Die Distillery hat die Zustimmung des Stadtrates. Nachdem der Technoclub-Chef Steffen Kache dem Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) über 10.000 Unterschriften in die Hand gedrückt hatte, stimmte der Rat heute über einen gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen und Linke ab. Im Ergebnis bekannte sich der Rat fast einstimmig zur Distillery. Der erste Antragspunkt bekam nur eine Gegenstimme sowie eine Enthaltung.

Der zweite Punkt, welcher vorsieht, dass der Club an angestammter Adresse an der Kurt-Eisner-Straße bleiben soll, wurde ebenfalls angenommen, mit fünf Gegenstimmen und 13 Enthaltungen, von insgesamt 66 Stadträten.

Stadträtin Juliane Nagel (Linke) hatte zuvor für die Distillery geworben. “Seit dem Jahr 1995 hat sie einen legalen Standort und ist einer der bundesweit bekanntesten Clubs für elektronische Musik”, so Nagel. Sie vermutet, dass der Club noch keinen Bestandsschutz hat, weil die Elektro-Szene nicht von allen als Kulturleistung anerkannt wird.

Christopher Zenker (SPD) stimmte ein: “Wir dürfen nicht dieselben Fehler machen wie in Hamburg”, so Zenker. In Leipzig dürften Räume für die Subkultur nicht verloren gehen. “In der Umfeldbebauung kann man darauf achten, dass keine Konflikte entstehen und zum Beispiel eine Schule, eine Kita oder Läden hinsetzen”, sagte der SPD-Ratsherr.

Auf die Entstehungsgeschichte des Areals am Bahnhof ging auch Grünen-Stadtrat Norman Volger detailliert ein. Mit viel Kreativität und Unternehmergeist sei die Umgebung um das Areal durch die Leipziger selbst entwickelt worden. “Erst dadurch wurde das angrenzende Bahnareal attraktiv und kommerziell verwertbar.” Die Wichtigkeit der “Tille” steht auch für Norman Volger (B90 / Die Grünen) nicht zur Debatte: “So waren Shared Space, teilweiser Verzicht auf das Auto allgemein, Erhalt der Kultur- und Kreativwirtschaft als wichtige Impulsgeber für das Areal und die Favorisierung eines Schulstandorts auf der Westseite der Bahntrasse Hinweise, die zwar kein absolutistisches Gebot darstellen sollten, aber zumindest Beachtung finden, da sie von den Südvorstädtern kommen, welche die letzten 20 Jahre für das Entwicklungspotential des Bahnareals gearbeitet haben.”

Hier gelte es also seitens der Stadt und der Stadträte, einen Beschluss zu fassen, welcher den Rahmen für die neue Einigung zwischen der Stadtbau AG und dem Betreiber der Distillery etwas klarer fasst und so auch ermöglicht.

René Hobusch (FDP) sprach sich gegen die Vorlage aus. “Was unterscheidet die Distillery von den zahlreichen anderen Clubs und Kultureinrichtungen?”, fragte er und warnte davor, den Technoclub unter die Käseglocke zu stellen. Hobusch bot an, persönlich bei der Suche nach einem neuen Standort zu helfen.

Club-Besitzer Steffen Kache nahm das Votum mit Erleichterung auf: “Ich hätte nicht erwartet, dass der zweite Punkt so deutlich durchgeht”, sagte er. Die Tribüne war eng besetzt mit Distillery-Unterstützern, die zuvor bereits die Unterschriften-Übergabe bezeugt hatten. Das Abstimmungsergebnis nahmen sie in Stille hin, weil auf der Tribüne Ruhe geboten ist. Vor der Tür zum Ratssaal jedoch war freudiger Trubel zu hören.

“Es gab schon Momente, in denen das Thema an den Nerven zerrte”, beschrieb Kache. “Das war immer dann der Fall, wenn Aussagen der Stadtverwaltung kamen, die ich nicht nachvollziehen konnte. So auch der aktuelle Verwaltungsstandpunkt.” Nun gehe es um eine langfristige Lösung, die dem Club erlaubt zu bleiben. “Interessant ist nun, was das Amt für Stadtplanung aus der Sache macht. Dort wird man nicht ganz so erfreut sein”, vermutet Kache.

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