Am Freitag, 4. Juli, tagte auch der Fachausschuss Kultur zum Thema Wettbewerb ums Freiheits- und Einheitsdenkmal. Jetzt liegen auch die beiden Verwaltungsstandpunkte zu den Anträgen von Grünen und Linksfraktion vor, beide im Wesentlichen deckungsgleich. Denn ausführlich versucht das Kulturdezernat zu erklären, warum ein Abbruch des Wettbewerbs teuer wird und das Verfahren bis dato von Seiten der Stadt in Ordnung war. Natürlich biegen sich die Balken.

Erstmals erfährt jetzt die Öffentlichkeit, wie sich die Stadtverwaltung das gedacht hat mit der Bewertung. Die wesentliche Grundlage kennen die Leipziger seit 2012. Danach fließt das Wettbewerbsergebnis zu 60 Prozent ins Verfahren ein, die abschließende Verhandlung um Umsetzung und Kosten mit 40 Prozent.

So nachlesbar im Verwaltungsstandpunkt: “Danach sind die drei Preisträgerentwürfe weiter im Verfahren und die Stadt Leipzig hat ein Verhandlungsverfahren mit den Preisträgern durchzuführen, in dem die Ergebnisse des Wettbewerbes mit 60 % einfließen und mit 40 % das Ergebnis des Verhandlungsverfahrens (Ablauf, Umsetzung, Honorar). Am Ende soll derjenige Preisträger für die Realisierung vorgeschlagen werden, welcher am ehesten die sachgerechte, qualitätsvolle Leistungserfüllung gewährleistet.”

Nur dummerweise war der Wettbewerbssieger noch nicht der Wettbewerbssieger. Denn nichtöffentlich ging das federführende Kulturdezernat einfach davon aus, dass die Entscheidung der Jury nur zur Hälfte ins Ergebnis einfließt. Man beruft sich da auf “Hinweise der Architektenkammer Sachsen”. Danach habe man in den Anforderungen an die Weiterentwicklung der Preisträgerentwürfe (“Pflichtenheft”) die “Gewichtung des Wettbewerbsergebnisses zu 60 % mit Preisgerichtsentscheidung 30 % und Weiterentwicklung 30 % auf Preisgerichtsentscheidung 40 % und Weiterentwicklung 20 % geändert.”

Oder noch mal langsam: Das Wettbewerbsergebnis von 2013 sollte – so sah es die interne Sicht der Verwaltung vor – nur mit 30 Prozent in die Wertung einfließen, die “Weiterentwicklung” ebenfalls mit 30 Prozent. Das habe man dann also sogar zugunsten der Entscheidung des Preisgerichts auf 40 : 20 verschoben. Aber selbst danach wäre es eher unmöglich gewesen, dass der Drittplatzierte auf einmal vorn liegt und der Erstplatzierte hinten.

Und jetzt wird es spannend. Denn das Bewertungsgremium, das dann im Juli zu entscheiden hatte, konnte sich nach zweistündiger Diskussion nicht einigen. Also musste man wieder ein geregeltes Abstimmungsverfahren finden. Das umschreibt das Kulturdezernat so: “Im Anschluss hat das Bewertungsgremium die drei Entwürfe zwei Stunden lang ausführlich diskutiert. Aufgrund der gegensätzlichen Diskussion konnte keine einmütige, verbale Bewertung der einzelnen Weiterentwicklungen abgegeben werden. Daraufhin hat der Auslober (Stadt Leipzig) festgelegt, dass auch von den anwesenden Beratern Bewertungspunkte entsprechend der Matrix vergeben werden sollen. Diesem Verfahren wurde einstimmig zugestimmt.”

Dass das zehnköpfige Gremium sich dann aber gar nicht an die Matrix hielt und etliche Mitglieder dieser Runde ihre Punkte nach Goodwill verteilten, war für zwei Preisträger des Wettbewerbs dann zu viel. Sie wählten den Weg vor Vergabekammer und Gericht. Die Stadtverwaltung – federführend das Kulturdezernat – ist sich bis heute keiner Verfehlung bewusst: “Bei der Prüfung der Vorwürfe konnte die externe Rechtsberatung der Stadt Leipzig keine Verfahrensfehler feststellen.”

Dass die Kritik des damaligen Stadtrats der Grünen-Fraktion, Roland Quester, der auch Mitglied von Jury und Bewertungsgremium war, einfach nicht zu Protokoll genommen wurde, wird im hochwohllöblichen Dezernat einfach ignoriert. Im Ergebnis bekamen die klagenden Preisträger zu zwei Dritteln Recht – die Überarbeitungsphase war rechtens. Aber das Kulturdezernat muss genau das zitieren, was die Preisträger zu recht beklagten: “Mit Beschluss vom 09.12.2013 teilte die Kammer ihr Prüfergebnis mit. Demnach wurde der Antrag des Preisträgers abgelehnt aber festgestellt, dass der Antragsteller durch die Wertung der überarbeiteten Wettbewerbsentwürfe in seinen Rechten verletzt ist.”

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung der Vergabekammer dann am 25. Februar im Wesentlichen. Und es öffnete dem so beratungsresistenten Leipziger Kulturdezernat eine Tür, mit der der Wettbewerb sauber bis zum Ende hätte durchgeführt werden können: “Für die nochmalige Bewertung der überarbeiteten Entwürfe ist ein Gremium aus den Reihen des Preisgerichts zu bilden. Sofern möglich, ist das Gremium mit dem ursprünglichen Preisgericht zu besetzen”, dekretierte es. Und: “Grundlage der erneuten Entscheidung soll eine noch von dem Preisgericht festzulegende Bewertungsmatrix nebst Erläuterungen sein. Diese Unterlagen sind den Preisträgern bekanntzugeben. Die Preisträger sollen auch die Möglichkeit erhalten, ihre Entwürfe ggf. zu ergänzen.”Und genau an dieser Stelle kneift die Leipziger Stadtverwaltung nun. Und flüchtet sich in fast dieselbe Rolle, die sie schon im Sommer 2012 eingenommen hat, als die Leipziger Volkszeitung (LVZ) geradezu ein Trommelfeuer gegen den Siegerentwurf von ANNABAU / M+M entfesselte und suggerierte, die Leipziger wollten nun unbedingt alle den drittplatzierten Entwurf “Herbstgarten”. Das wirkte sichtlich nach bis in die Sitzung des Bewertungsgremiums im Juli 2013, als sogar deutlich geäußert wurde, man müsse einen Entwurf präsentieren, der der Öffentlichkeit präsentiert werden könnte. Jene Öffentlichkeit, die ein paar Leute in der Rathausspitze bis heute für die einzig existente halten.

Und weil eine Fortsetzung des Wettbewerbs mit transparenter Methode sehr wahrscheinlich dazu führen würde, dass der Sieger von 2012 auch am Ende die besten Chancen hat, kneift das Kulturdezernat jetzt ganz offiziell. Schon gleich nach Auflistung der OLG-Vorgabe: “Nachdem das Oberlandesgericht Dresden das weitere Vorgehen für die Fortführung des Vergabeverfahrens vorgegeben hatte, wurde der aktuelle Projektstand von Teilen der allgemeinen Öffentlichkeit, Fachöffentlichkeit und Teilen des Stadtrates der Stadt Leipzig grundsätzlich in Frage gestellt”, heißt es im Verwaltungsstandpunkt des Kulturdezernates. So verwaschen, dass man sich fragen muss: Von welchen Teilen redet man da eigentlich? Hat diese Verwaltung schon derart Angst vor einer offenen Diskussion, dass sie lieber schon vorher kneift?

“Die Äußerungen reichten vom Beenden des laufenden Vergabeverfahrens mit Start eines neuen Wettbewerbs auf der Grundlage einer anderer Aufgabenstellung bis hin zur Realisierung des Denkmals in ferner Zukunft oder den gänzlichen Verzicht auf das große Nationaldenkmal mit internationaler Bedeutung. Insbesondere der Standort Wilhelm-Leuschner-Platz ist umstritten”, liest man sich jetzt heraus. Obwohl gerade die Standortdiskussion zuletzt gar nicht mehr im Mittelpunkt stand.

Aber man sammelt sich die Argumente zusammen, wie es beliebt. Also: “Mit Blick auf diese Sachlage muss auch von der Verwaltung festgestellt werden, dass eine Realisierung des Denkmals am geplanten Standort nicht mehrheitsfähig erscheint. Bei einer Entscheidung des Stadtrates, den Planungsauftrag nicht zu erteilen, wäre das Vergabeverfahren beendet.”

Mal ganz nüchtern: Es liegen zwei Anträge im Stadtrat vor. Der eine – von der Linksfraktion – fordert einen Bürgerentscheid zum Denkmal. Ob es dafür Mehrheiten im Stadtrat gibt, ist völlig offen. Die Grünen haben eine Verschiebung der Denkmalsidee auf den 50. Jahrestag der Friedlichen Revolution beantragt. Auch da ist nicht klar, ob es eine Mehrheit gibt.

Man kneift also vorsorglich, will sich aber die Entscheidungshoheit auf keinen Fall aus der Hand nehmen lassen: “Wenn nun das Vergabeverfahren beendet werden würde, könnte in einem breiten Beteiligungsprozess über die Gestalt und das Verfahren für eine angemessene Würdigung entschieden werden, ohne sich bereits an einen Standort zu binden. Für einen solchen Findungsprozess würde die Verwaltung zu gegebenem Zeitpunkt einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten.”

Selbst die Grünen bekommen das als Erklärung, obwohl bei Annahme ihres Antrags das Thema für die nächsten 20 Jahre vom Tisch ist. Damit hat die aktuelle Verwaltung nichts mehr zu tun. Sie hat dazu auch keinen “entsprechenden Vorschlag” zu machen.

Und wenn die Linken ihren Bürgerentscheid bekommen, dann ist die Verwaltungs(schnaps)idee von einem “großen Nationaldenkmal mit internationaler Bedeutung” vom Tisch. Dann sagen die Leipziger, ob sie das Denkmal wollen oder nicht. Wenn sie es wollen, heißt das aber trotzdem nicht, dass die Verwaltung ihr Katz-und-Maus-Spiel wieder von vorn beginnen darf. Dann kann das auch bedeuten, dass der aktuelle Wettbewerb konsequent zu Ende geführt wird, ob einer gewissen Zeitung das Ergebnis passt oder nicht. Dann stehen die Leipziger auch mehrheitlich dahinter.

Für einen echten Wettbewerbsabbruch braucht es einen eigenen Antrag. Weder Linke noch Grüne haben ihn so vorgelegt. Die Grünen – so schreibt es jedenfalls die LVZ – hätten ihren Antrag vorerst zurückgezogen. Also liegt der Antrag der Linken auf dem Tisch. Stimmt die Stadtratsmehrheit zu, gibt es einen Bürgerentscheid. Lehnt sie ab – gibt es noch immer keinen neuen Wettbewerb. Denn der alte gilt nach wie vor. Er beruht auf einem Stadtratsbeschluss vom 18. Mai 2011. Der gilt bis heute. Anders ist es, wenn die Grünen ihren Antrag doch aufrecht erhalten und eine Mehrheit im Stadtrat finden: Dann wird der aktuelle Wettbewerb tatsächlich beendet und den Enkeln überlassen zu entscheiden, ob und was für ein Denkmal sie sich wünschen.

Der Verwaltungsstandpunkt für die Grünen als PDF zum Download.

Der Verwaltungsstandpunkt für die Linken als PDF zum Download.

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