Am 25. Mai sind Stadtratswahlen in Leipzig. Da kann man als Fraktion Bilanz ziehen. FDP und Linke haben es schon getan, am Montag, 28. April, schaute auch mal die SPD-Fraktion in ihre Rechnungsbücher. Immerhin hatte sie 2009 einen ganz und gar deprimierenden Start: Noch in der Nachwahl verlor sie einen Sitz im Stadtrat, den 15., wurde mit 14 Stadträtinnen und Stadträten nur drittgrößte Fraktion. Und das als "stadttragende Partei", wie Christopher Zenker sagt.

Was auch wie staatstragend klingen kann und der SPD in Leipzig gern vorgeworfen wird: Sie sei zu sehr darauf bedacht, ihren Oberbürgermeister zu stützen und Leipzigs Verwaltungspolitik wohlwollend zu begleiten. Könnte man natürlich auch sagen: Irgendwer muss es ja tun. “Die anderen können es sich erlauben, immer wieder mal Opposition zu spielen. Das ist nicht unser Stil und kann es auch gar nicht sein”, sagt Michael Clobes, der Leipziger SPD-Vorsitzende. Und es grämt ihn doch, dass SPD-Politik in der alten SPD-Hochburg Leipzig so wenig wahrgenommen wird. “Immer wieder wird uns schlechte Haushaltsführung vorgeworfen und einfach negiert, dass Leipzig trotz massiver Benachteiligung durch das Land geschafft hat, seit der letzten Wahl 140 Millionen Euro an Schulden abzubauen”, geht Clobes auf das Thema Haushaltspolitik ein. “Wir haben es geschafft, trotz angespannter Haushaltslage Schulden abzubauen. Da frage ich mich wirklich, woher die Behauptung kommt, Leipzig würde über seine Verhältnisse leben.”

Man merkt schon, wie tief die Verwundung sitzt. “Wir verstehen uns als die Kraft, die den Laden zusammen hält”, sagt Clobes. Nicht sehr spektakulär. Da kann man dann nicht auf andere zeigen, wie es andere tun. Besonders sauer ist die SPD-Fraktion mittlerweile auf das, was die CDU an Stadtpolitik veranstaltet. “Als wir um die Aufstockung der Mittel für die Schulinstandsetzung gekämpft haben, war von der CDU weit und breit nichts zu sehen”, zeigt sich selbst SPD-Vize Christopher Zenker etwas angekratzt. Denn kurz vor der Kommunalwahl entdeckte ausgerechnet die CDU, dass in einer Grünauer Schule die Toiletten zu Himmel stinken. “Wir haben schon 2012 beantragt, den Etat für die Schulinstandhaltung auf die nötigen 10,44 Millionen Euro hochzusetzen”, erinnert sich Zenker. “Einige warfen uns sogar vor, wir hätten uns dazu mit der Verwaltung abgestimmt.”

Die hatte diesen Wert tatsächlich ausgerechnet als Mindestbedarf, um genau diese Probleme in den Schulen, die gerade nicht saniert werden, abzustellen: 10,44 Millionen Euro jedes Jahr.

“Unser Antrag wurde damals abgelehnt. Da war weit und breit nichts von der CDU zu sehen. Aber jetzt schreiben sie es auf ihre Wahlplakate, als hätten sie die ganze Zeit dafür gekämpft”, sagt Zenker. Der sich im Nachhinein auch ein bisschen wundert, dass die SPD-Fraktion in den fünf Jahren nur 65 Anträge gestellt hat im Stadtrat. “Aber dafür die meisten auch angenommen. Wir machen uns vorher Gedanken, bevor wir einen Antrag stellen”, sagt er.

Und er betont, man habe sich Schwerpunkte gesetzt. Und sei auch dran geblieben. Dass es in Leipzig mittlerweile ein ordentliches Schulhausbauprogramm gebe, sei auf einen SPD-Antrag zurückzuführen. Schul- und Sozialpolitik seien eben Schwerpunktthemen für die Fraktion gewesen. “Da haben wir auch Anträge gegen die Verwaltung durchgesetzt”, sagt er. “Die Sache mit den Schulsozialarbeitern zum Beispiel. Die damalige Amtsleitung war damit ganz und gar nicht einverstanden. Aber wir haben uns überlegt: Was kann eine Stadt überhaupt machen, um die hohe Schulabbrecherquote zu senken?”

Am sächsischen Bildungssystem und dem organisierten Lehrermangel kann sie nichts ändern. Aber Schulsozialarbeiter beschäftigen, die gerade für die Kinder aus schwierigem sozialen Umfeld als Ansprechpartner da sind. “In diesem Fall bekamen wir insbesondere von den Grünen gute Unterstützung”, sagt Zenker. Und spricht damit beiläufig an, dass im Leipziger Stadtrat ohne die Zusammenarbeit verschiedener Fraktionen schon lange nichts mehr geht. Man muss also nicht nur eine zum Teil mehr als schwerfällige Verwaltung überzeugen, man muss es auch bei anderen Fraktionen schaffen. Und das dauert oft. Das Kita-Ausbauprogramm in Leipzig kam mit zweijähriger Verspätung in Gang. “Aber da sind wir jetzt endlich auf einem guten Weg”, sagt Zenker.Und es waren die beiden Leipziger SPD-Landtagsabgeordneten Panter und Mann, die in Dresden nach der Schulbauförderung fragten, die Leipzig so drastisch benachteiligte. “Das brachte dann wohl den Stimmungsumschwung in Dresden zustande”, sagt Zenker. Jetzt hofft er, dass das Schulbausonderprogramm des Freistaats auch in der nächsten Wahlperiode weitergeführt wird. Sonst schafft es Leipzig nicht, die benötigten Schulen aus eigener Kraft zu bauen. Denn unübersehbar laufen in Sachsen zwei demografische Prozesse gegenläufig: Ländliche Regionen schrumpfen, die drei Großstädte wachsen und brauchen mehr Kita- und mehr Schulplätze.

Und das nächste Wachstumsthema kündigt sich an. “In der nächsten Wahlperiode wird der soziale Wohnungsbau die wichtigste Rolle spielen”, sagt Zenker.

“Mit dem Thema Segregation beschäftigen wir uns ja schon seit Jahren”, pflichtet Ingrid Glöckner, die Sprecherin für Stadtentwicklung und Bau bei. Sie hat ihren Wahlkreis im Leipziger Osten und weiß, welche Wanderungsbewegungen ausgelöst werden, wenn einige Stadtquartiere luxussaniert werden. “Deswegen wird die Rolle der LWB in den nächsten Jahren viel wichtiger und das Vorhalten von bezahlbarem Wohnraum in allen Stadtteilen.”

Das alles sind Dauerthemen und sie werden zumeist in einem zähen Ringen um Zustimmung und Gelder umgesetzt. Das geht zuweilen unter, wenn andere Parteien lieber auf Show setzen und kurzfristige Aufregerthemen in die Öffentlichkeit bringen.

Selbst in der Verkehrspolitik ist es zumeist ein beharrliches Drängen und Nerven. Auch die SPD spricht da aus eigener Erfahrung von einer Verwaltung, die sich schwer tut mit dem Umdenken. “Ich erinnere mich an die Pläne der Verwaltung, 25 neue Dienstwagen zu kaufen”, sagt Zenker. Das Thema wirkt heute schon wie eines aus der Urzeit, bewegte aber 2010 den Stadtrat. Und es war die SPD-Fraktion, die der Verwaltung vorhielt, dass ihr Dienstwagenbeschaffungsprogramm einfach nur frech war. Und dass die Erklärungen zum umweltfreundlichen Verkehr augenscheinlich nur heiße Luft waren. Im Ergebnis schlug die SPD vor, die Verwaltung solle es doch einmal mit Car-Sharing probieren. Die Verwaltung probiert’s seit einem Jahr – und es scheint problemlos zu funktionieren.

“Es ist manchmal das Feilschen um scheinbar geringe Beträge, die aber dringend gebraucht werden, um auch nur das Notwendige zu tun”, sagt Glöckner, die auf das Thema Straßenbau verweist. “Es ist immer wieder aufs neue ein Ringen um Gelder zur Instandsetzung von Rad- und Fußwegen. Das sind keine großen Summen – aber sie bringen sofort Effekte, wenn sie zur Verfügung stehen.”

Womit man wieder bei der klammen Haushaltslage der Stadt wäre. “Unsere Anträge sind immer mit Vorschlägen zur Gegenfinanzierung versehen”, betont Zenker. “Wir sagen immer dazu, wo das Geld herkommen soll.”

Trotzdem wurden auch die Haushaltsanträge der SPD-Fraktion in der Haushaltsabstimmung für 2014 abgelehnt. “Die CDU hat sich erst gar nicht beteiligt. Das nenne ich Arbeitsverweigerung”, sagt Zenker.

Leichter wird die Finanzpolitik in Leipzig nicht, sagt Clobes. “Aber wir stehen für eine solide Haushaltspolitik. Etwas anderes wird es mit uns nicht geben.”

Verständlich, dass sich die “Stadtpartei” SPD für all die Mühe auch ein stärkeres Votum der Wähler wünscht. “Unser Ziel ist auf jeden Fall, wieder stärkste Fraktion zu werden”, nennt Clobes das Ziel für den 25. Mai.

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