So alt ist es eigentlich noch nicht: Seit 2009 hat Leipzig ein SEKo - ein Stadtentwicklungskonzept. Aber es ist eigentlich schon wieder veraltet. Leipzig braucht ein neues. Und das liegt nicht nur daran, dass der Sächsische Innenminister die entsprechenden Förderprogramme umbenannt hat in INSEK. Es liegt auch daran, dass Leipzig ein ganz anderes Tempo aufgelegt hat als 2009 erwartet.

Oder 2007 und 2008. Da kommt man der Sache wohl näher, denn auch das SEKo hatte ja Zeit gebraucht von der ersten Skizze bis zum fertigen Papier. In der jetzt vom Leipziger Planungsdezernat vorgelegten Formulierung klingt das so: “Die soziodemographischen Rahmenbedingungen haben sich grundlegend geändert. 2009 befand sich Leipzig in der Ãœbergangsphase von den Schrumpfungsprozessen der 90er Jahre zu einer stabilen Stadtentwicklung mit leichtem Wachstum. Heute hat Leipzig als die am zweitstärksten wachsende Großstadt in der Bundesrepublik einen Einwohnergewinn von mehr als 10.000 Personen jährlich. Die Arbeitslosigkeit hat sich fast halbiert. Auch wenn viele Unsicherheiten in der Prognose bestehen, in welcher Intensität die Zuzüge anhalten werden, muss sich Leipzig strategisch auf veränderte Handlungsschwerpunkte in einer wachsenden Stadt einstellen.”

Da staunt man schon ein wenig, denn 2009 war das eigentlich auch schon so zu beobachten, auch wenn sich insbesondere das Bevölkerungswachstum noch beschleunigt hat. Aber andererseits ist der frühe Zeitpunkt dieser überfälligen Korrektur schon erstaunlich. Die Veränderungen rufen augenscheinlich einen immer stärkeren Druck auch auf die Leipziger Verwaltung hervor. War jahrelang eher nur das Thema Kita-Platz-Versorgung ein Sorgenthema, brennt heute auch im Schulbau und im Wohnungsbau die Luft.

Das wird tatsächlich auch als ein wesentlicher Grund dafür angeführt, das Konzept zu überarbeiten: “In fast allen Fachteilen besteht Fortschreibungsbedarf. Nicht nur die aktuell laufende Fortschreibung des Wohnungspolitischen Konzeptes muss in das INSEK integriert werden, sondern auch die Fortschreibung des Kulturentwicklungsplans, des Sportentwicklungsplans, des neuen Stadtentwicklungsplans Verkehr und Öffentlicher Raum, der Anpassungsbedarf an den Klimawandel und vieles mehr. Die sich daraus ergebenden Wechselwirkungen zwischen den Fachteilen, aber auch die Auswirkungen auf die Stadtentwicklungsstrategie und die räumliche Schwerpunktsetzung, können nur in einer Gesamtfortschreibung ausreichend berücksichtigt werden. Zugleich ergibt sich nur mit einer Gesamtfortschreibung die Chance einer Integration neuer Themen.”

Tatsächlich sind auch das alles Themen, die 2009 schon fällig waren. Aber nicht ohne Grund ist auf Ebene des Freistaates aus SEKo INSEK geworden: Wenn man all diese Dinge nicht integriert in ein Gesamtkonzept, wird der nachhaltige Umbau der Stadt zu einer funktionierenden Lebenswelt für alle Bewohner immer schwieriger – oder auch unmöglich.

Das Wörtchen “integriert” benennt die kleine, schlummernde Tatsache, dass eine Stadt heutzutage multifunktional sein muss und alle Dienstleistungen und Angebote möglichst barrierefrei bereithalten muss – vom Verkehr bis zur Nahversorgung, von der bezahlbaren Wohnung bis zum Park.

Aber ein gewisser Druck kam jetzt auch von der Landesebene: “Gemäß der Programmausschreibung des Freistaates Sachsen für die Programme der Städtebaulichen Erneuerung vom 22.05.2014 sind ein aktuelles gesamtstädtisches integriertes Stadtentwicklungskonzept sowie daraus abgeleitete, auf kontinuierliche Fortschreibung angelegte teilräumliche Fördergebietskonzepte Fördervoraussetzung. Dabei ergibt sich die Erforderlichkeit einer Fortschreibung nicht aus einer zeitlichen Regelmäßigkeit, sondern ist anlassbezogen. Der Freistaat Sachsen hat als Erfahrungswert im Rahmen der Städtebauförderkonferenz vom 8.5.2014 in Dresden geäußert, dass Integrierte Stadtentwicklungskonzepte mindestens alle 10 Jahre fortgeschrieben werden müssen, wenn sie als aktuelle Grundlage für die Beantragung von Städtebaufördermitteln dienen sollen. Mit Blick auf den umfassenden Arbeitsprozess, der innerhalb einer Legislaturperiode erfolgen sollte, erscheint der aktuelle Zeitpunkt für den Start eines Fortschreibungsprozesses sinnvoll.”

Die ersten Auftaktveranstaltungen, die auch wieder mit Bürgerbeteiligung organisiert werden sollen, sollen im Hebst 2015 beginnen. 2017 ist als Zieljahr für den Beschluss im Stadtrat anvisiert. Womit dann das SEKo, das eigentlich bis 2020 gelten sollte, frühzeitig abgelöst wird und unter dem Titel “Integriertes Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2030 (INSEK)” das neue Programm inkraft tritt.

Dabei soll die Bürgerbeteiligung bis zur Endfassung in Werkstattgesprächen und Bürgerforen – aber auch in einer Online-Beteiligung erfolgen. Die Stadt will dazu den Beteiligungsprozess im Format “Leipzig weiter denken” nutzen.

Neu werden diesmal sogenannte Future Labs, in denen sich eigene “Laborgruppen” gesondert mit Zukunftsthemen der Stadt beschäftigen. Optional, steht dazu im Papier: sofern die Ressourcen reichen. Das müssen nicht einmal die 195.000 Euro sein für den Erarbeitungsprozess, die möglicherweise nicht reichen. Es braucht ja auch Leute, die all die Werkstätten, Foren und Labore koordinieren.

So eine kleine Ahnung, wie komplex eigentlich mittlerweile die Aufgaben einer modernen Stadt geworden sind, hat man ja mit “Leipzig weiter denken” und den anderen Beteiligungsprozessen schon bekommen – man denke an den Lärmaktionsplan, die Diskussion um den Modal Split, das Zentrenkonzept, den Kampf um Kitas, Schulen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen.

Am Horizont tauchen noch ganz andere Themen auf: Wie kann eine Stadt wie Leipzig Asylsuchende besser integrieren? Wie kann sie die entsetzlich hohe Schulabbrecherquote senken, wenn sich die Landesregierung verweigert? Wie kann sie Teilhabe und Arbeitsmarktchancen für alle verbessern? Wie schafft sie attraktive Durchmischungen in den Stadtquartieren? Wie rettet sie Umwelt und Auenwald? Wie wird sie zur echten Metropole, die auch die angrenzenden Landkreise stärkt in ihrer wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklung?

Und so weiter.

Alles, was nicht mitbedacht wird, taucht über kurz oder lang als brennendes und ziemlich teures Problem wieder auf, als unnötiger Streit im Stadtrat oder als Tummelplatz für bunte Blasen, die nichts mehr mit der zentralen Entwicklung der Stadt zu tun haben – man denke nur an den jüngsten Streit um die seit Jahren überfällige Tourismusstrategie oder das Dauerthema Liegenschaftspolitik.

Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hat den Antrag zur Fortschreibung des Stadtentwicklungskonzepts jetzt vorgelegt. Am 23. März wurde es erstmals in der Dienstberatung des OBM diskutiert. Jetzt tingelt der Antrag durch die Fachausschüsse und müsste eigentlich noch vor der Sommerpause zum Beschluss im Stadtrat landen, wenn im Herbst die erste Auftaktveranstaltung mit dem OBM stattfinden soll.

Vorschlag zum Prozess für das neue Stadtentwicklungskonzept.

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2009… das, was hier zu 2009 jetzt “offiziell” bekannt gegeben wird, wurde schon 2006 – auch aus Anlass der Fußball-WM – in Leserbriefen und örtlichen Online-Foren diskutiert und gemutmaßt.

Unsere Stadtregierung… eine Ansammlung von ziemlichen Schnellmerkern.

Und dann wollen die noch 2-3 Jahre haben, um erstmal ein Papier herzustellen?

Sachen gibts.

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