1.700 Asylbewerber gibt es derzeit in Leipzig. Weitere 1.300 werden wohl Leipzig noch in diesem Jahr zugewiesen, denn die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten sorgen dafür, dass immer mehr Flüchtlinge nach Europa strömen. Damit ist ein wichtiger Beschluss des Stadtrates erst einmal nichtig: Die zerschlissene Unterkunft in der Torgauer Straße 260 kann nicht geschlossen werden. Im Gegenteil: Leipzig muss das Gebäude noch einmal instand setzen, um es die nächsten Jahre nutzen zu können.

Das Ziel der dezentralen Unterbringung der Asylbewerber ist damit nicht vom Tisch. Doch um den Ansturm zu bewältigen, braucht Leipzig auch weiterhin eine zentrale Unterbringung. Mindestens bis 2016, wie es im Konzept “Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig” vom Stadtrat beschlossen wurde. Aber reicht da eine bauliche Instandsetzung? Muss sich nicht auch das Betreuungskonzept ändern?

Gleich zwei Fraktionen im Stadtrat beschäftigt dieses Thema. Die Linksfraktion knüpft direkt an die Sorgen an, die sie 2013 im Zusammenhang mit dem Aufsehen erregenden Tod eines Asylbewerbers in der Torgauer Straße 290 schon geäußert hat. Sie fragt jetzt, wo das für März 2014 versprochene Konzept für die soziale Betreuung der Asylbewerber bleibt. Ist die Verwaltung auch hier nicht dazu gekommen, das Konzept termingerecht zu erstellen?

Die Grünen wollen, um das Ganze nicht ganz einer augenscheinlich immer stärker überforderten Verwaltung zu überlassen, ein “Begleitgremium zur Vergabe von Leistungen für Asylbewerberunterkünfte”.

“Mit dem von meiner Fraktion eingereichten Antrag verfolgen wir das Ziel, die Vertreter der Migrantinnen und Migranten wie auch die politischen EntscheidungsträgerInnen in die Prozesse um die Leistungsvergabe von Betreibung der Gemeinschaftsunterkünfte und die damit einhergehende soziale Betreuung von Asylsuchenden und Geduldeten einzubeziehen. Bislang entscheidet die Verwaltung selbst über die Leistungsvergabe, das ist aus unserer Sicht intransparent und verhindert die Einflussnahme der eigentlichen Interessenvertreter auf konzeptionelle Kriterien bei der Vergabe”, erklärt dazu Diana Ayeh, Stadträtin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. “Meine Fraktion hat maßgeblich für die Etablierung des Konzeptes einer möglichst dezentralen Unterbringung von Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gekämpft, welches schließlich 2010 beschlossen wurde. Seither sind zahlreiche kleinere Gemeinschaftsunterkünfte ans Netz gegangen und konnte eine Vielzahl Geflüchteter dezentral in eigenen Wohnraum ziehen.”

Eine Beteiligung der Stadträte als Entscheidungsträger solcher Prozesse an der Konzeptionierung der Betreibung und Betreuung ist bisher nicht vorgesehen. Was das Thema immer wieder in ein medial schwieriges Fahrwasser bringt. Die Verwaltung konfrontiert Stadtrat und Öffentlichkeit zumeist mit fertigen Beschlüssen, ohne die Entscheidungsfindung transparent zu machen. Entsprechend schwierig gestaltet sich dann auch die Arbeit der Fraktionen, wenn sie sich in fertige Beschlusskonvolute einarbeiten müssen, ohne den nötigen Vorlauf, den die Verwaltung hat.

“Allerdings wurde bereits an verschiedenen Stellen und aus verschiedenen Blickwinkeln über Art und Weise, Umfang sowie sozialpädagogische Konzeption der Betreuung der Asylsuchenden diskutiert. Auch hier wurde deutlich, dass eine frühzeitige Einbeziehung der Beteiligten und mehr Transparenz im Verfahren der Sache dienlich gewesen wäre”, stellt Diana Ayeh fest. “Um eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung und der Politik einerseits, für die wir seit vielen Jahren werben, aber auch eine vertretbare sozialpädagogische Betreuung der Betroffenen zu gewährleisten, sollte demnach ein Begleitgremium, ähnlich wie dieses seit Jahren im Bereich der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe etabliert ist, ins Leben gerufen werden. Dieses Gremium, welches sich nach unserer Vorstellung aus Vertretern der Fraktionen und des Migrantenbeirates als direkter Interessenvertretung der Vereine und Initiativen der Migrantenhilfe und der Asylsuchenden zusammensetzen soll, sollte darüber hinaus im Rahmen der Evaluation und in die Erarbeitung der Fortschreibung des Konzeptes Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig aktiv einbezogen werden.”Die weiterhin steigenden Zuweisungszahlen werden in Leipzig nun erst einmal dazu führen, dass die Unterkunft in der Torgauer Straße, die die Stadt durch den Stadtratsbeschluss von 2010 zur dezentralen Unterbringung aufgeben wollte, vorerst weiter bestehen bleibt. Eine Sanierung des Hauses soll nun erfolgen.

Aber auch da sieht die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft die Verwaltung im Verzug. Sie scheint immer öfter erst dann zu handeln, wenn die Probleme nicht mehr zu übersehen sind.

“Man muss schon die Frage stellen, da schon länger absehbar war, dass man vorerst nicht auf zentrale Unterbringungen wegen der steigenden Flüchtlingszahlen verzichten kann, warum in der Torgauer Straße die entsprechend notwendige Sanierung für eine menschenwürdige Unterbringung nicht in die Gänge kommt, obwohl das Fachamt seit Jahren darauf hinweist”, stellt sie lakonisch fest. “Bei mittlerweile 56 Prozent dezentraler Unterbringung muss das erklärte Ziel der Stadt Leipzig, auf Massenunterkünfte zu verzichten, weiterhin das oberste Primat bleiben, welches mit allen Kräften in möglichst kurzer Zeit erreicht werden muss – unabhängig der nun zur Debatte stehenden übergangsweise nötigen Sanierung der Unterkunft in der Torgauer Straße.”

Die vier Punkte aus dem Beschlussvorschlag der Grünen zum “Begleitgremium zur Vergabe von Leistungen für Asylbewerberunterkünfte einrichten”:

1. Mit Beginn der VI. Wahlperiode ab September 2014 wird für die Vergabe von Leistungen für Betreibung und soziale Betreuung in den Unterkünften für gemeinschaftliches Wohnen von Asylsuchenden und Geduldeten in Leipzig ein Begleitgremium geschaffen.

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2. Das Begleitgremium wird prinzipiell kurzfristig im Zuge des Ausschreibungs- und Angebotseinholungsverfahren für ein konkretes Objekt einberufen. Dabei wird ihm die Aufgabe zuteil, die Einhaltung konzeptioneller Kriterien der sozialen Betreuung und Betreibung, wie sie im Ratsbeschluss vom November 2013 (RBV-1826/13) für Gemeinschaftsunterkünfte der Kategorien A und B festgeschrieben sind, in Bezug auf konkrete Objekte und Anbieter zu überprüfen und Empfehlungen für die Vergabe abzugeben.

3. Das Begleitgremium wird langfristig damit beauftragt, die konzeptionellen Kriterien von sozialer Betreuung und Betreibung zu evaluieren und gegebenenfalls zu erweitern. Das Begleitgremium wird hinsichtlich dieser Kriterien in die Erarbeitung der Fortschreibung des Konzeptes “Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig” bis Ende 2014 und darüber hinaus aktiv einbezogen.

4. Neben Verantwortlichen der Verwaltung des Amtes für Jugend, Familie und Bildung (AfJFB) sollten hierbei Vertreter der Stadtratsfraktionen und des Migrantenbeirates einbezogen werden.

Der Antrag der Linksfraktion zur sozialen Betreuung de Asylbewerber: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/D00F5F957863089DC1257D09002B4FA5/$FILE/V-f-1201.pdf

Anfrage der Grünen zur Ertüchtigung der Torgauer Straße 260: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/E0A761108EE55976C1257D080034547B/$FILE/V-f-1199.pdf

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