Am 20. September beschloss die Leipziger Ratsversammlung auf Antrag der Grünen die Entwicklung eines touristischen Entwicklungsplans für Leipzig. Der Stadtrat stimmte dem Antrag mit nur einer Gegenstimme zu. Man hatte durchaus die Mahnung begriffen, die die Stadträtin der Grünen, Heike König, formulierte: Der Freistaat legt die Bandagen an. Ginge es nur um steigende Touristenzahlen und erfolgreiche Feste und Attraktionen in Leipzig, die Stadt wäre auf einem guten Weg.

Doch die sächsische Landesregierung, die gern so tut, als wäre sie für Entbürokratisierung und Deregulierung, tut eigentlich mit jedem neuen Haushaltsplan das Gegenteil. Bis ins Detail werden nicht nur die Gelder aufgeschlüsselt, die nach Einschätzung der Landesregierung den Kommunen in jedem Handlungsfeld als “Fördergelder” zustehen, man definiert mit eigenen Landesrahmenplänen auch noch immer detailgenauer, wofür die Gelder vor Ort überhaupt noch ausgegeben werden dürfen. Das betrifft auch die touristischen Infrastrukturen, von denen man in Dresden seine ganz eigenen Vorstellungen hat.

Die finanzielle Situation vieler öffentlicher Akteure sei angespannt, erklärte Heike König in ihrer Rede im Stadtrat. Es gebe neue Rahmenbedingungen. Das Sächsische Wirtschaftsministerium habe eine Strategie für die Neuausrichtung der sächsischen Tourismuspolitik bis 2020 vorgegeben und fokussiere darin auf Handlungsfelder. Beispielsweise sei Ziel 3 die Stärkung der Leistungsfähigkeit der touristischen Infrastruktur in den Destinationen, sprich in den touristischen Zielregionen, von denen Leipzig eine sei. Die Fördermittel für die touristische Infrastruktur hätten in den vergangenen Jahren hart erkämpft werden müssen. Sie würden der Stadt Leipzig auch in Zukunft nicht zufallen, denn der Freistaat setze hier neue Bedingungen und setze Daumenschrauben an.

Von den fünf Bereichen, in denen Sachsen Nachholbedarf oder Ausbaupotenzial identifiziert habe, gebe es in Leipzig mindestens drei, nämlich Barrierefreiheit, Fremdentourismus und Caravaning sowie das touristische Wegenetz und die touristische Infrastruktur. Gefragt seien dabei zuerst die Kommunen und dann die Destinationsmanagementorganisation und die Unternehmen bei der Planung und Finanzierung von Investitionen in die touristische Infrastruktur. Dazu müsse die Stadt Leipzig wissen, was sie wolle.

Das alles sei nicht Aufgabe der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM). Die könne nur vermarkten, was da sei. Die Strukturen müsse die Kommune schaffen. Aber die Verantwortlichkeiten seien – wie bei vielen Handlungsfeldern der Stadt – über praktisch alle Dezernate zerstreut.Logische Folge für die Grünen: Es braucht nicht nur ein klares touristisches Entwicklungskonzept, in dem man den Genehmigungsbehörden in Dresden eindeutig zeigen könne, dass die Gelder auch für konkrete touristische Strukturen ausgegeben werden. Es brauche auch eine Person, die das alles so koordiniere, dass die Sache mit Nachdruck durchgezogen wird. Einen Tourismuskoordinator also, auch wenn erst einmal nur als Halbtagsstelle. Anzusiedeln im Wirtschaftsdezernat, zu besetzen ab 2013. Weshalb die Kostenstelle im Haushalt 2013 auch eingeplant werden müsse. 25.000 Euro also.

In ihrem Haushaltsantrag dazu betonen die Grünen auch noch einmal, dass die Stadt nun in der Pflicht steht, das touristische Entwicklungskonzept auch bis zum 3. Quartal 2013 vorzulegen. Zeit verspielen kann Leipzig da nicht mehr, sonst geht es der Stadt wie bei allen sächsischen Förderprojekten der Vergangenheit: Sie bekommt nur einen Teil der ihr rechnerisch zustehenden Mittel.

Der Koordinator muss die Tourismusstrategie zusammen mit dem LTM inhaltlich und organisatorisch erarbeiten, muss die Fortschreibung in den nächsten Jahren organisieren und vor allem ein Teilkonzept “Entwicklung touristischer Infrastruktur in der Stadt Leipzig” auf die Beine bringen.

Da hinein gehört ein zeitlich gestaffelter Maßnahmenplan mit Finanzierungskonzept – so für eine touristische Radverkehrsentwicklungskonzeption, für touristische Wasserbaumaßnahmen, Wasserbeschilderung, Reitwege, Camping / Caravaninginfrastruktur und so weiter.

Dazu muss die Koordinatorin oder der Koordinator auch mit den Akteuren aus dem Umland kooperieren. Touristische Wege machen ja erst Sinn, wenn sie über kommunale Grenzen hinausreichen und nicht Stückwerk bleiben. Da können (und müssen) gemeinsame Finanzierungen gefunden werden und Drittmittel akquiriert werden.

Die Zeit dränge – aber einige Prozesse seien ja auch schon im Gange, hatte Heike König im September erklärt. Der Zeitpunkt, einen touristischen Entwicklungsplan anzugehen, sei gut, denn die Destinationen in Sachsen ordneten sich neu, und für Leipzig zeichne sich dabei in Zukunft eine neue, verantwortungsvollere Rolle weit über die Stadtgrenzen hinaus ab. Seit Januar würden mit den Städten und Gemeinden und mit den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen die Varianten der Destinationsneuordnung intensiv diskutiert. Auch das sei für Leipzig interessant und relevant, und zwar nicht nur für den Vorstand von LTM oder den Oberbürgermeister, sondern auch für den Stadtrat, denn es gehe hier um mehr Geld, und das könne nicht das Geld von LTM sein.

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Jetzt kann man gespannt sein, ob es den Akteuren gelingt, Tourismusentwicklung in der Leipziger Region ab 2013 größer zu denken.

Dass die Grünen den Job künftig im Amt für Wirtschaftsförderung angesiedelt sehen, verblüfft zumindest. Heike König war in ihrer Rede im Stadtrat im September noch sehr skeptisch, ob man die Verantwortung für die touristische Infrastruktur ins Wirtschaftsdezernat geben könne.

Schließlich müssten die vielen Zuständigkeiten innerhalb der Stadt in dem Strategiepapier auf eine einheitliche Linie gebracht werden, sagte sie. Die Aufgaben passten in das Dezernat III (Umwelt) – dort würden schon viele derartige Aufgaben gestemmt und es würden immer mehr bei gleichem Personal – oder in das Dezernat VII (Wirtschaft), wo sie allerdings bisher nicht gesehen würden. Tourismusförderung sei jedoch Wirtschaftsförderung, betonte sie.

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