Alles hängt mit allem zusammen. Das glauben zwar einige Genossen im Leipziger Stadtrat bis heute nicht. Vielleicht hätten sie sich am Mittwoch, 17. Juli, einfach die Mühe machen sollen, zum Lindenauer Hafen zu spazieren. Da erzählte Bürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) der eingeladenen Presse, welche Rolle der Stadtratsbeschluss zur "Potenzialanalyse" tatsächlich spielt.

“Wir sehen in diesem Votum einen Arbeitsauftrag”, sagte der gerade frisch wiedergewählte Umweltbürgermeister, der die im Februar ins Verfahren gegebene Vorlage “Weiteres Vorgehen nach Vorlage der Touristischen Potenzialanalyse und Betrachtung der Grobvarianten der Trassen des Projektes ‘Anbindung des Saale-Elster-Kanals an die Saale'” zu verantworten hat. Nur der erste Beschlusspunkt ist eine Kenntnisnahme: “Die Stadt Leipzig nimmt die Ergebnisse der Touristischen Potenzialanalyse zur Kenntnis.”

Wobei das schon ein seltsamer Punkt. Denn der Leipziger Stadtrat ist nicht die Stadt Leipzig. Wer hat da also wirklich etwas zur Kenntnis genommen?

Aber Punkt 2 heißt eindeutig: “Die Stadt Leipzig unterstützt und befördert auch zukünftig konzeptionell und ideell die Fortführung des Projektes ‘Anbindung des Saale-Elster-Kanals an die Saale’. Dabei wird sie sich mit der Stadt Halle intensiv abstimmen, um die gemeinsamen Ziele dieser Städtekooperation in das Projekt einzubringen.”

Und der dritte ist eindeutig eine Beauftragung der Stadt, folgenden Beschlusspunkt baldigst umzusetzen: “Vordringlich verfolgt die Stadt Leipzig die Anbindung des Lindenauer Hafens an den Saale-Elster-Kanal, die einschließlich des Baus der Lyoner Brücke 2017/2018 realisiert werden soll.”

Heiko Rosenthal sagte am schönen 17. Juli am lauschigen Ausläufer des Lindenauer Hafenbeckens, dass er genau das jetzt in Angriff nehmen werde. Wenn nämlich 2015 das Hafenbecken mit dem 665 Meter entfernten Karl-Heine-Kanalstück verbunden ist, fehlen westwärts des Hafenbeckens nur noch 100 Meter, und weitere 11 Kilometer Kanal stehen ohne Bootumtragen für die Wassersportler zur Verfügung. Eine schöne Vision. Aber nur ein Teil derselben. Denn um das Kanalstück unter der Lyoner Brücke zu bauen, braucht Leipzig keine Abstimmung mit den Nachbargemeinden. Das ist Leipziger Territorium.

Aber das Ziel, so betonte Heiko Rosenthal, ist das mitteldeutsche Projekt Elster-Saale-Kanal. Und dafür will er jetzt mit den Partnern reden, wie das Projekt voranzutreiben sei. Das Ziel ist eigentlich in der so genannten “Potenzialanalyse” schon genannt: 2020. Also gleich nach der geplanten Öffnung des Kanalstücks unter der Lyoner Brücke 2017/2018.Und er sagte noch etwas, was ein paar Leute aufhorchen lassen sollte. “Wir werden auch das Projekt Marina Leipzig-Lindenau vorantreiben”, sagte er. Auch diese Marina kommt in der “Potenzialanalyse” vor. Dort wird sie mit einer Investitionssumme von 45 Millionen Euro beziffert. Rosenthal spricht dabei von Gesprächen mit Investoren. Doch wofür baut man eigentlich eine 45 Millionen Euro teure Marina im Lindenauer Hafenbecken – mit 200 Liegeplätzen, Slipanlage und Wassertankstelle? – Ganz bestimmt nicht für Paddel- und Ruder-Boote.

Man kann eine Marina für Segelboote bauen – wie am Cospudener See. Nur dummerweise ist das 9 Hektar große Hafenbecken eben kein Segelgewässer wie der Cospudener See mit seinen 418 Hektar. Da kann sich jeder fragen: Wie kommen dann die Segler von A nach B oder C? Manche Segelboote haben auch Motoren, mit denen sie aus Häfen ein und aus fahren können.

Die schlichte Wahrheit ist: Eine Marina an dieser Stelle macht nur Sinn, wenn das eintritt, was in der “Touristischen Potenzialanalyse und Betrachtung der Grobvarianten der Trassen des Projektes Anbindung des Elster-Saale-Kanals an die Saale für das Gebiet der sächsischen und sachsen-anhaltinischen Kommunen und Landkreise” prognostiziert wird: ein Aufwuchs der Motorbootbootbesitzer um Halle und Leipzig um 3.700. Davon lägen dann ein paar hundert am Lindenauer Hafen. Die “Potenzialanalyse”, auf die sich das am 10. Juli im Stadtrat abgestimmte Papier bezieht, wurde 2011 erstellt. Und man kann Wetten drauf abschließen, dass nur eine Handvoll Stadträte sie überhaupt gelesen haben. Die anderen kennen sie schlicht nicht.

Und natürlich bleibt nach Lesen der “Potenzialanalyse” die Frage: Wohin kommt man vom Lindenauer Hafen und der dortigen Marina mit dem Motorboot eigentlich?

Auch das benannte Heiko Rosenthal, auch wenn er das Wort Motorboot tunlichst vermied. “All das hat einen längeren Vorlauf”, sagte er. Und es sei “eine große Vision” mit dem Lindenauer Hafen und der Marina im Norden und dem Kap Zwenkau südlich von Leipzig.

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Sie ist die ganze Zeit präsent, die Vision eines für Motorboote ausgebauten Gewässernetzes, in dem man von der Saale nach Leipzig zum Lindenauer Hafen fahren kann und von dort durch den Gewässerknoten und irgendeine Verbindung durch den Auwald zum Cospudener See durch den Harthkanal zum Kap Zwenkau. Daran wird gearbeitet – mit Personalaufwand und Geld.

Darf man natürlich fragen: Was machte Heiko Rosenthal bei 26 Grad und Badewetter am Lindenauer Hafen?

Es ging natürlich um die Anbindung des Hafens an den Karl-Heine-Kanal. Er wird damit Teil des legendären “Kurs 2” im Gewässerverbund Leipzig: Der reicht von der Weißen Elster über den Karl-Heine-Kanal bis zum Hafen Lindenau. Und künftig noch viel, viel weiter. Die Worte von Heiko Rosenthal sind nicht misszuverstehen: “Der Kurs 2 ist der Schlüsselkurs für die perspektivische Anbindung des Leipziger Gewässerknotens an das deutsche Binnenwasserstraßennetz. Er wird durch die Gewässerverbindung zwischen Karl-Heine-Kanal und Lindenauer Hafen erweitert und erschließt das derzeit isoliert liegende Hafenbecken.”

Wenn ab 2018 auch das schon bestehende 11 Kilometer lange Kanalstück des Elster-Saale-Kanals angeschlossen ist, ist der Kurs 17,5 Kilometer lang. Und nun kann man ja auch darauf Wetten abschließen: Wieviele Investoren finden sich für eine Marina im Lindenauer Hafen, wenn auf Kurs 2 keine Motorboote fahren dürfen? – Sondern nur – wie bisher – Kanus, Ruderboote, LeipzigBoote und die (Heroldschen) Fahrgastschiffe?

Wobei sich Boots-Herold natürlich zu recht auf das Jahr 2015 freuen darf. Dazu gleich mehr.

Kurs 2 im Gewässerverbund: www.gewaesserverbund.de/kurse/kurs2.html

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