Der Mittwoch, 25. Februar, naht und bei einigen Themen auf der Arbeitsliste des Stadtrates wird es heftig zur Sache gehen. Auch bei der Abstimmung über den Bau der neuen Spielstätte für das Schauspiel Leipzig. 4,6 Millionen Euro kostet das durchaus ambitionierte Projekt. Doch mit der Zustimmung zu diesem Projekt wollen Kultur- und Baudezernat auch gleichzeitig den Verkauf der Gottschedstraße 16 beschließen. Ein Trojanisches Pferd nennt man so etwas.

Der einzige Unterschied zu Troja ist: Nicht nur die Freie Szene, die seit Jahren darum kämpft, das Haus als Spielstätte in der Nähe des Stadtzentrums für sich zu gewinnen – allen voran der Direktinteressent Cinémathèque Leipzig -, auch die Stadtratsfraktionen haben gemerkt, was ihnen da untergejubelt werden soll. Und zwar unter der Vorgabe, mit dem Verkauf des lange Jahre als Spielstätte (“Skala”, “Neue Szene”) genutzten Hauses in der Gottschedstraße 16 könnte der Neubau der neuen kleinen Schauhaus-Spielstätte finanziert werden. Doch mittlerweile ist längst klar, dass mit dem Erlös bestenfalls ein Teil der Neubaukosten refinanziert werden könnten. Den größeren Teil müsste sowieso die Stadt beisteuern.

Und im Stadtrat tun sich jetzt klar zwei Fronten auf: Die einen sind für den bedingungslosen Verkauf der Immobilie. Dafür steht die CDU-Fraktion, die für den 25. Februar einen Änderungsantrag vorgelegt hat, der einige Eiertänze aus der Verwaltungsvorlage beseitigen möchte. Klare Aussage: “Die Veräußerung der Immobilie Gottschedstraße 16, und zwar zum Verkehrswert, war bislang die unverzichtbare Geschäftsgrundlage für das Bauvorhaben Zweitspielstätte Schauhaus. – Dieses Anliegen wird inzwischen immer mehr verwässert, so heißt es in dieser Vorlage unter Abschnitt 5 Finanzierungsplan: ‘Zur teilweisen Refinanzierung der Baumaßnahme sollte optional der Verkaufserlös zum Gebäude Gottschedstraße 16 genutzt werden.’ Diese Refinanzierung ist für uns keine Option, sondern zwingende Voraussetzung und Bedingung!”

Und die Gegenposition, formuliert in einem Änderungsantrag der Linksfraktion, lautet: “Die Finanzierung der Baumaßnahme wird ohne einen möglichen Verkauf der Gottschedstraße 16 geplant. – Aus dem Beschlussvorschlag geht hervor, dass die Finanzierung des Bauvorhabens in Jahresscheiben in der Haushaltsplanung bereits konkret untersetzt ist. Vor diesem Hintergrund entfällt die zwingende Notwendigkeit, zusätzliche Einnahmen zur Refinanzierung der Maßnahme zu veranschlagen.  Zudem fällt das Finanzierungsvolumen mit 4,954,00 Euro (Anm. d. Red.: 4.954.000 Euro) deutlich geringer aus als in der ursprünglichen Planung (6.823.000 Euro) vorgesehen.”

Die Planungen für die neue Schauhaus-Spielstätte sind mittlerweile deutlich abgespeckt.

Gleichzeitig gibt es den Antrag von Linken und Grünen, die Gottschedstraße wirklich der Freien Szene zur Verfügung zu stellen.

Mit folgendem Inhalt:

1. das Grundstück Gottschedstraße 16 (ehemalige Spielstätte Skala) wird einer dauerhaften kulturellen Nutzung zugeführt. Die Stadtverwaltung bietet diese potenziellen Nutzern aus der Freien Szene gezielt für Erbbaurecht oder Kauf an.

2. Eine Wiedereröffnung wird von der Stadtverwaltung unterstützt.

Spielraum, die Gottschedstraße neu zu denken

Und mitfiebern wird am 25. Februar vor allem die Mannschaft der Cinémathèque Leipzig, die nun seit über zwei Jahren für ihr Konzept eines “Filmkunsthauses” aus eigener Kraft und eigenen Mitteln kämpft. Einziges Manko: Der Verein hat nicht einfach mal die Million in der Tasche, mit der er eine Immobilie kaufen könnte. Genau das ein Fall, an dem die Stadt tatsächlich einmal echte Kulturpolitik für die Kreativen vor Ort machen könnte.

“Eine Architektur-Machbarkeits- und eine Kinobetriebsstudie haben wir in Auftrag gegeben, beide mit positiven Ergebnissen. Es geht um Eigenverantwortung, künstlerische, kulturelle Freiräume flankiert durch effektives Wirtschaften, um kulturelle, experimentelle und visionäre (Bildungs-) Inhalte dauerhaft aus eigener Kraft zu kofinanzieren und unser Arbeitsspektrum konstant weiterzuentwickeln”, erklärt dazu Angela Seidel, Geschäftsführerin des Cinémathèque Leipzig e.V. “Dadurch kann Neues entstehen, wachsende Unabhängigkeit, ein lebendiges Kultur/Kunstlabor – als alternativer ‘Leuchtturm’ im aktuellen innerstädtischen Kulturkanon.”

Das  Konzept sieht inhaltlich konkret vor, kulturell-gemeinnützige und wirtschaftlich agierende Akteure im Film- und Medienkunstbereich unter einem Dach zusammen zu bringen. Herzstück des “Filmkunsthauses” sollen drei Leinwände/Kinosäle werden für anspruchsvolles Programmkino und die Filmkultur-/ Filmkunstarbeit der Cinémathèque und Partner (z.B. DOK Leipzig, HGB …). Darüber hinaus soll es Raum geben für offene Ateliers, experimentelle Räume für Kunst und Begegnung und Büros.

“Es geht nun darum, ob ein Herzstück und einer der letzten innerstädtischen und kulturellen Liegenschaften einfach veräußert wird und damit für immer verloren ist”, sagt Angela Seidel, “oder eine kulturell und stadträumlich nachhaltige Idee aus der freien Kultur einer neuen inhaltlichen Vision für Leipzig Gestalt verleihen und wachsen darf. – Unsere Überzeugungskraft hat bis hierhin bewirkt, dass der traditionelle Leipziger Kulturort ‘Skala’ nicht schon längst meistbietend und renditeorientiert verkauft wurde. Wir finden, Leipzig braucht langfristig in der Stadtentwicklung auch andere Impulse und wir wollen zeigen, dass es geht! Die Entscheider in Stadtverwaltung und Politik mussten sich nun doch intensiver und gestaltungsorientiert mit diesem Objekt und dessen Potenzial auseinandersetzen. In diesem Atemzug ebenso mit dem grundlegenden strukturellen Bedarf aus der Leipziger Kunst und Kultur, der aktuell verwaltungsseitig nicht priorisiert wird – für uns aber existenziell ist!”

Aus ihrer Sicht lesen sich die politischen Zeichen bis dato zu großen Teilen positiv. Angela Seidel: “Es gibt eine große Chance, dass es eine Pro-Kulturkonzept-Entscheidung geben kann.”

Die entsprechenden Anträge liegen auf dem Tisch. Am 25. Februar entscheidet der Stadtrat.

Der Änderungsantrag der CDU als pdf zum Download.

Der Änderungsantrag der Linksfraktion als pdf zum Download.

Der Antrag von Grünen und Linken zur Weiternutzung der Gottschedstraße 16 als pdf zum Download.

Die Vorlage der Stadtverwaltung als pdf zum Download.

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