Am 22. September ist es soweit, dann öffnen um 8 Uhr auch in Leipzig die Wahllokale für die Bundestagswahl. Sah es noch 2011, nach dem Reaktorunglück von Fukushima, nach einem überragenden Wahlsieg für Rot-Grün aus und nach einem ratlosen Ausscheiden der FDP mit mageren 2 Prozent, hat sich in den zwei Jahren seither der Wind gedreht. Fukushima ist vergessen, die "Energiewende" steckt im Schlamassel fest. Und CDU/CSU bekommen bei allen Umfragen 40 Prozent der Stimmen vorausgesagt.

Der “Spiegel” betreibt seit ein paar Wochen seine “Wahlwette” online. Vielleicht zum letzten Mal, denn noch immer sind weite Landstriche auf der Karte grau eingefärbt. Zu wenige Online-Leser beteiligen sich, um irgendeine Art Prognose über den möglichen Sieger des Direktmandates abzugeben.

Vielleicht ist es auch nur ein verkapptes Forschungsprojekt von “Spiegel Online”, der damit a) herausbekommen möchte, wo der Online-Auftritt des “Spiegel” überhaupt gelesen wird – und wo eben nicht, und b) wie gut vernetzt die Republik ist – oder wie schlecht. Denn in deutschen Landen wird zwar heftig über Breitbandversorgung diskutiert, doch ganze Regionen scheinen nach wie vor auf der digitalen Landkarte nicht zu existieren. In diesem Fall: Weite Regionen im Osten Deutschlands. Bis auf einen SPD-roten Gürtel um die Hauptstadt Berlin und kleine, zumeist CDU-blaue Inseln in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.

Das kann täuschen. Denn wenn b) zutrifft und die meisten Wahlberechtigten mit Internet schlecht versorgt sind, ist das Ergebnis der “Wahlwette” mit Ausnahme der etwas besser versorgten Metropolregionen nicht aussagekräftig. Und wenn a) zutrifft, weiß man bei “SPON” jetzt, dass man einen Großteil des Ostens überhaupt nicht erreicht.

So ist dann der Zwischenstand der “Wahlwette” wohl auch für Leipzig nur ein Fingerzeig, auch wenn er die favorisierten Parteien und Personen in beiden Leipziger Wahlkreisen im Spitzentrio sieht. Nur die Reihenfolge ändert sich immer wieder einmal. Lag vor zwei Wochen noch Barbara Höll (Die Linke) im Wahlkreis 152 (Leipzig I) im Norden in Front, hat jetzt Bettina Kudla (CDU) die Führung übernommen, gefolgt von Daniela Kolbe (SPD) und Barbara Höll. Ob das Direktmandat im Leipziger Norden, das am 22. September vergeben wird, wohl unter diesen Dreien ausgemacht wird?Im Wahlkreis 153 (Leipzig II) im Süden behauptet Wolfgang Tiefensee derzeit für die SPD die “Wahlwetten”-Spitze, gefolgt von Thomas Feist (CDU) und Mike Nagler, der als Parteiloser für Die Linke antritt. Auch hier ist das Endergebnis noch offen. Obwohl natürlich die CDU sich über den Aufholeffekt seit 2011 möglicherweise freuen kann. Denn auch 2009 profitierte sie von der Schwäche der SPD, holte auch bei den Zweitstimmen die Mehrheit – im Wahlkreis 153 (der dieses Jahr zur 152 wird) satte 30 Prozent, die SPD war – nachdem sie noch 2005 die meisten Stimmen holen konnte, auf 18 Prozent abgerutscht. Die Linke schob sich mit 25,5 Prozent dazwischen.

Im Wahlkreis 154 (dieses Jahr: 153) war es ähnlich. Die CDU lag 2009 mit 26,1 Prozent knapp vor der Linken (25,5 Prozent) und der SPD (18,3 Prozent).

Neben den beiden Direktkandidaten Bettina Kudla und Thomas Feist kamen natürlich auch andere Leipziger Kandidaten über die Landesliste ihrer Parteien in den Bundestag. Das schafften 2009 Wolfgang Tiefensee und Daniela Kolbe für die SPD, Barbara Höll für die Linke und Monika Lazar für die Grünen.

Ist natürlich die Frage: Was haben sie da alle getan? Was wollten sie erreichen? Für sich, ihre Partei oder die Wähler, die ihnen ihre Stimme gegeben haben? Zwar tangieren nicht alle Beschlüsse des Bundestages die kommunale Politik. Aber viele wirken dennoch direkt oder indirekt auf das Leben in Leipzig zurück. Stärker noch als selbst die Beschlüsse von Landtag oder Stadtrat. In Berlin werden die wichtigsten Finanz- und Steuerbeschlüsse gefasst, werden Sozial- und Arbeitsgesetzgebung bestimmt. Dass die Kommunen in Deutschland seit Jahren derart unterfinanziert sind und mit Schuldenhaushalten wirtschaften müssen, ist ein direktes Ergebnis der Berliner Verteilungspolitik. Oder der Bonner seligen Gedenkens.Geld für neue Bundeswehrspielzeuge – aber keines für die Wirtschaftsförderung? Finanzzuschüsse für Kindertagesstätten und ÖPNV – aber nur über die Länder? Steuervergünstigungen für Hoteliers und neue Schlupflöcher für internationale Konzerne?

Selbst Bundestagsabgeordnete haben es da nicht leicht, den Überblick zu behalten.

Die L-IZ hat die wichtigsten Leipziger Direktkandidaten, die am 22. September auf dem Wahlzettel stehen, gefragt, wie sie die Sache sehen – was sie im Bundestag bewirken wollen, was aus ihrer Sicht für Leipzig wichtig ist, was sie (wenn sie schon im Bundestag sitzen) dort glauben, erreicht zu haben. Aber auch nach den Niederlagen hat die L-IZ gefragt.

Denn politischer Alltag ist auch ein Ringen um Mehrheiten, das auch mit Abstimmungsniederlagen enden kann.

Zur politischen Kultur haben wir erst einmal nicht nachgefragt. Davon erzählt der aktuelle Wahlkampf genug, der eben keine Ausnahmesituation ist, sondern all die Nickligkeiten der Berliner Szenerie einmal mehr übers ganze Land ausbreitet. So inhaltsleer wie in diesem Jahr waren die meisten Wahlplakate noch nie. Als ginge es nur noch um die Betonierung eines unvergleichlich goldigen Zustandes. Als gäbe es nicht genug brennende Themen, die ihrer Lösung harren, nicht genug Problemstaus, die jetzt einfach wieder für ein paar Wochen kleingeredet werden.

Die Zumutungen gibt es dann wohl wieder nach der Wahl, wenn der Siegesrausch verflogen, das Wahlvolk noch entsprechend verkatert ist.

Gleich geht’s los mit Interview Nummer 1: Bettina Kudla, Direktkandidatin der CDU um Wahlkreis 152 im Leipziger Norden.

Noch zur Wahl selbst:

Die Briefwahlstelle der Stadt im Neuen Rathaus, Eingang Lotterstraße, ist seit Montag, 26. August, jeweils montags bis donnerstags von 9:00 bis 18:00 Uhr und freitags von 9:00 bis 14:00 Uhr, am Freitag vor der Wahl von 9:00 bis 18:00 Uhr geöffnet.

Die Wahlunterlagen werden vom 28. August bis zum 31. August per Post an alle Wahlberechtigten versandt. Auf der Wahlbenachrichtigung ist auch angegeben, ob der Zugang zum Wahlraum barrierefrei ist oder nicht. Auf der Rückseite der Benachrichtigung befindet sich ein Vordruck für die Beantragung der Briefwahlunterlagen. Alle Bürgerinnen und Bürger, die keine Wahlbenachrichtigung erhalten, aber glauben, wahlberechtigt zu sein, sollten sich beim Wahlamt unter Tel. (0341) 123-2865 melden.

Informationen zur Bundestagswahl in Leipzig findet man unter: www.leipzig.de/wahlen

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