"Die CDU-Fraktion hat in den letzten Tagen zwei ihrer Mitglieder durch Ausschluss bzw. Austritt verloren. Damit ist nunmehr mit 17 Mitgliedern die Linke stärkste Fraktion im Leipziger Stadtrat", freut sich Volker Külow, Vorsitzender des Kreisverbands Leipzig der Linkspartei. "Das ist aus unserer Sicht nicht nur ein sehr gutes Omen für die Kommunalwahlen am 25. Mai, sondern dürfte für die letzten Sitzungen im Stadtrat zu kleinen, aber nicht ganz unerheblichen Auswirkungen führen, wenn man zum Beispiel an die Reihenfolge der Anfragen und Reden denkt."

Bislang spielt die CDU-Fraktion diese Rolle, nachdem Udo Berger als Nachrücker der Wählervereinigung Leipzig (WVL) sich der CDU-Fraktion angeschlossen hatte. Der andere WVL-Mann im Stadtrat, Bert Sander, fand sich politisch besser in der Grünen-Fraktion aufgehoben.

Doch jetzt hat sich die Gemengelage kurz vor der Stadtratswahl am 25. Mai verschoben. Da CDU-Stadtrat Dieter Deißler auf der Liste der WVL in die Wahl startet, hat ihn die CDU-Fraktion jetzt ausgeschlossen. Ein Akt, der nicht ohne Folgen blieb, denn auch Udo Berger verließ daraufhin die CDU-Fraktion, die damit von 18 auf 16 Sitze zusammenschmolz.

“Wir haben selbstverständlich nicht zu kommentieren, wie die CDU mit Fraktionsmitgliedern, die sich für ein anderes Wahlbündnis entschieden haben, umgeht. Auch unsere Fraktion stand bekanntlich vor dieser Herausforderung, hat diese Konfliktsituation aber auf deutlich geräuschlosere Weise gelöst”, sagt Külow dazu. Denn auch die Linke-Stadträtin Ines Hantschick startet diesmal auf der Liste der WVL.

“Wir bedauern selbstverständlich, dass Ines Hantschik bei den bevorstehenden Stadtratswahlen auf der Liste der Wählervereinigung Leipzig (WVL) kandidiert, obwohl sie sich auf unserer Vertreterversammlung am 1. März noch um einen Platz auf unserer Liste beworben hatte”, geht Külow auf den Grund für die Verschiebung ein. “Wir sind aber nach den bisherigen Gesprächen fest überzeugt, dass Frau Hantschik ihre Verpflichtungen innerhalb der Linksfraktion wie bisher wahrnimmt und wir gemeinsam bis zum Ende der Wahlperiode der politischen Verantwortung gegenüber unseren Wählerinnen und Wähler in bewährter Weise gerecht werden.”Die Wählervereinigung profitiert davon, dass einige politische Akteure bei den Aufstellungswahlen ihrer Parteien ins Hintertreffen gerieten. Sie hat ihre Liste auch für sie geöffnet, wissend auch, dass mit diesen Personen auch politische Erfahrung gewonnen wird. Denn wie komplex und diffizil die Arbeit mit der Leipziger Stadtverwaltung ist, das merken die Ehrenamtlichen, die für den Stadtrat kandidieren, meist erst im täglichen (oder abendlichen) politischen Geschäft. Wo dann Parteiverbände glauben, innerparteiliche Richtungsbestimmungen vorzunehmen, wenn sie neue Kandidaten bevorzugen und älteren ein Nachsehen geben, vergessen sie oft im Eifer des Gefechts, wie wertvoll die Erfahrung aus der Stadtratspraxis ist. Manche Kreisverbände nutzen sie ja schon gar nicht, gehen einfach davon aus, dass Fraktion und Kreisverbände zwei völlig verschiedene Schuhe sind.

Manche grenzen dabei aber auch wichtige innerparteiliche Kritik und Differenzen aus. Der innerparteilichen Diskussion tut das selten gut, dem Entwickeln wichtiger stadtpolitischer Projekte und Visionen auch nicht. Und der Stärkung der eigenen Fraktion ebenso wenig. Das Ergebnis ist eine Art Zirkus, in dem dann die Verwaltung mit der Peitsche knallt und die edlen Traber aller Fraktionen fröhlich durch die Manage laufen lässt.

Ein Ergebnis aber ist auch, dass immer mehr Leipziger sich schlecht oder gar nicht vertreten fühlen im wichtigsten Leipziger Gremium und sich entweder selbst organisieren oder in offeneren Wahlvereinigungen ihre Vertretung suchen. Neben der Wählervereinigung Leipzig sind auch die Piraten mit offenen Listen in die Aufstellung für ihre Stadtratskandidaten gegangen. Diese weitere Ausdifferenzierung des Stadtrates ist nicht nur ein Leipziger Phänomen. Auch in anderen deutschen Kommunalparlamenten gewinnen Bürger- und Wählervereinigungen unterschiedlichster Zusammensetzung an Gewicht. Sie greifen Themen auf, die von den etablierten Parteien oft gar nicht oder nicht ausreichend behandelt werden.

Sie nehmen Politik aber auch immer stärker als eine Sache des persönlichen Engagements wahr, die sie in den üblichen Abwägungsentscheidungen der Parteien immer weniger überzeugend vertreten finden. Ob das auch beim Wähler am 25. Mai so Zustimmung findet, muss man sehen. Aber es verändert mittelfristig natürlich die Arbeitsformen in den Kommunalparlamenten. Die Zeit der großen homogenen Parteifraktionen geht vorbei. Auch die Parteien müssen lernen, mit dem zunehmend ausdifferenzierten Wählerwillen umzugehen und unabhängige Mitglieder in ihre Fraktionsarbeit zu integrieren. Das wird auch irgendwann auf die Linksfraktion zukommen, die für den Moment mal die größte sein darf. Die CDU-Fraktion jedenfalls hat nun gezeigt, dass sie sich damit schwer tut.

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