsfreiheit!”, “Medienfreiheit”. So in der Art.

Weiter mit den Stadtrats-Marathonis geht es gleich an dieser Stelle.

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