Der WVL-Stadtrat Bert Sander ist zwar vorgeprescht, "Aber letztlich ist es ein Antrag unserer gesamten Fraktion", sagt Grünen-Stadtrat Ingo Sasama. Bert Sander, der über die Liste der Wählervereinigung Leipzig (WVL) in den Stadtrat kam, ist Mitglied der Grünen-Fraktion. Und in einem ist man sich da einig: Der überstürzte Versuch, Leipzig ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu verschaffen, ist gründlich daneben gegangen.

“Das Verfahren zum Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig nimmt immer mehr groteske Züge an und schadet bereits dem Image der Stadt erheblich. Schon nach der ersten Wettbewerbsstufe, nach der unser Jurymitglied Stadtrat Roland Quester demonstrativ aus der Wettbewerbskommission austrat, war das Verfahren faktisch gescheitert”, stellt Sasama dazu fest.

Das sah zwar die Leipziger Stadtverwaltung nicht so, die den Wettbewerbsprozess auch nach der seltsamen Bewertungsrunde im Juli 2013 fortführen wollte. Aber zu recht fühlten sich die Wettbewerbssieger von 2012 – ANNABAU und M+M – bei dieser zweiten Wettbewerbsphase benachteiligt und zogen vor Gericht.

Ziel war es ursprünglich, zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution im Oktober 2014 ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu schaffen. Aber Denkmale, zumal jene von nationalem Rang, kann man nicht aus dem Boden stampfen, auch nicht erzwingen, sie brauchen Zeit, findet auch Sasama.

Initiator und Verfasser des Antrages Stadtrat Bert Sander (Wählervereinigung Leipzig) dazu: “Die zahlreichen und oft erbitterten Diskussionen über Platz, Größe, Gestaltung etc. verdecken u. E. nur den eigentlichen Grund des Scheiterns: Die Zeit für ein derartiges Denkmal ist noch nicht reif!””Wir besitzen nach unserer Meinung mit den nach der Friedlichen Revolution entstandenen Denkmalen wie Nikolaisäule, dem ‘überlaufenden’ Brunnen, den Lichtsteinen, also mit dem Nikolaikirchhof insgesamt, bereits würdige Formen des Gedenkens der Ereignisse von 1989”, fasst Sasama zusammen. Erinnert aber auch daran, dass für Außenstehende nicht erkennbar ist, womit sie es bei all den Installationen auf dem Nikolaikirchhof zu tun haben. Es wird nicht erklärt. Von den 146 leuchtenden Pflastersteinen von Tilo Schulz und Kim Wortelkamp scheinen einige außer Betrieb. Da merken selbst nächtliche Passanten nicht mehr, dass sie über eine Kunstinstallation spazieren. Der Granitbrunnen von David Chipperfield wird zwar gern als Erntedankbrunnen benutzt – dass aber auch er ein künstlerisches Gleichnis der Friedlichen Revolution ist, erfährt der Vorübergehende nicht.

Sinnfällig ist nur die von Andreas Stötzner entworfene Nikolaisäule, die draußen vor der Kirche steht wie 1989 die Mutigen, die gegen die erstarrten Verhältnisse protestieren wollten. Für viele Leipziger ist sie das gelungenste Sinnbild der Friedlichen Revolution – auch weil die dargestellten Palmzweige auch in der Bibel das Symbol des Friedens sind. Daran musste sich der Wettbewerb um das Freiheits- und Einheitsdenkmal immer messen. Im Unterschied zu Berlin, wo es ein vergleichbares Symbol nicht gab.

Die Säule von Andreas Stötzner steht übrigens seit 15 Jahren auf dem Nikolaikirchhof, wurde von der Kulturstiftung Leipzig zum 10. Jahrestag der Friedlichen Revolution aufgestellt. Wer hier steht, steht eindeutig auf historischem Grund. Auch das hat den Denkmalswettbewerb verzerrt, als die Stadtverwaltung darauf drang, den Wilhelm-Leuschner-Platz-der-Friedlichen-Revolution als Standort zu favorisieren.

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“Aus diesem Grund hat unsere Fraktion heute einen Antrag ins Verfahren gebracht, diesen Wettbewerb zu beenden und auch in demonstrativ absehbarer Zeit nicht wieder aufzunehmen”, sagte Sasama am Donnerstag, 3. April. “Zudem soll der Platz der Friedlichen Revolution (Wilhelm-Leuschner-Platz) für eine städtebauliche Entwicklung freigegeben werden.”

Und er ergänzt: “Wir haben lange genug den hilflosen Versuchen des OBM, das Verfahren noch irgendwie zu retten, zugesehen. Jetzt gilt es Schaden von der Stadt abzuwenden.”

Auch will die Grünen-Fraktion einer kurzfristigen Aufnahme eines neuen Wettbewerbsverfahrens einen Riegel vorschieben. Bert Sander über einen möglichen neuen Zeitpunkt der Denkmalseinweihung: “Der 50. Jahrestag der Friedlichen Revolution wäre ein Zeitpunkt, zu dem – und zwar mit gebührendem Abstand zu den Ereignissen – sowohl Zeitzeugen wie aber auch die nachfolgenden Generationen eine würdige Form des Gedenkens entwickeln können.”

Aber selbstverständlich stehe es dem Stadtrat jederzeit frei, einen früheren Zeitpunkt zu wählen, stellt Sasama noch fest.

Der Grünen-Antrag als PDF zum Download.

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