Das sächsische Innenministerium hält das Bürgerbegehren zur sogenannten Privatisierungsbremse für unzulässig, teilt das Rechtsamt der Stadt Leipzig am heutigen 8. November mit. Zugleich erklärt die Leipziger Verwaltungsspitze, dass sie sich dennoch dem Ansinnen des Bürgerbegehrens verbunden fühle.

Nach Einschätzung des Innenministeriums als oberster Rechtsaufsichtsbehörde der sächsischen Kommunen verstößt das Bürgerbegehren unter anderem gegen § 39 der Sächsischen Gemeindeordnung, nach dem der Gemeinderat Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit fasst. Diese Regelung könne weder durch die Geschäftsordnung des Gemeinderates noch durch Einzelfallbeschluss umgangen werden. Ferner sei die Zulässigkeit fraglich, weil die angestrebte 2/3-Mehrheit für Veräußerungen möglicherweise in die rechtlichen Verpflichtungen der Gemeinde zur wirtschaftlichen Vermögensverwaltung eingreifen könnte. Dies betrifft vor allem defizitäre Beteiligungen der Stadt, deren Verkauf nach Lesart des Bürgerbegehrens eine Minderheit des Gemeinderates verhindern könnte.
Die Stadtverwaltung teilt die rechtliche Bewertung des Innenministeriums; über die Zulässigkeit des Begehrens entscheidet letztendlich der Stadtrat. Gleichwohl wird der Tenor des Bürgerbegehrens sehr ernst genommen. Oberbürgermeister Burkhard Jung sagte, er stehe fest zu dem Beschluss des Stadtrates aus der Vergangenheit, der festlegt, dass Unternehmen der Daseinsvorsorge nicht veräußert werden dürfen. “Solche Verkäufe wird es mit mir nicht geben”, betonte Jung. Darüber hinaus soll bei künftigen Veräußerungen von Vermögen, das die Stadt nicht zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt, dem Allgemeinwohl stärker Rechnung getragen werden. Jung wird dem Stadtrat vorschlagen, eine solche Selbstbindung zu beschließen.

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Die Initiatoren des Bürgerbegehrens hatten 21.819 gültige Unterschriften bei der Stadtverwaltung abgegeben, formal notwendig gewesen wären 21.720. Damit war das erforderliche Quorum erfüllt.

Der Wortlaut des Bürgerbegehrens:

“Sind Sie dafür, dass die ganze oder teilweise Veräußerung von Immobilien, Kulturgütern, öffentlichen Einrichtungen, Eigenbetrieben der Stadt Leipzig oder Unternehmen, an denen die Stadt Leipzig unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, zu unterbleiben hat, es sei denn, der Stadtrat beschließt eine Veräußerung mit einer Mehrheit von 2/3 aller Ratsmitglieder?

Dies gilt nur für Entscheidungen über Veräußerungen, für welche die Ratsversammlung entscheidungsbefugt und zuständig ist.”

Sächsische Gemeindeordnung, § 39 Absatz 6 – Beschlussfassung –

(6) Der Gemeinderat stimmt in der Regel offen ab; er kann aus wichtigem Grund geheime Abstimmung beschließen. Die Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. Stimmenthaltungen werden für die Ermittlung der Stimmenmehrheit nicht berücksichtigt

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