Wer sich im Nachgang an die Leipziger Kommunalwahl vom 25. Mai 2014 über den erneut auftauchenden Vorschlag des Migrantenbeirats der Stadt wunderte, die Wahl von 16 Mitgliedern des Integrationsgremiums doch mit zum Beispiel den Kommunalwahlen zu koppeln, konnte bei tieferem Kramen leicht feststellen - die Geschichte kursiert nun ohne echte Entscheidung seit dem November 2012 durch die Gremien und Amtsstuben. Da beantragte der Migrantenbeirat Leipzigs erst einmal eine Prüfung der Verwaltung, ob es nicht ein demokratischer Schritt wäre, hierzu öffentliche Wahlen abzuhalten. Und die Verwaltung prüfte und prüfte.

Was sie auch selbst in der Begründung zur Ablehnung der Wahlidee des Rates zum wichtigsten migrationspolitischen Gremium der Stadt schreibt: “Im Ergebnis der daraufhin erfolgten Prüfung hat die Verwaltung am 18.09.2013 der Ratsversammlung eine Information vorgelegt …” Da war also das erste Jahr rum, die Verwaltung der Meinung, die Ernennung nach einer Bewerbung sei erprobt, Wahlen zum Beirat also nicht notwendig. Eine Information, welche der Stadtrat erst einmal so hinnahm und auf den anschließend noch der Tätigkeitsbericht des Migrantenbeirates im Mai 2014 folgte. Dieser bestätigte, so die Verwaltung, die Meinung der Stadt Leipzig, es sei alles zum Besten im Rat und es bedürfe keiner Wahl der Mitglieder.

Konträrer konnten offenbar die Meinungen gar nicht sein, denn nahezu zeitgleich stellte der Migrantenbeirat einen echten Beschlussantrag auf Durchführung von Wahlen für ihr Gremium. Ein Weg, welcher derzeit von den Linken, den Grünen und der SPD unterstützt wird. Die Antwort der Verwaltung war eine amtliche Bekanntmachung, die der Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller (SPD) am 27. September ins “Amtsblatt” der Stadt Leipzig setzen ließ: “Öffentliche Ausschreibung – engagierte Migrantinnen und Migranten zur Mitarbeit aufgefordert”. Anlass für zwei geharnischte Wortmeldungen von Linken- und Grünen-Fraktion, welche hier vor der Beschlussfassung am 15. Oktober 2014 den Skat bereits vergeben sahen. Zweiter Grund für die Verkündung: eine Wahl steht in näherer Zukunft nicht an in Leipzig, doch der Rat muss jetzt, mit dem neuen Stadtrat, ebenfalls neu konstituiert werden.

Der Vorschlag, über welchen die Räte nun inmitten dieser reichlich verqueren Situation auch unter dem Eindruck der zwingenden Neubesetzung des Migrantenrates mit dem Start der Arbeit des neuen Stadtrates abzustimmen hatten, lautete: “Die 16 Mitglieder des Migrantenbeirats der Stadt Leipzig mit Migrationshintergrund, welche nicht durch die Fraktionen bestellt werden, werden künftig durch die Migrantinnen und Migranten der Stadt Leipzig gewählt.”
Die Begründung seitens der Antragsteller: Für die Migranten, welche ” … inzwischen 10 % der Bevölkerung der Stadt bilden, muss die Frage geklärt werden, ob diese Bevölkerungsgruppe nicht auch das Recht hat, ihre Vertreter/-innen selbst zu wählen. Diese Wahl würde die 16 Mitglieder ausländischer Herkunft betreffen. Die übrigen 6 Mitglieder werden durch die gewählten Stadträte ihrer Fraktion vorgeschlagen und letztendlich, ebenso wie die 16 Mitglieder ausländischer Herkunft, durch den Stadtrat bestätigt.” Bei rund 530.000 Einwohnern Leipzigs also rund 50.000 Bürger, welche so ihre Vertreter unter einem Verteilungsschlüssel in den Beirat der Stadt wählen könnten.

Eine Wahl der Mitglieder würde die Legitimität des Migrantenbeirats erhöhen können, da sind sich offenbar auch die Linksfraktion, die der Grünen und der SPD weitgehend einig, welche zum 15. Oktober den Beschlussvorschlag mit eigenen Ergänzungen flankierten.

Der Beschlussvorschlag des Migrantenbeirats lautete: “Die 16 Mitglieder des Migrantenbeirates der Stadt Leipzig mit Migrationshintergrund, welche nicht durch die Fraktionen bestellt werden, werden künftig durch die Migrantinnen und Migranten der Stadt Leipzig gewählt.”

Eingebracht wurde der Antrag durch den Vorsitzenden des Migrantenbeirats, Hassan Zeinel Abidine. Er zitierte einen Stadtratsbeschluss, indem er nochmals darauf verwies, dass es der Wunsch des Rates gewesen sei, dass der Beirat seit 2009 für eine höhere Integration sorgen solle. “Dieser Beschluss heute ist entscheidend für die Arbeit des Migrantenbeirats. Die Beiräte wären dann endlich ihren Wählern gegenüber verpflichtet. Ich appelliere an Sie, unserem Antrag zuzustimmen”, schloss Abidine.
Unterstützung erhielt Abidine neben Grünen und der SPD durch die linke Stadträtin Juliane Nagel in ihrem Redebeitrag. “Es wurde zum Beispiel die geringe Wahlbeteiligung und die hohen Kosten als Ablehnungsgründe genannt. Ich bin froh, dass der Beirat dieser Argumentation getrotzt hat.” Mit dem ergänzenden Vorschlag der Linkspartei sei sicherzustellen, dass die Wahl binnen eines Jahres durchgeführt werden kann. Der Vorschlag der Linken lautete: “Die Hauptsatzung der Stadt Leipzig wird entsprechend angepasst. Die Verwaltung wird mit der Einleitung aller notwendigen Schritte zur Durchführung der Wahl (Wahlordnung, Bekanntmachung unter den Wahlberechtigten, Wahlprozedere) beauftragt, so dass diese innerhalb eines Jahres durchgeführt werden kann.”

Insbesondere weil Teile der Migranten obwohl sie ihren Lebensmittelpunkt in Leipzig haben und dennoch kein Wahlrecht hätten, wäre die direkte Wahl der Räte auch für diesen Teil der gesamt rund 53.000 Migranten wichtig.

Christopher Zenker (SPD) betonte, dass seine Fraktion die Direktwahl unterstützt. “Für mich ist eine geringe Wahlbeteiligung eher ein Grund, sich für noch mehr Beteiligung einzusetzen.” Dennoch sähe die SPD noch eine größere Herausforderung bei der Einrichtung der direkten Wahlmöglichkeit. Nur Wahlrecht für Menschen mit nicht-deutschem Pass, wie in Dresden? Überdies seien Quotenregelungen zu klären, damit möglichst viele Nationalitäten im Migrantenbeirat Platz finden.

Für die Grünen trat abschließend Diana Ayeh ans Mikrophon, welche umgehend beklagte, dass es irgendwie in Leipzig immer um Beteiligung gehe, aber wenn es konkret werde, meist nichts dergleichen passiert. So sah also die junge Grünenstadträtin die ablehnende Haltung der Verwaltung zur direkten Wahlmöglichkeit bei der Findung der 16 Beiräte, bestehend aus gewählten Migranten in Leipzig. Es erinnere sie an das Hin und Her beim Jugendparlament.
Entgegen dem SPD-Vorschlag wollten Grüne und Linke dabei die Beibehaltung des bisherigen Gremiums als Interimslösung, bis eine erste Wahl durchgeführt würde.

Ansbert Maciejewski (CDU) brachte vor der Abstimmung noch Fragen an. Über welche Wahberechtigten reden wir denn hier? Also welche Grundgesamtheit an Wählern sei gemeint? Dies konnte ihm noch keiner beantworten und eben dies vermisse er nach wie vor. In Richtung Linke und dabei Juliane Nagel ging es mit der Aussage, dass man hier wohl etwas gegen die bestehenden Wahlgesetze hätte. Auch René Hobusch (FDP) fragte nochmals, wer nun die Wähler seien und ob ein quasi Parlament notwendig sei.

Juliane Nagel antwortete nochmals auf die Einwände seitens CDU und FDP. Ausländer und EU-Bürger sind natürlich als Wählergruppe gemeint und vielleicht sei noch zu klären, ob eingebürgerte Ausländer noch weiter im Migrantenbeirat tätig sein sollten. Derzeit seien sie dies. Müller (Erster Bürgermeister) verwies abschließend darauf, dass es sich bei einer solchen Wahl nur um 6 Prozent handeln könne, da man letztlich nur die Ausländer über die Meldebehörden genau erfassen könne – mit deutschem Pass und als Migrant sei man davon nicht mehr erfasst, was also die Wähleranzahl weiter absinken lasse. “Dann sollten wir es aber auch, wie in Dresden “Ausländerrat” nennen.” Ihm sei das jetzige Verfahren der Benennung ohne direkte Wahl lieber.

Hassan Zeinel Abidine forderte vom Rat in einer letzten Einlassung vor allem, hier nun wenigstens das zukünftige Prinzip zu bestimmen. “Wahl oder nicht” – dass möchte der Migrantenbeirat nun nach 2 Jahren endlich wissen.

Es ging denkbar knapp zur Sache. Der Antrag der Linken wurde abgelehnt. Ebenso der Ergänzungsvorschlag der Grünen. Übrig blieb der Vorschlag der SPD, welcher letztlich bedeutete, dass heute die Entscheidung gefallen ist, dass zukünftig der Migrantenbeirat in Leipzig gewählt wird. Bis zur Einführung der Regeln für diese Wahl, wird nochmals ein neuer Migrantenbeirat mit Einsetzung des neuen Stadtrates nach dem alten Einsetzungsverfahren bestimmt.

Ergänzungsvorschlag Die Grünen

Die Tätigkeitsperiode des jetzigen Migrantenbeirats verlängert sich bis zur Konstituierung des neuen Beirates nach der Direktwahl.

Abgelehnt

Ergänzungsvorschlag SPD

1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, gemeinsam mit dem Migrantenbeirat bis Ende des 2. Quartals 2015 ein Verfahren (Wahlverfahren, Quoten, Wahlberechtigte etc.) zu entwickeln, durch das die Mitglieder des Migrantenbeirats, die nicht zugleich Mitglieder des Stadtrates sind, in direkter Wahl bestimmt werden können.

Angenommen gegen CDU.

2. Befristet bis zur Beschlussfassung einer entsprechenden Wahlsatzung für die direkte Wahl von Mitgliedern des Migrantenbeirates wird der Migrantenbeirat mit dem Beginn der neuen Wahlperiode nach dem bisher üblichen Verfahren gebildet.

Abgelehnt (Linke und CDU zusammen).

3. Nach Beschluss der Wahlsatzung im Stadtrat und einer möglicherweise notwendigen Anpassung der Geschäftsordnung des Beirates wird die Wahl für den Migrantenbeirat zum nächst möglichen Zeitpunkt angesetzt.

Angenommen gegen die CDU.
Begründung: Mit Beschluss Nr. RBV-1458/12 vom 12.12.2012 hat die Ratsversammlung das “Gesamtkonzept zur Integration der Migrantinnen und Migranten in Leipzig” verabschiedet. Unter den ca. 130 damit beschlossenen konkreten Maßnahmen befand sich seinerzeit auch folgender Prüfauftrag des Migrantenbeirats: “Die Stadt Leipzig prüft bis zum 01.06.2013, ob und wie die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden können, um die 16 Mitglieder des Migrantenbeirats, welche nicht von Fraktionen des Stadtrates entsandt worden sind, direkt durch die von ihm vertretene Bevölkerungsgruppe wählen zu lassen.”

Im Ergebnis der daraufhin erfolgten Prüfung hat die Verwaltung am 18.09.2013 der Ratsversammlung eine Information vorgelegt, die diese ohne Wortmeldungen zur Kenntnis genommen hat (vgl. DS V/3124). Darin plädierte die Verwaltung – in Abwägung verschiedener Aspekte und wegen der insgesamt positiven Erfahrungen mit dem Leipziger Modell – für die Beibehaltung des bisherigen Verfahrens zur Einrichtung des Migrantenbeirats der Stadt.

Da die damalige Einschätzung auch durch den zweiten und abschließenden Tätigkeitsbericht des Migrantenbeirats fur die V. Wahlperiode 2009 – 2014 (Drucksache Nr. V/3732, Ratsversammlung am 25.05.2014) bestätigt wurde, gibt es für die Verwaltung keinen Anlass für eine Neubewertung zum nun vorliegenden Antrag des Migrantenbeirats, der die gleiche Intention wie der o.g. Prüfauftrag von 2012 hat.

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