Nicht erst im Jahr 2012 traten immer wieder Fragen zu Bauten in Leipzig auf. Sinnvoll oder nicht? Zu teuer oder durch die Stadt leistbar? Der ewige Konflikt zwischen Neubau und Erhaltung inklusive. Dabei stellen sich diese Fragen quer durch alle Bereiche - von Kulturhäusern über große Verkehrsprojekte bis hin zu neuen Malls im Zentrum der Stadt.

Weshalb sind geschichtsträchtige und einzigartige Bauwerke in Leipzig dem Verfall preisgegeben (Eckhaus an der Angerbrücke, Musikalische Komödie)?

Das “Capa-Haus” am Straßenbahnhof Angerbrücke ist in Privatbesitz und soll angeblich noch in diesem Jahr saniert werden. Die Musikalische Komödie ist meines Wissens nicht vom Verfall bedroht, sondern befindet sich in einer Phase der behutsamen Sanierung und wird uns hoffentlich noch viele Jahre als Spielstätte dienen.

In vielerlei Hinsicht hat die Stadt in den letzten 20 Jahren geschichtsvergessen gehandelt und kurzfristige Profite langfristigen Investitionen vorgezogen. Bei vielen historischen Bauwerken wäre es ein leichtes gewesen, diese zu retten, etwa die “Kleine Funkenburg”, die 2005 dem Ausbau der Jahnallee geopfert wurde. Oder das wunderschöne Wohnhaus in der Friedrich-Ebert-Straße 81, das erst 2006 abgerissen wurde, weil der Dachstuhl ausgebrannt war. Ebenso das Wohnhaus an der Ecke Zschochersche/Karl-Heine-Straße, das bis zuletzt bewohnt war, das die LWB aber räumen und abreißen ließ, weil ihr die Instandhaltungskosten zu hoch waren.

Sämtliche Gebäude standen selbstverständlich unter Denkmalschutz, dennoch hat sich die Stadt nicht die geringste Mühe gegeben, diese zu retten. Diesen Kurs werde ich nicht mittragen. Denn die Frage ist schließlich: Wie kommen wir zu einer ansprechenden Baukultur, die an die vergangene städtebauliche Entwicklung anschließt und dabei den Ansprüchen einer wachsenden Stadt auch unter ökologischen Gesichtspunkten genügt?

Ich möchte, dass Leipzig hier eine Vorreiterrolle übernimmt. Durch die abwechslungsreiche Bausubstanz und die vielen Industriebrachen hat Leipzig in dieser Frage noch erhebliche Entwicklungspotentiale.

Wie können Sie Leipzig vor weiteren überdimensionierten, unzureichend durchdachten Bauwerken wie “Höfe am Brühl”, “City-Tunnel”, “Museum der bildenden Künste” usw. schützen?

Diese Form von Prestigeprojekten dient doch ausschließlich der Eitelkeit und der Geldbörse einiger weniger, die ihren Einfluss im Rathaus ausspielen. Um so etwas zu stoppen, bin ich auch auf den Stadtrat angewiesen. Stellt dieser sich nicht mehrheitlich hinter mich, ist mein Handlungsspielraum relativ begrenzt. Sie können sich aber sicher sein, dass ich mich gegen weitere Großprojekte dieser Art mit aller politischen Kraft stemmen und mehr Verantwortung des Rates einfordern werde.

Ansonsten werde ich auf der Ebene der Verwaltung sehr genau darauf achten, dass weder planungsrechtliche noch bauordnungsrechtliche Vorschriften verletzt werden. Denn dazu ist die Verwaltung ja schließlich da.

Lässt sich die städtische Immobilie Weißdornstraße 102, in irgendeiner Weise als Raum für die “Obdachlosen Künstler” aus Plagwitz nutzbar machen?

Ich bin mit der Immobilie und ihrem baulichen Zustand nicht näher vertraut, deshalb kann ich zu möglichen Nutzungskonzepten derzeit keine verbindliche Aussage treffen. Ich kenne lediglich die Pläne der Stadt, dort Asylbewerber/-innen und Geduldete unterzubringen. Dagegen favorisiere ich seit langem die dezentrale Unterbringung dieser Personen, aus bekannten humanitären und auch aus finanziellen Gründen.

Sollte ich mich im Stadtrat damit durchsetzen können, wäre eine andere Nutzung möglich, bspw. indem dort günstiger Raum für Kreative entsteht. Das sollten aber bestenfalls die Bürgerinnen und Bürger vor Ort entscheiden. Denn ich will die Direkte Demokratie stärken, die Bezirksbeiräte und Ortschaftsräte sollen mehr Entscheidungsspielraum und die Anwohnerinnen und Anwohner mehr Mitspracherecht bekommen.

Nur wenn die Menschen erfahren, dass sie mit ihrem Engagement ihren Stadtteil direkt mitgestalten können, werden Zufriedenheit, Gegenseitigkeit, Lebensqualität und auch das politische Verantwortungsbewusstsein steigen.

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