Die CDU ist nicht die einzige Partei, wo man Erfahrungen damit gesammelt hat, wie schwer es ist, einen Kreisvorsitzenden zu finden, der den Bienenschwarm auch zusammenhalten kann. Dessen Arbeit ist immer leichter, wenn die Partei Wahlerfolge vorweisen kann. Doch was passiert, wenn das mal nicht klappt - wie am 17. Februar, als es für den von der CDU nominierten OB-Kandidaten Horst Wawzynski nur ein zweiter Platz wurde?

Detlef Schubert, dem diese Wahl durchaus am Herzen lag, trat noch am Wahlabend als Kreisvorsitzender der CDU zurück. Seitdem befehden sich einige CDU-Mitglieder öffentlich und via Zeitung, versuchen die Gewichte zu verschieben, den Wahlausgang in ihrem Sinne zu erklären und neue Linien zu definieren. Nachdem auch Andreas Nowak, der im Grunde den Wahlkampf für Horst Wawrzynski deichselte, schon zur Vernunft mahnte, ebbte die Diskussion nicht ab.

Es ist keine neue Diskussion. Sie findet innerhalb der Leipziger CDU schon seit Jahren statt. Doch diesmal wird sie erstmals auch öffentlich geführt. Und auch die gewöhnlichen Leipziger erleben mit, wie verhärtet einige Fronten innerhalb des Kreisverbands sind.

Jetzt meldet sich mit dem Landtagsabgeordneten Ronald Pohle, Kreisvorsitzender der MIT Mittelstands- und Wirtschaftvereinigung der CDU Leipzig, einer zu Wort, der zu den ausgleichenden Stimmen in der Partei gehört. Er zeigt sich entsetzt über die Gesprächskultur in seiner Partei.

“Ich hatte nicht vor, mich öffentlich und zur Unzeit zu parteiinternen Fragen, wie dem besten Zeitpunkt zur Neuwahl des Kreisvorstandes, zu äußern. Nachdem aber die aberwitzigsten Diskussionen via Zeitung ausgetragen werden und diejenigen, die die Wahlniederlage in Leipzig hauptsächlich zu verantworten haben, meinen, weiterhin die Meinungsführerschaft für sich reklamieren zu können, sehe ich keine andere Möglichkeit”, sagt der Vorsitzende des Ortsverbandes Leipzig Ost.

Die völlig aus der Luft gegriffene Debatte um die Zukunft des Wirtschaftsbürgermeisters Uwe Albrecht und dessen Ressort zeige, dass die Erosion des Kreisvorstandes weiter fortgeschritten ist, als bisher angenommen. Uwe Albrecht, der 2006 seinerseits als OB-Kandidat der Leipziger CDU angetreten war und gegen Burkhard Jung noch ein bisschen knapper verlor, wechselte kurz danach vom Landtag ins Amt des Leipziger Wirtschaftsbürgermeisters, das er seither auf recht ruhige und unspektakuläre Weise führt. Für gewöhnlich sondieren die im Stadtrat vertretenen Parteien vor einer Nominierung ihres Kandidaten für ein Bürgermeisteramt die Zustimmung der anderen Fraktionen im Stadtrat. Die Bürgermeisterposten werden in der Regel nach dem Proporz im Stadtrat besetzt.

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Was bisher nie ausschloss, dass über die Wahl der Bürgermeister auch die Kräfteverhältnisse unter den größeren Fraktionen im Stadtrat ausgetestet wurden. Aber es ist zumindest ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn eine Partei, die ihren Bürgermeister durchaus wieder zur Wahl stellen könnte, nun öffentlich über einen Nachfolger debattiert.

Offenbar genieße der Kreisvorstand keinerlei Akzeptanz und Respekt mehr, denn sonst wäre es kaum möglich, dass er unangefochten als Deckmantel schlecht versteckter Partikularinteressen missbraucht werde, kritisiert Pohle. Es müsse doch hinterfragt werden, wer und durch wen ermächtigt, Sondierungen über die Struktur der Leipziger Stadtverwaltung führe.

Ronald Pohle kann sich an einen solchen Auftrag aus dem Kreisvorstand jedenfalls nicht erinnern, nicht einmal an eine Debatte darüber. Offenbar schreckten einige Interessengruppierungen weder davor zurück, das Ansehen von Personen zu schädigen, noch das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Leipzig.

“Vielleicht wird ja demnächst jemand im Namen des Kreisvorstandes dahingehende Sondierungen aufnehmen, ob man die Kämmerei nicht dem Kulturressort zuordnen könne. Dort werde ja sowieso das meiste Geld ausgegeben, man sei ein Stück Verantwortung los und man habe dann auch wieder einen hervorragenden Kopf für andere Aufgaben frei”, spitzt Ronald Pohle die Diskussion satirisch zu.

Das Argument derer, die meinten, eine Neuwahl müsse “aufgrund der katastrophalen Außenwirkung” verschoben werden, könnten dies wohl nicht in vollem Ernst meinen. Schlimmer als derzeit könne die Außenwirkung der CDU Leipzig nun wirklich nicht mehr sein.

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