Es sind schon seltsame Zeiten. Eher durch die Parallelität der Ereignisse, die dann doch wieder irgendwo am Horizont zusammenfinden. Auf dem Weg zum Neuen Rathaus ein Gespräch über die wirklichen, sozialen, Abstiegs - Hintergründe beim Aufflammen der Dresdner "Pegidas" mit einem Taxifahrer. Drin im großen Saal der neue Leipziger Stadtrat bei seiner konstituierenden Sitzung. Und draußen vor der Tür eine Mahnwache der Leipziger Feuerwehr.

Und ein Oberbrandmeister und Truppführer der im Interview über die Probleme zwischen der Stadt Leipzig und der Berufsfeuerwehr erzählt. Und auf einmal entsteht eine Beschreibung über einen Zustand, den man getrost als Irrsinn und Gefahr für den Brandschutz in der Stadt bezeichnen darf. Und als eines von vielen Beispielen, wie sich Prioritäten verschoben haben könnten.

Demos haben sie gemacht, auf Facebook sind sie unterwegs und fordern auch heute wieder ein, dass man sich endlich einigt: Auf vernünftige Schichtregelungen, Überstundenlösungen, bei denen man vorschlug “Stundenkonten” einzurichten, welche sich quasi ansammeln und zu einem früheren Dienstende genutzt werden könnten. Denn nicht jeder kann den aufreibenden Job über die 60 Jahre weit hinaus machen, da gilt es lange fit zu sein in den 24-Stunden-Schichten, im Ernstfall auch mal Türen einzutreten, durchs Feuer zu gehen und Leben zu retten.

Kein Job wie jeder andere, die Verantwortung und die körperlichen Belastungen können extrem werden. Die Bürokratie offenbar auch, denn sie braucht und braucht. Und sucht offenbar irgendwie nach mehr Geld – denn die Brandmeister stehen hier nicht aus Gier, die Männer mit dem harten Händedruck machen sich Sorgen. Und sie haben geklagt, um eine Arbeitszeitregelung mit ihrem Arbeitgeber, der Stadt Leipzig hinzubekommen.
Längst geht es darum, den aktuellen Dienstbetrieb irgendwie zu gewährleisten, so die Auskünfte aus mehreren Gesprächen in den vergangenen Monaten. Denn der Schutz bei Bränden in Leipzig ist längst in Gefahr, das Fazit Schuppes im Gespräch. Wenn ein Großbrand wie beispielsweise einer Lagerhalle entsteht, könnte es leicht geschehen, dass kein Puffer mehr vorhanden ist, wenn weitere Probleme gleichzeitig auftauchen. So sehen Systeme aus, die auf Kante genäht sind. Und das hier ist kein Gespräch, wo man den Eindruck haben sollte, die Kameraden der Feuerwehr würden gerade von weniger als 100 Prozent reden.

Und irgendwann die Frage im Hinterkopf, ob dass eigentlich im Zweifel “den Bürgern” noch vermittelbar wäre, wenn da mal was kippt? Kann es wirklich immer nur am Geld liegen, wenn es um Lehrer, Polizisten und hier nun die Feuerwehr geht? Als das Mikro aus ist, geht es auch um Kommunalfinanzierung, Landtagsbeschlüsse, die große Politik. Die wohl langsam die Aufgabe haben wird, sich noch stärker um ganz reale Probleme und das auch schneller zu kümmern. Wie eben den Brandschutz. Und auf einmal ist Pegida wieder da, nicht in blinder Zustimmung, eher auf den Punkt konzentriert, wo der Hass auf Muslime oder Flüchtlinge keine Rolle spielt, weil er schlicht nicht vorhanden ist in diesen Gesprächen mit Taxifahrer, Stadträten, Feuerwehrleuten. Sondern dass wirklich gemeinsame Lösungen erarbeiten mit denen, die dafür gewählt wurden.
Mit den ehrenamtlichen Stadträten, die während des Interviews oben in der großen Wandelhalle stehen und vielleicht ahnen, dass es nicht leichter wird in den kommenden Jahren Prioritäten zu setzen, manches fallen und anderes gedeihen zu lassen in Leipzig.

Die Leipziger Räte haben auch für die städtische Feuerwehr nur einen “kleinen” Rahmen mit engen Wegplanken. 1,4 bis 1,5 Milliarden hat die Stadt zur Verfügung um alle Pflichtaufgaben im Jahr zu erfüllen, für Extras ist da wenig Platz bei all den Schulsanierungen, Kitabauten, den Zuschüssen an die LVB und für die Straßeninstanthaltungen bei einem etwas zu groß geratenen Wegenetz aus den 90ern. Auch die Zuschüsse für die Kosten der Unterkunft (KdU) für Menschen die Hartz IV oder Wohngeld beantragen müssen, werden angehoben werden. Weil schlicht die durchschnittlichen Mieten gestiegen sind.
Einfach weiter die Kulturzuschüsse rasieren? Es ist eine Binsenweisheit, dass lebendige Leipzig lebt auch und sehr stark vom Tourismus. Noch weniger Schulsozialarbeiter? Nach all den letzten Kürzungen? Vielleicht die Oper schließen, ein Zeichen setzen – nicht die Gedanken Brandmeisters Schuppe, Hinterkopfgedanken eines fragenden Journalisten.

Alles muss in dieses kleine Töpfchen. Da ist irgendwann die Frage, warum es eigentlich so klein ist, für eine Stadt mit Wachstumsschmerzen vielleicht zu klein (liebe Landespolitik). Und was geschieht, wenn es einmal zu oft in Leipzig brennt. Eine Frage, die den Taxifahrer, der in “Pegida” eine Veränderungsbewegung, mindestens aber eine Druckkulisse für drängende Fragen erkannt haben will, den neuen Stadtrat und den Feuerwehrmann draußen vor der Tür interessieren muss. Neuer Stadtrat, neues Glück? Eher alte Probleme, die ihrer Lösung harren.

Dazu zählt auch der Ruf von einem offenkundigen Sympatisanten des neuen NPD-Stadtrates Enrico Böhm am späten Nachmittag des 18. Dezember von der Empore herunter. Warum eigentlich mancher nur diese Botschaft zu den Fragen der Zeit hat? “Wir kriegen Euch alle.” kajolt es hernieder. Womit das Feld eröffnet wäre, was Pegida noch so an Fehlsichten, Wiederauferstehungen und Klientel hinter sich herzieht.

Aber das Thema an dieser Stelle hätten die wackeren Brandmeister und ihre Mahnwache nun wirklich nicht verdient. Sie versuchen einfach für andere Menschen da zu sein und sind weit, sehr weit entfernt von diesem Idioten auf der Balustrade. Der neue Stadtrat jedenfalls wird ab Anfang Januar 2015 einiges auf einmal zu lösen haben.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar