Seit April hängt ein großes Fragezeichen über der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“. Nicht deshalb, weil niemand die Ausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ sehen möchte und wissen wollte, wie der einst allmächtige Staatssicherheitsdienst der DDR funktionierte, sondern weil ein wichtiger Partner wegzubrechen droht: die Außenstelle der Stasi-Unterlagen-Behörde.

Die sitzt ja im selben Gebäude und verwaltet hier die Aktenbestände. Doch eine Expertenkommission hat ja gerade der Bundesregierung empfohlen, die Unterlagen in das Bundesarchiv zu überführen und die bisherigen Außenstellen der Behörde weitgehend zusammenzulegen. Zwei von drei Außenstellen in Sachsen müssten dann geschlossen werden. Das wären dann wohl Leipzig und Chemnitz.

Justizminister Sebastian Gemkow hat sich schon einmal gegen die Pläne positioniert: „Es gehört zu den großen Errungenschaften der friedlichen Revolution, dass die Opfer der SED-Diktatur Zugang zu den Stasi-Unterlagen haben. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass die Bürger auch weiterhin uneingeschränkt und möglichst ortsnah Einsicht in die Akten nehmen können. Die drei sächsischen Außenstellen des Bundesbeauftragten leisten mit den angegliederten Informations- und Dokumentationszentren außerdem einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des SED-Unrechts.“

Aber was passiert, wenn die Pläne tatsächlich so umgesetzt werden? Dann muss die Stadt Leipzig zumindest eine Vorstellung davon haben, was sie mit dem Museum im Gebäude Dittrichring 24, der berühmten „Runden Ecke“, die 1911 bis 1913 als Geschäftshaus der Alten Leipziger Feuerversicherung errichtet wurde, künftig anfangen will. Das ist das vom Bürgerkomitee Leipzig e. V. getragene Museum „Runde Ecke“. Und gleich benachbart ist ja das Schulmuseum – Werkstatt für Schulgeschichte Leipzig.

Jetzt hat sich die SPD-Fraktion das Thema vorgenommen und beantragt: „Erarbeitung einer Zukunftskonzeption für die Gedenkstätte Museum in der ‚Runden Ecke‘ und Schulmuseum bei der Weiterentwicklung unterstützen!“

Wobei die Betonung auf „unterstützen“ liegt, denn dem Bürgerkomitee traut die Fraktion die Entwicklung einer Zukunftskonzeption nicht zu. Das habe der Verein schon einmal nicht gestemmt.

Was die Fraktion da erwartet, wird deutlich, wenn sie formuliert: „Die Erinnerung an die politische Wende 1989 wach zu halten ist eine Verpflichtung für die Stadt Leipzig. Durch das gewaltlose und couragierte Eintreten der Demonstranten, nicht nur in Leipzig, für mehr Freiheit, Mitbestimmung und Demokratie wurde die deutsche Wiedervereinigung ebenso möglich wie das heutige Leipzig. Dass der Stadt Leipzig 1989 eine zentrale Rolle zukam, wurde unter anderem durch das Bürgerkomitee Leipzig aufgearbeitet und im Museum in der Runden Ecke für die Menschen weit über die Grenzen Leipzigs hinaus greif- und verwertbar gemacht. Das Museum ist wichtig für Leipzig, zählt seit Jahren zahlreiche Besucher und sollte erhalten werden. Eine schlüssige Konzeption für die Zukunft ist dafür aber unabdingbar.“

Eine Zielmarke dafür gibt es auch: „Spätestens zum 30sten Jahrestag der Ereignisse sollte das Museum zukunftsweisend gestaltet sein. Hierfür sind auch Partner vom Bund und dem Freistaat Sachsen zu gewinnen. Die Erarbeitung des Konzeptes soll diesmal nicht allein dem Bürgerkomitee e. V. überlassen werden. In einem ersten Versuch, wo die Stadt Leipzig auch Mittel für die Erstellung eines Konzeptes bereitgestellt hatte, konnte der Verein in der Zeitfrist leider kein Konzept vorlegen.“

Wobei gerade der Verweis auf Partner aus Bund und Land wohl wichtig ist, denn die haben ja ein Wörtchen mitzureden, wenn über die Zukunft in der Immobilie nachgedacht werden soll. Und die Frage steht natürlich: Bleiben sie auch dann bei der Stange, falls die BstU-Außenstelle ausziehen muss? Das Schulmuseum ist zwar in der angrenzenden Immobilie Dittrichring 20 untergebracht, gehört aber prinzipiell dazu.

„Um nach dem Einzug des Jugendparlamentes in die Räumlichkeiten des Schulmuseums zum 01. Mai 2016 auch künftig die notwendigen Wachstumsmöglichkeiten zu haben, soll der Kinosaal des Gebäudes Goerdelerring 20 dauerhaft vom Schulmuseum bzw. dem Zentrum für demokratische Bildung genutzt werden. Aus dessen Neuausrichtung ergeben sich neue Nutzungsbedarfe für den Saal, der dem Schulmuseum seit über sechs Jahren weder für Sonderausstellungen noch für Veranstaltungen zur Verfügung stand“, stellt die SPD-Fraktion zum jetzt schon unbefriedigenden Zustand fest.

Womit sie dann – nachdem man gerade das Naturkundemuseum mühsam nach Plagwitz verfrachtet hat – die nächsten beiden Museen-Sorgenkinder auf die politische Agenda hebt. Und sie macht sogar zeitlichen Druck: „Die Stadt Leipzig forciert die Erstellung eines schlüssigen Zukunftskonzeptes für die Gedenkstätte Museum in der ‚Runden Ecke‘ gemeinsam mit dem Bürgerkomitee Leipzig e. V. und weiteren geeigneten externen Partnern. Das Konzept ist dem Stadtrat bis zum I. Quartal 2017 vorzulegen.“

Das wäre ein verblüffend schneller Vorgang für Leipzig. Beim Naturkundemuseum hat das Ganze über 10 Jahre gedauert.

SPD-Antrag zu Runder Ecke und Schulmuseum

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar