Das Thema "Herrenlose Häuser" in Leipzig rundet sich langsam. Der Ergebnisbericht des Sonderprojekts "Gesetzliche Vertretung" der Leipziger Stadtverwaltung liegt vor. Das Team mit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat seit Sommer 2012 insgesamt 784 Grundstücksakten ausgewertet und diese vor allem unter den Gesichtspunkten Eigentümerermittlung, Kaufpreisüberprüfung und Anwaltsvergütung.

Wie bereits die Staatsanwaltschaft kommt auch das Sonderprojekt zu dem Ergebnis, dass es keinen Hinweis auf korruptes Verhalten von Verwaltungsmitarbeitern gab und gibt. Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Verwaltungsmitarbeiter Teil krimineller Netzwerke rund um diese Grundstücksfragen waren.

Grundproblem waren – wie in anderen ostdeutschen Städten auch – die schwierigen Eigentumsverhältnisse in den Jahren nach der Wiedervereinigung. Zur Ankurbelung der Wirtschaft und für den “Aufbau Ost” war das Rechtsinstrument der gesetzlichen Vertretung geschaffen worden, damit die Kommunen unter anderem sanierungsbedürftige Grundstücke für Investitionen zur Verfügung stellen konnten. Dadurch sollten die sonst üblichen, aber sehr aufwändigen Verfahren bei den Registergerichten, insbesondere den Nachlassgerichten, vermieden werden. Vor Bestellung eines Vertreters und Verkauf des Grundstücks musste durch die Behörde aber mit verhältnismäßigem Aufwand geprüft werden, ob Eigentümer erreichbar sind. Diese Eigentümerrecherche war in Leipzig lückenhaft.

Dies rührte unter anderem daher, dass seitens der Nachlassgerichte wiederholt gegenüber der Stadt Leipzig erklärt worden war, dass “amtliche Erbenermittlung in Sachsen nicht gesetzlich vorgeschrieben” sei. Offenbar lag der Fehler des städtischen Rechtsamtes darin, diese Vorschriften eins zu eins auf die Stadt übertragen zu haben. Auf diese Rechtsauffassung hatte die Stadt auch gegenüber der Staatsregierung und der Landesdirektion 2011 hingewiesen, ohne dass es beanstandet wurde. Gleichwohl war es nicht statthaft.

Oder im Klartext: Leipzigs Verwalter hätten trotzdem die Mühe aufwenden müssen, die rechtlichen Erben zu ermitteln. Davon kann kein Gericht und kein Landeserlass die zuständigen Ämter befreien.

Der Vergleich mit anderen Kommunen hat ferner ergeben, dass die Zahl der Bestallungen gesetzlicher Vertreter in größeren Städten gemessen an der Einwohnerzahl ähnlich hoch war wie in Leipzig. Auch dort wurden Grundstücke, für sich kein Eigentümer fand (oder keiner gesucht worden war), in der Regel verkauft. Allerdings wurden die Erlöse beim zuständigen Amtsgericht hinterlegt, während sie in Leipzig auf städtische Verwahrkonten überwiesen wurden, ohne dass Zinsen an Berechtigte ausgeschüttet wurden.

Dies wird jetzt nachgeholt, teilt Leipzigs Verwaltung mit.

In der Gesamtschau lässt sich das Resümee ziehen, “dass hier weder Böswilligkeit noch kriminelle Energie am Werk waren, sondern Menschen, die Fehler machen”, sagte der von der Stadt berufene Vertrauensmann für die “Herrenlosen Grundstücke”, Gerichtspräsident a.D. Eckart Hien. “Diese Fehler müssen, soweit möglich, in jedem Einzelfall korrigiert werden. Sie geben aber keinen Anlass zu pauschalen Unwerturteilen über die Verwaltung der Stadt Leipzig.”

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Die Ergebnisse, wie sie sich in Leipzig zum Stichtag 31. Dezember 2013 darstellten:

– Es wurden 784 Grundstücksakten überprüft, hinzu kamen 40 Aktenordner sonstigen Schriftverkehrs sowie 11.000 Belege der Stadtkasse über Buchungsvorgänge. Fachausschüsse sowie Verwaltungsausschuss und Stadtrat wurden in den vergangenen Monaten regelmäßig über den Fortgang der Aufarbeitung informiert. Dr. Hien hat als Vertrauensperson die Aufarbeitung regelmäßig begleitet und die Neuausrichtung des Verwaltungsverfahrens überwacht.

– In 401 Fällen wurden Grundstücke unter Beteiligung eines gesetzlichen Vertreters veräußert. Diese Form des Umgangs mit Grundstücken unbekannter Eigentümer war und ist aber vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt, betont die Stadt. Es handele sich hier daher grundsätzlich nicht um einen Missbrauch des Rechtsinstruments der gesetzlichen Vertretung durch Verwaltungsmitarbeiter.

– Den zuvor auf städtischen Verwahrkonten liegenden Erlöse aus den Verkäufen wurden die erwirtschafteten Zinserträge in Höhe von und 1,9 Millionen Euro zugeführt und diese anschließend auf separierte Verwahrkonten überführt. Seit dem 1. Januar befinden sie sich in Form einer grundstücksbezogenen, mündelsicheren Geldanlage bei einem Kreditinstitut.

– Durch das Sonderprojekt wurden insgesamt vier Vorgänge als Schadensfälle eingestuft. Sämtliche Vorgänge waren vor Einsetzung des Sonderprojektes bereits bekannt gewesen. In drei Fällen hat die Stadt mit den Betroffenen eine außergerichtliche Einigung erzielt und den entstandenen Schaden wiedergutgemacht. Hierfür wurden rund 400.000 Euro aufgewendet. Der vierte Fall wird noch vor Gericht verhandelt.

– Ferner wurden 34 Vorgänge identifiziert, bei denen die Grundstücke unsaniert innerhalb eines Jahres für mindestens 30.000 Euro mehr oder den doppelten Kaufpreis weiter veräußert wurden. Diese Fälle wurden an die Staatsanwaltschaft weiter gegeben. Ein Verdacht auf konkrete strafbare Handlungen ergebe sich bislang nicht, so die Stadt.

– Einer gesonderten Überprüfung wurde außerdem die Vergütung der bestallten Rechtsanwälte unterzogen. Die Vergütungsregeln waren in der Vergangenheit nicht klar definiert (das Gesetz spricht lediglich von “angemessener Vergütung”). In 48 von 513 Vorgängen war die Vergütung nicht plausibel. Hier ist es erforderlich, in den nächsten Monaten die betroffenen Anwälte persönlich anzuhören, so die Verwaltung. Der Verdacht einer systematischen persönlichen Bereicherung habe sich aber nicht bestätigt.

Der Sonderbericht vom 31. Dezember:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/2EF54FAB5843034CC1257CAD001E43F9/$FILE/v-ds-3714-text.pdf

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